Data
- Date:
- 27-02-2003
- Country:
- Austria
- Number:
- 2Ob48/02a
- Court:
- Oberster Gerichtshof
- Parties:
- --
Keywords
CONFORMITY OF GOODS (ART. 35) - INTERNATIONAL TRADE USAGE ESTABLISHING PRESUMPTION THAT GOODS HAVE TO COMPLY WITH CERTAIN REQUIREMENTS - RELEVANT
SELLER'S KNOWLEDGE OF LACK OF CONFORMITY (ART. 40 CISG) - LOSS OF RIGHT TO RELY ON ARTS. 38 AND 39 CISG
CONFORMITY TO SAMPLE (ART. 35(2)C CISG) - BUYER'S FAILURE TO GIVE NOTICE OF LACK OF CONFORMITY - NOT RELEVANT IF SELLER WAS AWARE THAT THE SAMPLE WAS NOT-CONFORMING
Abstract
In June 1997, a Dutch seller offered a shipment of deep-frozen fish to an Austrian buyer. The fish had been caught in April/May 1996. This fact was not disclosed to the buyer at any time.
The buyer, who had an ultimate customer for the goods in Latvia, at first placed an order for a container of 24 t of fish at the end of June. The date of the haul was printed clearly on the sacks containing the fish. The buyer did not examine the goods on arrival though, since it expected immediate delivery to Latvia. However, the container did not arrive at destination before the end of August.
By the mid-August the buyer placed another order of 200 t. The contract expressly provided that the fish should be of the same quality as that of the first container. However, when the first container arrived in Latvia, it became clear that the fish was part of a 1996 haul. In Latvia it is prohibited to import fish for human consumption that is older than six months. Therefore, the ultimate customer refused to accept the first container as well as the subsequent orders. The buyer communicated the circumstances to the seller and likewise refused to accept the goods. It argued that there was a usage in international fish trade that, unless otherwise agreed, deep-frozen fish should be part of the current haul. Moreover, according to the buyer, the seller was aware of the actual age of the goods.
The first instance Court rejected the seller’s claim for the recovery of the purchase price. Yet, the Court of Appeal decided in favour of the seller. Without clarifying whether the usage invoked by the buyer actually existed and whether the seller was aware of the actual age of the fish, it reasoned that since the parties had not expressly specified the quality of the goods, Art. 35 (2) CISG applied. Therefore, the goods had to be fit for the use they would ordinarily have in the seller’s country. As a result, the non-conformity with the Latvian import regulations was not relevant. Furthermore the parties had expressly agreed on the quality of the first container which served as a sample for subsequent orders by virtue of Art. 35 (2) c) CISG.
The Supreme Court reversed the lower court's decision stating that, in case the invoked usage really existed in international trade, it would determine the minimum standard for the quality of the goods. Furthermore, if the seller knew about the non-conformity of the goods, it would not be entitled to rely on the buyer’s failure to examine the goods pursuant to Art. 40 CISG. In this case, the fact that the buyer did not give notice of the lack of conformity would not permit to conclude that the sample, even if defective, should determine the quality of the subsequent deliveries according to Art. 35 (2) c) CISG.
Fulltext
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des
Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die
Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon.
Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der
Rechtssache der klagenden Partei H. J. de B***** B.V., *****,
vertreten durch Dr. Gregor Schett, Rechtsanwalt in Wien, gegen die
beklagte Partei Alexander L***** GmbH, *****, vertreten durch Dr.
Peter Kisler und DDr. Karl Pistotnik, Rechtsanwälte in Wien, wegen US
$ 226.895,18 und NLG 94.128,04 jeweils sA (Streitwert EUR 217.103,65)
über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des
Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2001,
GZ 2 R 50/01i-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das
Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30. November 2000, GZ 25 Cg
135/99i-19 abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
1.) Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht,
verworfen.
2.) Im Übrigen wird der Revision Folge gegeben.
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und diesem
eine neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verhandlung
aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei Zahlung von US $
226.895,18 sA sowie NLG 94.127,04 sA. Die beklagte Partei habe im
Juni 1997 24 Tonnen Scholle zur Probe gekauft, geliefert erhalten und
bezahlt. Im August 1997 habe sie weitere 198 Tonnen dieser Scholle
"same as last" gekauft, sich aber in der Folge geweigert, diese Ware
zu übernehmen und den Kaufpreis zu bezahlen. Aus der teilweisen
Verwertung dieser Scholle habe die klagende Partei einen Erlös von US
$ 20.745,- erzielt. Für die Einlagerung und Versicherung der nicht
abgenommenen Ware seien ihr Kosten von NLG 94.127,04 entstanden,
wovon sie einen Teilbetrag von NLG 67.574,43 mit der Rechnung Nr
2131E von der beklagten Partei gefordert habe. Anfang Juli 1997 habe
sie der beklagten Partei eine Ladung Hechtdorsch geliefert und den
Kaufpreis mit Rechnung Nr 8189E über US $ 29.593,20 fakturiert. Die
beklagte Partei habe lediglich einen Teilbetrag bezahlt, weshalb US $
22.274,20 weiter aushafteten. (Der genaue Klagebetrag setzt sich aus
der dem Berufungsurteil zu entnehmenden Aufschlüsselung zusammen.)
Das FDA Health Certificate werde für die Verschiffung nach Europa
ausgestellt und bestätige, dass die Fischereiprodukte nach den
Standards der einschlägigen EU-Richtlinien erzeugt, verarbeitet,
gelagert, transportiert und tiefgefroren worden seien, lasse aber
keine Rückschlüsse auf das Fangdatum zu, was der beklagten Partei
bekannt gewesen sei. Es sei nicht vereinbart worden, dass die Ware
erst in Riga geprüft werden sollte.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die
klagende Partei habe in ihrem Anbot vom 10. 6. 1997 nicht darauf
verwiesen, dass es sich um "alte Ware" (aus der Produktion April
1996) handle, weshalb nach den internationalen Handelsgepflogenheiten
im Fischgeschäft davon auszugehen sei, dass der Fisch aus der letzten
Fangquote stamme. Dies sei durch ein am 6. 6. 1997 in Seattle
ausgestelltes Gesundheitszeugnis bestärkt worden, weil nach den
internationalen Gepflogenheiten das "ursprüngliche" Veterinärzeugnis
an dem Tag, an dem die Ware vom Fischfangschiff im Fischereihafen
ausgeladen, bzw verladen werde, ausgestellt werde. Die beklagte
Partei habe von der klagenden Partei zur Überprüfung der Ware die
Zurverfügungstellung von Mustern begehrt, worauf die Klägerin zwei
Transportbeutel á 12 kg nach Wien geliefert habe. Die Muster seien
jedoch nicht aus der Lieferung gezogen worden, die die klagende
Partei auszuliefern versucht habe. Die beklagte Partei habe nach dem
Muster einen Container Ware bestellt und auch bezahlt. Es sei mit der
klagenden Partei vereinbart gewesen, dass die Prüfung der Ware erst
durch ihren Kunden in Riga vorgenommen werde. Dort sei
hervorgekommen, dass es sich um alten und kleinen, nicht
mustergerechten Fisch handle. Daher habe sie die in Aussicht
genommene zusätzliche weitere 200 metrische Tonnen-Bestellung nicht
realisiert. Die beklagte Partei habe ihre Zahlung und die daraus
resultierende Forderung aus der Rückabwicklung von US $ 28.272 mit
Forderungen der klagenden Partei aus der Lieferung von peruanischen
Hechtfilets aufgerechnet. Die klagende Partei habe am 4. 12. 1997 der
beklagten Partei mitgeteilt, dass sie die Möglichkeit habe, 200
Tonnen der Ware zum Preis von US $ 750,- nach China zu verkaufen, sie
habe diese Möglichkeit aber nicht genützt und daher ihre
Schadensminderungspflicht verletzt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es traf - zusammengefasst - nachstehende wesentliche Feststellungen:
Die klagende Partei hatte im Frühjahr 1997 eine umfangreiche Menge an
tiefgekühlter Gelbflossenscholle bei einer amerikanischen Lieferantin
bestellt. Die Ware war ursprünglich für einen anderen Abnehmer
bestimmt. Da die Ware nicht wie vorgesehen bereits im Mai 1997
ausgeliefert werden konnte und der ursprünglich vorgesehene Abnehmer
kein Interesse mehr zeigte, bot der Geschäftsführer der klagenden
Partei im Juni 1997 die Ware der beklagten Partei an. Der
Geschäftsführer der klagenden Partei wusste stets darüber Bescheid,
dass dieser Fisch nicht aus der aktuellen Fangquote von 1997 stammte,
sondern bereits im Jahr 1996 gefangen wurde. Es ist im
internationalen Hochseefischhandel üblich, dass bei Kaufgeschäften
über tiefgekühlte Ware stets ein aus der aktuellen Fangquote
stammender Fisch gemeint ist, wenn nichts Gegenteiliges vereinbart
wird. Ein Fisch, der ein mehr als 6 Monate altes Produktionsdatum
aufweist, darf in einige Länder des ehemaligen Ostblocks zum Zwecke
des menschlichen Verzehrs nicht mehr eingeführt werden. Auch sonst
ist ein Fisch, der aus der vorjährigen Fangquote stammt, nur mehr
schwer, bzw unter erheblichen Preisabschlägen verkäuflich.
Die klagende Partei erhielt am 10. 6. 1997 die Nachricht, dass die
ersten drei Container mit dem Fisch auf dem Seewege nach Europa
unterwegs sind. Sie bot der beklagten Partei, mit der sie bereits in
Geschäftsbeziehung stand, diese drei Container zum Kauf an. Ein bei
der beklagten Partei für den Fischhandel zuständiger Angestellter
nahm darauf Kontakt mit einem Geschäftspartner in Riga/Lettland auf,
der sich an einem Geschäft interessiert zeige. Der Angestellte der
beklagten Partei, der die Fischart Gelbflossenscholle nicht kannte,
besorgte sich zwei Säcke tiefgefrorener Gelbflossenscholle, die
allerdings nicht aus den hier gegenständlichen Lieferungen stammten
und die auch kein Produktionsjahr aufwiesen und ließ sie verkosten.
Am 23. 6. 1997 bot die klagende Partei der beklagten Partei neuerlich
die drei Container Gelbflossenscholle mit 24 t pro Container zum Kauf
an und bot weiters an, dass die Container auch in das Lager
Daalimpex/Holland, mit welchem die beklagte Partei zusammenarbeitete,
geliefert werden könnten. Der Angestellte der beklagten Partei teilte
mittels Telefax mit, dass die beklagte Partei einen Container
bestelle. Dieser sollte zunächst an den Abnehmer in Lettland
geliefert werden. Der Geschäftsführer der klagenden Partei wusste,
dass die Ware in den "Ostblock" geliefert werden sollte, die genaue
Empfängerfirma war ihm aber nicht bekannt. Er teilte dem Angestellten
der beklagten Partei nie mit, dass der Fisch aus der Fangquote 1996
stammt. Nach Einlangen der Fische am 26. 6. 1997 wurde ein Container
direkt in das Lager Daalimpex geliefert. Auf den Säcken, mit denen
die Ware verpackt war, war das Produktionsdatum April bzw Mai 1996
deutlich sichtbar aufgedruckt. Die beklagte Partei unterließ es, die
Ware zu prüfen und ließ sich auch keine Proben schicken, weil der
Container umgehend vom lettischen Abnehmer abgeholt werden sollte.
Auf Grund von Verzögerungen, die im Bereich des lettischen Abnehmers
lagen, langte die Ware erst Ende August 1997 in Riga ein. Die
beklagte Partei hatte bereits Ende Juli 1997 den Kaufpreis für den
ersten Container bezahlt.
Da der lettische Abnehmer dem Angestellten der beklagten Partei
mitgeteilt hatte, einen größeren Bedarf an diesem Fisch zu haben,
bestellte dieser am 7. 8. 1997 weitere drei Container (72 t) zum
Preis, den er für den ersten Container vereinbart hatte. In der Folge
bestellte der Angestellte der beklagten Partei die restlichen
klagegegenständlichen Lieferungen (71,34 t, 33,111 t ) und am 12. 8
1997 schließlich weitere 21,684 t.
Zwischen den Parteien war klar besprochen worden, dass es sich bei
den bestellten Mengen um die gleiche Ware wie bei dem ersten
Container handeln sollte. Die Folgebestellungen vom 7. 8 und 11. 8
1997 wurden auch nicht von einer Genehmigung des ersten gelieferten
und bereits bezahlten Containers durch den lettischen Abnehmer
abhängig gemacht.
Als in der Folge der erste Container in Riga einlangte, stellte sich
für die beklagte Partei und deren lettischen Abnehmer erstmals der
Umstand heraus, dass der Fisch aus April und Mai 1996 stammte und
nicht aus 1997. Aus diesem Grund verweigerte die lettischen
Einfuhrbehörden den Import der Ware zum menschlichen Verzehr. Der
lettische Abnehmer rügte das Alter des Fisches bei der beklagten
Partei, sendete die Ware umgehend nach Holland zurück und beendete
die Geschäftsbeziehung mit der beklagten Partei.
Diese Reklamation teilte die beklagte Partei sofort der klagenden
Partei mit und weigerte sich, die im August 1997 bestellte, noch im
Lager befindliche Ware zu übernehmen. Sie rechnete ihre behauptete
Rückforderung des Kaufpreises für den letztlich nicht
weiterverkauften, aber bereits bezahlten Container mit einer Rechnung
der klagenden Partei aus einem Geschäft über Hechtdorschfilets auf.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, das UN-Kaufrecht sei anwendbar.
Bei der Lieferung von nicht frischem Fisch handle es sich um
mangelhafte Ware, wobei der Mangel wesentlich sei. Die beklagte
Partei habe hinsichtlich der den eingeklagten Rechnungen zu Grunde
liegenden 198 Tonnen Gelbflossenscholle die rechtzeitige Mängelrüge
nicht versäumen können, weil der Mangel bereits vor Übernahme gerügt
worden sei. Hinsichtlich der vorhergehenden Lieferung von 24 Tonnen
sei auf Art 40 UN-K zu verweisen, der normiere, dass sich der
Verkäufer auf Art 38 und 39 nicht berufen könne, wenn die
Vertragswidrigkeit auf Tatsachen beruhe, die er gekannt habe oder
über die er nicht in Unkenntnis sein habe können und die er dem
Käufer nicht geoffenbart habe. Aus diesem Grund habe die beklagte
Partei zu Recht ihre Forderung auf Rückzahlung des Kaufpreises für
den ersten Container gegen die Forderung der klagenden Partei
aufgerechnet. Daraus folge auch, aus der Unterlassung der Mängelrüge
zur Probelieferung könne nicht abgeleitet werden, der Mangel sei
Grundlage des Kaufvertrages über die Hauptlieferung geworden. Die
klagende Partei könne sich nicht darauf berufen, die Hauptlieferung
weise dieselben mangelhaften Eigenschaften auf wie die
Probelieferung.
Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht gab deren
Berufung Folge und verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung von
US $ 226.895,18 sA sowie von NLG 94.127,04 sA und sprach aus, dass
die ordentliche Revision zulässig sei.
Es führte aus, dass die Beweiswürdigung des Erstgerichtes betreffend
die bekämpfte Feststellung, der Geschäftsführer der klagenden Partei
habe stets darüber Bescheid gewusst, dass der Fisch nicht aus der
aktuellen Fangquote 1997, sondern aus 1996 gestammt habe, nicht
nachvollziehbar sei. Zwar habe der Geschäftsführer der klagenden
Partei ausgesagt, ihm sei das Alter der Gelbflossenscholle beim Kauf
nicht bekannt gewesen; wenn aber das Erstgericht das Gegenteil
angenommen habe, könne dies am ehesten auf Grund eines
Sachverständigengutachtens geschehen, aus welchem sich ergeben müsse,
dass der von der Verkäuferin bezahlte Preis unter den damaligen
Verhältnisse darauf hinweise, dass nicht frischer, sondern alter
Fisch gekauft worden sei.
Ebenfalls überzeuge die Beweiswürdigung bezüglich der bekämpften
Feststellung, die beklagte Partei habe die Probe nicht überprüft,
nicht, doch sei dies ohne Bedeutung.
Letztlich müsse die von der klagenden Partei bekämpfte Feststellung,
es sei im internationalen Hochseefischhandel üblich, dass bei
Kaufgeschäften über tiefgekühlte Ware stets ein aus der aktuellen
Fangquote stammender Fisch gemeint sei, ebenso ersatzlos entfallen
wie die Feststellung, dass ein Fisch, der ein mehr als sechs Monate
altes Produktionsdatum aufweise, in einigen Ländern des ehemaligen
Ostblocks zum Zwecke des menschlichen Verzehrs nicht mehr eingeführt
werden dürfe. Die beklagte Partei habe sich zwar in der
Klagebeantwortung auf Handelsgepflogenheiten hinsichtlich des
Hinweises auf das Alter der Ware berufen, dazu aber keine
Beweismittel angeboten. Auch die Feststellung, auch sonst sei ein
Fisch, der aus der vorjährigen Fangquote stamme, nur schwer, bzw
unter erheblichen Preisabschlägen verkäuflich, müsse entfallen, weil
diese Fragen nur von einem Sachverständigen beantwortbar sei. Es
könne nicht hingenommen werden, wenn das Erstgericht Usancen oder
Sachverständigenfragen durch Zeugen- oder Parteiaussagen belegen
wolle.
Das Erstgericht habe zwar die Beweisfrage - soweit angefochten -
überwiegend unzutreffend gelöst, doch käme eine Beweisergänzung durch
das Berufungsgericht nicht in Frage, wenn das Erstgericht gar keine
Beweise oder nur scheinbar Beweise aufgenommen habe und das
Berufungsgericht "nicht überprüfend, sondern gleichsam als erste
Instanz tätig würde". Da im Übrigen die behaupteten Tatsachenmängel
nicht relevant seien, könne - auch vom unrichtigen Sachverhalt
ausgehend - die Rechtsfrage behandelt werden.
Nach Art 35 Abs 1 UN-K habe der Verkäufer Sachen der vertraglich
vereinbarten Quantität, Qualität und Art in der vertraglich
vereinbarten Verpackung oder dem vertraglich vereinbarten Behältnis
zu liefern. Wenn die Parteien eines internationalen Kaufvertrages es
verabsäumt hätten, die Anforderungen an die Beschaffenheit der Sache
vertraglich festzulegen, erlange der in Art 35 Abs 2 UN-K vorgegebene
Mindeststandard Relevanz: Ob eine Verletzung der Lieferpflicht
vorliege, bemesse sich danach, ob die kaufgegenständliche Ware dem
gewöhnlichen oder besonderen Gebrauchszweck entspreche, mit einem
Muster bzw einer Probe übereinstimme oder in üblicher und
angemessener Weise verpackt sei. Die Eignung für gewöhnliche Zwecke
bestimmten grundsätzlich die Standards im Landes des Verkäufers. Die
Eignung für gewöhnliche Zwecke schließe nicht ein, dass die Ware den
Sicherheits- Kennzeichnungs- oder Zusammensetzungsvorschriften des
Importlandes genüge. Es könne vom Verkäufer nicht erwartet werden,
dass er die besonderen Vorschriften im Käufer- oder Verwendungsstaat
kenne. Allein daraus, dass der Käufer dem Verkäufer das
Bestimmungsland mitgeteilt habe, könne noch nicht abgeleitet werden,
dass der Verkäufer verpflichtet sein müsse, die dort geltenden
öffentlich-rechtlichen Bestimmungen einzuhalten. Es sei Sache des
Käufers, sich um die besonderen öffentlich-rechtlichen Normen im
Verwendungsstaat zu kümmern und sie zum Gegenstand des Vertrages zu
machen. Auf bestimmte Vorgaben im Land des Käufers sei nur dann
abzustellen, wenn sie ebenso im Verkäuferstaat bestünden oder wenn
sie vereinbart oder dem Verkäufer nach Art 35 Abs 2 lit b UN-K bei
Vertragsabschluss zur Kenntnis gebracht worden seien.
Hier habe die klagende Partei der beklagten Partei einen Container
als Muster übersandt. Das Muster sei gekauft, bezahlt und die
Hauptlieferung bestellt worden. Die beklagte Partei habe nicht
gerügt, dass der Fisch dem Muster nicht entspreche. Erstmals im
Telefax vom 27. 8. 1997 habe sie gerügt, dass die Muster kein
Produktionsdatum auf dem Karton gehabt hätten. Dies sei irrelevant,
weil der Mustercontainer mit Säcken und nicht mit Kartons beladen
gewesen sei. Es sei davon auszugehen, dass die Ware der
Probelieferung entsprochen habe. Da die Probelieferung nicht
zurückgewiesen, sondern im Gegenteil bezahlt und somit konkludent
angenommen worden sei, sei die Qualität der Probelieferung vereinbart
worden. Es sei ohne Bedeutung, ob die Probelieferung untersucht oder
gerügt worden sei, weil die beklagte Partei die Probelieferung
jederzeit hätte zurückweisen können. Eine Rüge nach Annahme sei
begrifflich ausgeschlossen, weil mit Annahme die Qualität der
Probelieferung als vereinbart gelte. § 40 UN-K sei hier nicht
anwendbar.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Entscheidung des
Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob bei einem Kauf auf Probe § 40
UN-K anwendbar sei, ausstehe.
Die beklagte Partei bekämpft diese Entscheidung aus den
Revisionsgründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des
Verfahrens, der Aktenwidrigkeit sowie der unrichtigen rechtlichen
Beurteilung und beantragt die Abänderung der angefochtenen
Entscheidung dahingehend, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen
werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt, die Revision als unzulässig
zurückzuweisen, bzw ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrages
berechtigt.
Rechtssatz
Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt
allerdings nicht vor. Dieser Nichtigkeitsgrund wird nur dann
hergestellt, wenn (ua) das Urteil mit sich selbst im Widerspruch
steht. Dieser Fall betrifft nur den Spruch, ein Widerspruch in den
Gründen reicht nicht aus (vgl Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 12 zu §
477 mwN). Dass das Berufungsgericht einerseits die Beweisrüge in
großen Teile für berechtigt hält, andererseits ausgehend von als
unrichtig erkannten Feststellungen sein Urteil begründete, reicht
daher nicht aus, den behaupteten Nichtigkeitsgrund zu erfüllen.
Bevor auf die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit und der
Aktenwidrigkeit eingegangen wird, ist zunächst die Rechtslage
klarzustellen.
Im Verfahren wird nicht bestritten, dass grundsätzlich UN-Kaufrecht
anzuwenden ist. Nur insoweit bestimmte Fragen im UN-Kaufrecht nicht
geregelt sind, ist auf die einschlägigen Normen des
kollisionsrechtlich berufenen nationalen Rechts zurückzugreifen (SZ
71/115; 2 Ob 100/00w = RdW 2000, 535 = ZfRV 2000, 231 = IPRax 2001,
149).
Nach Art 35 Abs 1 UN-K hat der Verkäufer Sachen der vertraglich
vereinbarten Qualität, Quantität und Art in der vertraglich
vereinbarten Verpackung oder in dem vertraglich vereinbarten
Behältnis zu liefern. Haben die Parteien in ihrem Vertrag keine oder
keine ausreichend detaillierte Leistungsbeschreibung nach Abs 1
getroffen, so greift hilfsweise Abs 2 ein, der eine Reihe objektiver
Kriterien zur Bestimmung der Vertragsmäßigkeit aufstellt. Dabei kommt
dem Zweck, dem die Waren zugeführt werden soll, besondere Bedeutung
zu. Ob eine Verletzung der Lieferpflicht vorliegt, bemisst sich dann
danach, ob die kaufgegenständliche Ware dem gewöhnlichen oder
besonderen Gebrauchszweck entspricht, mit einem Muster bzw einer
Probe übereinstimmt oder in üblicher und angemessener Weise verpackt
ist (Posch in Schwimann2, ABGB, Rz 7 zu Art 35 UN-Kaufrecht). Über
die Eignung für gewöhnliche Zwecke bestimmen grundsätzlich die
Standards im Lande des Verkäufers (2 Ob 100/00w).
Wo allerdings internationale Handelsbräuche im Hinblick auf bestimmte
Eigenschaften bestehen, müssen diese als Minimalqualität präsentiert
werden (Schwenzer in Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen
UN-Kaufrecht3, Rz 16 zu Art 35).
Die Parteien sind zwar an die Gebräuche, mit denen sie sich
einverstanden erklärt haben, und an die Gepflogenheiten gebunden, die
zwischen ihnen entstanden sind (Art 9 Abs 1 UN-K), doch wird nach Abs
2 angenommen, dass sie sich in ihrem Vertrag oder bei seinem
Abschluss stillschweigend auf Gebräuche bezogen haben, die sie
kannten oder kennen mussten und die im internationalen Handel den
Parteien von Verträgen in dem betreffenden Geschäftszweig weithin
bekannt und von ihnen regelmäßig beachtet werden.
Nach Art 38 UN-Kaufrecht hat der Käufer die Ware innerhalb einer so
kurzen Frist zu untersuchen oder untersuchen zu lassen, wie es die
Umstände erlauben. Nach Art 39 UN-Kaufrecht verliert der Käufer das
Recht, sich auf eine Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er
sie dem Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem
Zeitpunkt, in der er sie festgestellt hat oder hätte feststellen
müssen, anzeigt und dabei die Art der Vertragswidrigkeit genau
bezeichnet.
Auf diese Rechte des Käufers (Art 38 und 39) kann sich der Verkäufer
nicht berufen, wenn die Vertragswidrigkeit auf Tatsachen beruht, die
er kannte oder über die er nicht in Unkenntnis sein konnte und die er
dem Käufer nicht offenbart hat (Art 40).
Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hat die klagende Partei,
die zuvor einen anderen Abnehmer im Auge hatte, die Ware im Juni 1997
der beklagten Partei angeboten. Ein Angestellter der beklagten
Partei, der die Fischart nicht kannte, besorgte sich zwei Säcke
tiefgekühlter Fische, die allerdings nicht aus der gegenständlichen
Lieferung stammten, ließ diese verkosten und bestellte schließlich am
23. 6. 1997 einen Container (24 t) Gelbflossenscholle. Der
Angestellte war der Meinung, es handle sich dabei um Fische aus der
Fangquote 1997. Nach den weiteren Feststellungen des Erstgerichtes
war dem Geschäftsführer der klagenden Partei immer bekannt, dass es
sich bei der gegenständlichen Ware um solche aus der Fangquote 1996
handle, teilte dies aber seinem Geschäftspartner nicht mit.
Nach den obigen Ausführungen wäre dann, wenn tatsächlich ein
internationaler Handelsbrauch bestünde, wonach im Fischhandel stets
von einem aus der aktuellen Fangquote stammenden Fisch ausgegangen
wird, soferne nichts Gegenteiliges vereinbart wird, von einer
vertragswidrigen Lieferung auszugehen. Sollte der Geschäftsführer der
klagenden Partei gewusst haben, die gegenständliche Lieferung stamme
nicht aus der aktuellen Fangquote, könnte sich die klagende Partei
nach Art 40 UN-K nicht auf eine allenfalls verspätete Rüge der
beklagten Partei berufen. Die klagende Partei kann sich aber auch
nicht darauf berufen, dass von ihr verschwiegene Eigenschaften der
ersten Lieferung zum Vertragsinhalt der Folgebestellung geworden
sind. Wenn der Verkäufer in Kenntnis des internationalen
Handelsbrauches, dass Fische aus der aktuellen Fangquote zu sein
haben, als Probe aber (alte) Fische liefert und dies verschweigt,
dann stellte die Vertragswidrigkeit dieser Lieferung (der Probe)
keine Eigenschaft im Sinne des Art 35 Abs 2 lit c UN-K dar.
Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung einerseits die
"unrichtigen" Feststellungen des Erstgerichtes zu Grunde gelegt,
andererseits ausgeführt, dass sowohl das Bestehen eines
Handelsbrauches in der Hinsicht, im internationalen Fischhandel werde
stets von frischem, aus der aktuellen Fangquote stammenden Fisch
ausgegangen, nicht nachgewiesen worden sei, weil dies nur auf Grund
eines Sachverständigengutachtens festgestellt werden könne und
andererseits die Beweiswürdigung des Erstgerichtes hinsichtlich der
Feststellung, der Geschäftsführer der klagenden Partei habe stets
gewusst, dass die gegenständliche Lieferung nicht aus der aktuellen
Fangquote stammt als nicht überzeugend qualifiziert.
Das Bestehen eines Handelsbrauches ist als Tatfrage zu qualifizieren
und muss bereits in erster Instanz behauptet werden (Kerschner in
Jabornegg, Kommentar zum HGB Rz 69 zu § 346 mwN). Zum Nachweis dieser
Tatfrage stehen alle Beweismittel der ZPO offen (Kerschner aaO Rz
70).
Die beklagte Partei hat sich bereits im Verfahren erster Instanz auf
das Bestehen eines derartigen Handelsbrauches berufen. Das
Erstgericht hat eine derartige Feststellung getroffen.
Das Vorgangsweise des Berufungsgerichtes, einerseits die
Beweiswürdigung des Erstgerichtes nicht zu billigen und einzelne
Feststellungen nicht zu übernehmen, ohne allerdings auszuführen
welche Feststellungen konkret nicht übernommen werden und
andererseits von den "unrichtigen" Feststellungen ausgehend eine
nicht zu billigende Rechtsansicht zu vertreten, stellt eine
wahrzunehmende Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens dar.
Das Berufungsgericht wird sich konkret mit der Beweisrüge
auseinanderzusetzen und allenfalls das Beweisverfahren zu ergänzen
haben und anschließend konkrete Feststellungen über das Bestehen
eines behaupteten Handelsbrauches und über das Wissen des
Geschäftsführers der klagenden Partei um das Produktionsdatum der zu
liefernden Fische zu treffen haben, um den Sachverhalt abschließend
beurteilen zu können.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.}}
Source
Published in original:
- available at the website http://www.ris.bka.gv.at/jus/}}