Data

Date:
13-11-2002
Country:
Germany
Number:
U346/02
Court:
Oberlandesgericht Munchen
Parties:
-

Keywords

NON CONFORMITY OF GOODS - DEFECTS EASILY DISCOVERABLE - NOTICE OF LACK OF CONFORMITY - WITHIN A REASONABLE TIME (ART. 39 (1) CISG)

NON CONFORMITY OF GOODS - REASONABLE EXCUSE FOR NOT GIVING TIMELY NOTICE (ART. 44 CISG) - EXCLUDED

Abstract

Buyer and seller entered into a contract for the sale of organic barley.
Lacking a certificate proving the organic origins of the product, as required by European Regulations, and due to the refusal, by the Supervising Authority of the Belgian Ministry of Agriculture to qualify the barley as “organic”, the buyer could not process and sell it to the ultimate customer.

The buyer commenced a legal action, alleging the lack of conformity of the goods, claiming damages for the difference between the agreed and delivered goods, and for the costs incurred on account of the substitute contract necessary to fulfill its obligation towards the final customer.
The first instance tribunal decided in favour of the seller. Buyer appealed.

The Court of Appeal held that, irrespective of whether the seller had performed its obligations under Arts. 30 and 34 CISG, the buyer, according to Art. 39 CISG, had lost its right to rely on the lack of conformity of the goods since it had not given notice to the seller within a reasonable time.

Furthermore, the Court rejected the buyer's argument that it had To wait until the competent authority stated the non-conformity of the goods and the impossibility of further processing and reselling them, so that until it received such official statement it was excused from giving notice to the seller of the absence of the required certificate concerning the organic origin of the goods. According to the court the fact that the goods were delivered without the required certificate was in itself a case of non conformity which the buyer should have notified to the seller without having to wait for a formal declaration by the competent authority.

Fulltext

Die Kl. verlangt von der Bekl. Schadensersatz auf Grund eines Kaufvertrags über die Lieferung von Biobraugerste, die die KI. wegen Zweifeln über die Herkunft nicht als solche verarbeiten konnte. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils des LG ist festgestellt: Mit Liefer- und Abnahmekontrakt vom 14./31. 7. 2000 hat die KI. von der Bekl. 150 Tonnen Biobraugerste gekauft, wobei die Lieferung im August/September 2000 erfolgen sollte und die Qualität vertraglich wie folgt beschrieben war: „Die angelieferte Ware entspricht der EG-Verordnung Nummer 2092/91 über den Ökologischen Landbau, Herkunft Deutschland". Die KI. erhielt dann auf Veranlassung der Bekl. 150 Tonnen Gerste in sechs Teillieferungen vom 28. 9., 29. 9., 3. 10., 9. 10., 30. 11. und 20. 12. 2000. Die Bekl. ihrerseits hatte diese Gerste vorn Gut R erworben, diese wiederum einen wesentlichen Teil von einer Firma aus Gotha. Mit der letzten Teillieferung vom 20. 12. 2000 erhielt die El. ein Zertifikat, das bestätigte, dass diese zuletzt gelieferte Ware den Anforderungen der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 entspreche. Für die ersten fünf Teillieferungen erhielt die Kl. keine entsprechenden Zertifikate. Nur wegen der ersten fünf Teillieferungen macht die Kl. nun Schadensersatzansprüche geltend. Mit Schreiben vom 6. 2. 21)01 wurde der Kl. nämlich von der Kontrollbehörde des belgischen Landwirtschaftministeriums untersagt, die von der Bekl. erhaltenen streitigen Teillieferungen als Biogerste weiterzuverarbeiten bzw. weiterzuveräußern, weil Zweifel an der Qualität als Biogerste bestünden bzw. jedenfalls ein entsprechender Nachweis durch Zertifikat nicht vorliege. Die Kl. hat der Bekl. diesen Sachverhalt am 15. 2. 2001 als Rüge mitgeteilt. Ob die streitgegenständlichen Teillieferungen tatsächlich aus ökologischem Landbau herstammen, blieb in diesem Verfahren ungeklärt. In dem hier maßgeblichen Großhandel erfolgt der Nachweis der Qualität als Biogerste ausschließlich durch warenbegleitende Zertifikate von Unternehmen, die zur Zertifizierung zugelassen sind. Konventionell angebaute Gerste hat einen wesentlich geringeren Marktwert als Biogerste; Entsprechendes gilt tut das jeweils aus der Gerste hergestellte Malzprodukt. Die Kl. hat aus der Wertdifferenz zwischen der gelieferten und der vereinbarten Ware, aus den zusätzlich entstandenen Kosten für die Neubeschaffung von Biogerste zur Erfüllung anderweitig eingegangener vertraglicher Verpflichtungen und aus sonstigen entstandenen Auslagen einen Schaden von 48 480 DM errechnet.

Das LG gab der Zahlungsklage statt. In der Berufung behauptet die Bekl., das warenbegleitende Zertifikat beziehe sich auf die streitgegenständlichen fünf Lieferungen. Für diese Lieferungen legt die Bekl. je einen CMR-Frachtbrief sowie Lieferscheine und Rechnungen von Gut R vor. Gem. Art. 1 I Ökolandbau-VO gilt die Verordnung für die vertragsgegenständliche Biogerste. Art 5 1 regelt die Voraussetzungen, unter denen bei der Gerste auf den ökologischen Landbau Bezug genommen werden darf. U. a. muss die Gerste nach den Vorschriften des Art. 6 erzeugt worden sein und von einem Unternehmen stammen, tut das die Kontrollmechanismen der Art. 8 und 9 gelten. Gern. Art. 8 1 lit. h i. V. mit Art. 9 III Ökolandbau-VO gelten für die Bekl. und tat die Kl. die in Anh. III zur Verordnung aufgeführten Kontrollanforderungen als Mindestanforderungen des Kontrollverfahrens. In Nr. 8 des Anh. III zur Verordnung sind die Mindestanforderungen für den Transport von Erzeugnissen gem. Art. I Ökoland-bau-VO genannt. Grundsatz dabei ist, dass eine untrennbare und unverwechselbare Verbindung zwischen dein Produkt und den Papieren, die die ökologische Herkunft belegen, gewährleistet wird. Während Anh. III Nr. 8 i. d. ursprünglichen F. einen Transport nur in verschlossenen Behältnissen mit einem entsprechenden Etikett erlaubte, so dass ein Austausch des Inhalts nicht möglich ist, ist nach der von der Bekl. für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorgelegten Passung auch ein offener Transport zulässig (Nr. 8.2), wenn Versender und Empfänger dem Kontrollverfahren nach Art. 9 Ökolandbau-VO unterliegen und ein Begleitpapier mitgeführt wird, das Name und Anschrift des für die Erzeugung oder Aufbereitung des Erzeugnisses Verantwortlichen oder bei Angabe eines anderen Verkäufers einen Vermerk enthalt, anhand dessen die annehmende Stelle und die Kontrollstelle den für die Erzeugung des Produkts Verantwortlichen zweifelsfrei ermitteln können. Im vorliegenden Fall wurde die Biogerste in offenen Lkw transportiert, was die Parteien auf Frage des Senats unstreitig stellten. Ein entsprechendes Begleitpapier wurde aber nicht mitgeführt Die Berufung hatte Erfolg und führte zur Abweisung der Klage.

Aus den Gründen:

Die gelieferte Gerste entsprach nicht der vereinbarten Beschaffenheit. Die KI. hat aber die erforderliche Rüge unterlassen.

1. Die gelieferte Gerste war nicht vertragsgemäß i. S. des Art. 35 1 CISG. Geschuldet war Ware, die der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 über den ökologischen Landbau (kurz: Ökolandbau-VO) entspricht. Nach dem Vortrag der Parteien steht nur fest, dass die Kl. mit der Lieferung ein CMR-Frachtpapier erhielt. Dieses erfüllt aber die Voraussetzungen gem. Nr. 8 des Anh. III nicht.

Die von der Bekl. weiter vorgelegten Lieferscheine betreffen nur die Lieferung durch Gut R und sind an die Bekl. gerichtet. Lieferscheine von der Bekl. an die Kl. wurden nicht vorgelegt. Die KI. spricht zwar in ihrem letzten Schriftsatz von nicht unterschriebenen Lieferscheinen, legt aber trotz des Hinweises des Senats, welche Bedeutung er den Begleitpapieren beimisst, keine vor.
Der Transport von Biogerste ohne Begleitpapiere i. S. der Nr. 8 des Anh. III zur Ökolandbau-VO verletzte die Mindestanforderungen für das Kontrollverfahren nach Art. 9. Damit verlor die Gerste die Berechtigung, als „bio" bezeichnet zu werden, und für die belgischen Kontrollstellen bestand schon deshalb die Verpflichtung, die Hinweise auf einen ökologischen Landbau von der Ware entfernen zu lassen (Art. 9 IX a Ökolandbau-VO). Damit entsprach die Gerste nicht mehr der vereinbarten Qualität.

Diese sehr formale Betrachtungsweise ist auch inhaltlich gerechtfertigt. Biogerste lässt sich von konventionell angebauter Gerste nicht oder jedenfalls mit gängigen Methoden und verhältnismäßigem Aufwand nicht unterscheiden. Das System der Verordnung geht daher auch nicht von einer Kontrolle des Produkts aus, sondern baut auf ein System der Zertifizierung der Betriebe hei Erzeugung, Handel und Verarbeitung. Die Tatsache, dass ein Produkt von einem zertifizierten Betrieb stammt und dieser bestätigt, dass es nach den Voraussetzungen des Art. 6 Ökolandbau-VO erzeugt wurde, erlaubt die Bezeichnung als „bio" und damit einen wesentlich höheren Preis. Im Fall waren dies 625 DM/t Biogerste im Vergleich zu 290 DM/t konventioneller Gerste. Dies gilt entsprechend für jede Verarbeitungsstufe. So behauptet die Kl. für 1 t Biomalz einen Verkaufspreis von 1256 DM und für normales Malz von 605 DM.

Letztlich beruht daher der für den Endverbraucher maßgebende Vermerk über die im Kontrollverfahren festgestellte Konformität (Art. 10 Ökolandbau-VO i. V. mit Anhang V) auf der Einhaltung der geltenden Kontrollverfahren. Anders ausgedrückt zahlt der Verbraucher einen wesentlich höheren Preis für ein Bioprodukt nicht für eine nachgewiesene Qualität, sondern für die Einhaltung von Kontrollverfahren hei Produktion, Transport und Verarbeitung. „Warenbegleitende Zertifikate" oder „Partien-Zertifikate" kennt die Verordnung nicht. Auch wenn sie üblich sein sollten, können sie nur dann als Begleitpapier i. S. der Nr. 8.2 des Anh. III zur Verordnung angesehen werden, wenn sie mit der Ware vorgelegt werden. Eine Ausstellung und Vorlage Monate nach der Lieferung, wie hier, erfüllt die Anforderungen nicht. Im Nachhinein ist die Feststellung und Kontrolle, die Anh. 111 erreichen will, nicht mehr möglich. Dies belegt das „warenbegleitende Zertifikat" besonders deutlich: Es bescheinigt der Gothaer Firma die Lieferung biologischer Gerste, obwohl der Betrieb im Jahr 2000 gar keine Gerste angebaut hat, wie die Streithelferin zu 2 in der mündlichen Verhandlung ausführte. Einen Hinweis, dass die Gothaer Firma nur als Händler auftrat mit der notwendigen Konsequenz, den Erzeuger zu nennen, enthält das Zertifikat auch nicht.

2. Die Kl. hat aber ihr Recht, sich auf die Vertragswidrigkeit zu berufen, verloren, da sie diese nicht rechtzeitig gerügt hat (Art. 39 1 (ISG).

a) Als angemessene Zeit im Sinne dieser Vorschrift ist ein Zeitraum von zwei Wochen (Staudinger/Magnus, BGB,13. bearb. (1994), Art. 39 CISG Rdnr. 49) oder auch noch ein Monat (Schwenzer, in Schlechtriem) CISG, 3. Aufl., Art. 39 Rdnsr. 17) anzusehen. Der Mangel war hier sofort bei Lieferung erkennbar – es fehlte das Begleitpapier gem. nr. 8.2 des Anh. III zur Ökolandbau VO – so dass die Frist mit der Lieferung zu laufen begann. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift des Anh. III Nr. 8.2. und insbesondere im vergleich zur nr. 8.1 ist das Begleitpapier für jede Lieferung erforderlich. Ein Begleitpapier erst mit der letzten Lieferung ist nicht ausreichend, da es die Anforderungen nicht erfüllt. Dies zeigt gerade der vorliegende Fall, wo die letzte, sechste Lieferung von einem anderen Erzeuger stammte. Ein Begleitpapier für diese Lieferung hätte daher keine Aussagekraft für die vorangegangenen.
Die streitgegenständlichen Lieferungen erfolgten vom 28.9. bis 30.11.2000. die Rüge der Kl. Erfolgte mit Schreiben vom 15.2. 2001. die Anforderung von Lieferscheinen am 17.1.2001 stellt keine Rüge dar, wäre aber auch verspätet.

b) Es geht hier auch nicht darum, ob die Bekl. ihrer Verpflichtung zur Vorlage von warenbegleitenden Papieren i. S. der Art. 30 und 34 CISG nachgekommen ist und ob Art. 39 1 CISG auf eine unterbliebene Übergabe von Papieren entsprechend anwendbar ist. Das Begleitpapier hat hier keine eigenständige Bedeutung. Vielmehr macht sein Fehlen die Ware selbst vertragswidrig wie ausgeführt.
c) Die KI. hat auch keine vernünftige Entschuldigung für die unterlassene Rüge i. S. des Art. 44 CISG vorgebracht. Das Argument der KI., sie habe erst nach der Information durch die Kontrollbehörde reagieren können, da die Feststellung der Vertragswidrigkeit nur durch diese Stelle möglich gewesen sei, verfängt nicht. Wie ausgeführt entsprach der Transport ohne Warenbegleitpapier gen. Nr. 8.2 des Anh. III nicht den vorgeschriebenen Kontrollmechanismen und machte die Ware damit fehlerhaft. Einer Mitteilung durch die Kontrollbehörde bedurfte es insoweit nicht.

Auch der Umstand, dass möglicherweise auch früher schon mit Nachzertifizierungen gearbeitet wurde, stellt keine ausreichende Entschuldigung dar. Die Kontrollvorschriften in Nr. 8.2 des Anh. III sind eindeutig und, wie ausgeführt, mit guten Gründen strikt einzuhalten. Eine nachträgliche Zertifizierung von bestimmter Ware sieht die Verordnung nicht vor. Wenn dies in der Vergangenheit gleichwohl geschah, hatten beide Parteien insoweit Glück, denn, wie ebenfalls bereits ausgeführt, verpflichtet allein das unterbliebene Warenbegleitpapier nach Nr. 8.2 des Anh. III die Kontrollstellen nach Art. 9 IX a ÖkolandbauVO, den Hinweis auf den ökologischen Landbau entfernen zu lassen.}}

Source

Published in German in
- NJW-RR 2003, Heft 12, p. 849-850}}