Data
- Date:
- 28-05-2002
- Country:
- Switzerland
- Number:
- 4C.395/2001 /rnd
- Court:
- Schweizerisches Bundesgericht
- Parties:
- Unknown
Keywords
NOTICE OF LACK OF CONFORMITY – APPLICATION OF DOMESTIC LAW (SWISS LAW) – SUFFICIENT SPECIFICATION OF NOTICE – REFERENCE TO ART. 39(1) CISG
Abstract
Abstract
The Swiss seller entered into a contract with the Swiss buyer about the sale of lumber.
Even though only Swiss law was applicable, the court made reference to Art. 39 CISG in order to determine how far the necessary notice of lack of conformity must be specified according to Swiss law of obligation (Art. 201 OR).
In particular, the court observed that under CISG the buyer loses his right to rely on a non-conformity of the goods not only when he omits to give notice to the seller within a reasonable time after its discovery or when it ought to have been discovered, but also when it does not specify the nature of the lack of conformity. The court further observed, even though the nature of the lack of conformity must be named precisely, this requirement of Art. 39 (1) CISG should not be understood too strictly: the rationale of the notice is merely to inform the seller, so that it is enabled to take the necessary steps, and not to shift the risk of the non-conformity to the seller.
Fulltext
Sitzung vom 28. Mai 2002
I. Zivilabteilung
Bundesrichterinnen und Bundesrichter Walter, Präsident,
Corboz, Klett, Rottenberg Liatowitsch, Favre
Gerichtsschreiberin Boutellier.
X. ________ AG,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mike
Gessner, Rheinstrasse 10, Postfach 731,
8501 Frauenfeld,
gegen
A.________,
Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Christian
Geosits, Geschäftshaus "Rondo", Löwenstrasse 16, Postfach, 8280 Kreuzlingen.
Kaufvertrag
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 10. Juli
2001
Sachverhalt:
A.
A.a A.________ (Kläger) und die X.________ AG (Beklagte) stehen seit 1995 in
geschäftlichen Beziehungen. Am 22. November 1998 bot der Kläger der Beklagten
eine Partie Ahorn-Rundhölzer zum Kauf an, und es kam zu einem
Vertragsabschluss, wonach die Beklagte Holz in gleicher Qualität und zu
gleichen Preisen wie bei der vorangegangenen Lieferung kaufe. Die
Ahorn-Rundhölzer wurden im Oktober und November 1998 geschlagen, vom
Gemeindeförster vermessen, klassiert und in Holzmasslisten aufgenommen. Die
Lieferung an die Beklagte erfolgte am 6., 7. und 21. Januar 1999. Am 12.
Januar 1999 stellte der Kläger für die beiden ersten Lieferungen und am 22.
Januar 1999 für die dritte Lieferung Rechnung im Gesamtbetrag von Fr.
13'496.45 (Fr. 250.--/m3 für Rundhölzer bis 29 cm Durchmesser und Fr.
300.--/m3 für Rundhölzer ab 30 cm Durchmesser). Zusammen mit den
Lieferscheinen erhielt die Beklagte jeweils eine Liste mit quantitativen
Angaben der gelieferten Rundhölzer.
A.b Am 22. Januar 1999 erhob die Beklagte schriftlich "Mängelrüge" mit
folgendem Wortlaut: "Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass die
Ahorn-Lieferungen aus der Gemeinde B.________ (Transport durch C.________)
qualitativ weit unter früheren Lieferungen liegt. Viele Stämme weisen
lediglich Emballage-Qualität auf und können auch von uns nicht mehr
verarbeitet werden. Wir stellen Ihnen daher das Holz wieder zur Verfügung. Es
liegt auf der Sägerei D.________. Gerne erwarten wir Ihre Stellungnahme".
Sowohl die Beklagte als auch der Kläger liessen das Holz von der
schweizerischen Handelsbörse begutachten. In der von der Beklagten in Auftrag
gegebenen Expertise vom 30. März 1999 hielt der Gutachter der Schweizerischen
Handelsbörse, G. Morandini fest, dass die Ahorn-Rundholz-Partie rein
qualitativ einen schlechten Eindruck mache und die Klassierung durch den
Förster zu Unrecht am oberen Ende der Skala erfolgte. Eine nicht umfassende
Nachmessung habe starke Massdifferenzen ergeben, die Partie käme auf
höchstens Fr. 132.-- je m3 zu stehen. Als Kompromiss schlug dieser Gutachter
eine Einigung auf der genannten Preisbasis vor.
Mit Verfügung vom 27. April 1999 bewilligte das Vizegerichtspräsidium
Weinfelden auf Gesuch der Beklagten den Notverkauf, der Anfang Juni 1999
erfolgte und einen Erlös von Fr. 4'692.40 erbrachte.
B.
Am 1. Juli 1999 stellte der Kläger beim Bezirksgericht Steckborn das
Begehren, die Beklagte sei zur Zahlung von Fr. 13'496.45 nebst Zins,
zuzüglich Umtriebsentschädigung und Zahlungsbefehlkosten zu verpflichten; der
Rechtsvorschlag in der entsprechenden Betreibung sei aufzuheben. Die Beklagte
beantragte Abweisung der Klage mit der Begründung, sie habe Wandelung
erklärt; der Kaufvertrag sei rückabzuwickeln und der Kläger zu verpflichten,
die weiteren Schäden zu tragen, unter Anrechnung des ihm zustehenden Erlöses
aus dem Notverkauf.
Das Bezirksgericht wies die Klage mit Urteil vom 26. Oktober/8. November 2000
ab. Es kam zum Schluss, dass der Kaufvertrag aufgrund der vorliegenden Mängel
rückabzuwickeln sei.
C.
Auf Berufung des Klägers hiess das Obergericht die Klage mit Urteil vom 10.
Juli 2001 im Betrag von Fr. 13'496.45 nebst Zins gut und beseitigte den
Rechtsvorschlag in der Betreibung in diesem Umfang. Es kam zum Schluss, die
Mängelrüge der Beklagten sei zu wenig substanziiert und daher nicht
rechtsgenügend. Somit seien die Voraussetzungen für eine Wandelung bzw.
Minderung nicht gegeben und es könne offen bleiben, ob die Ahorn-Lieferung
mangelhaft war oder nicht.
D.
Gegen diesen Entscheid hat die Beklagte am 10. Dezember 2001 beim
Bundesgericht Berufung erhoben. Sie beantragt, das Urteil des Obergerichts
sei aufzuheben und die Klage abzuweisen, eventualiter sei die Sache an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung,
eventualiter sei die Beklagte zur Bezahlung von Fr. 9'447.50 zuzüglich Zins
zu verurteilen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.Die Beklagte macht in der Berufung geltend, dass die Argumentation der
Vorinstanz offensichtliche Widersprüche aufweise.
1.1 Gemäss Art. 51 Abs. 1 lit. c OG ist im kantonalen Entscheid das Ergebnis
der Beweisführung festzuhalten und anzugeben, inwieweit das Urteil auf der
Anwendung eidgenössischer, kantonaler oder ausländischer Gesetzesbestimmungen
beruht. Dadurch soll dem Bundesgericht im Berufungsverfahren die Prüfung der
Eintretensvoraussetzungen ermöglicht und der Sachverhalt, den es seiner
Rechtsprüfung zugrunde zu legen hat, aufgezeigt werden. Missachtet das
kantonale Gericht diese Anweisung, kann der Entscheid von Amtes wegen
aufgehoben und zur Verbesserung zurückgewiesen werden (BGE 119 II 478, E. 1c
mit Hinweisen).
1.2 Im vorinstanzlichen Verfahren war noch streitig, ob Kaufgegenstand und
Kaufpreis genügend bestimmt und demnach ein Kaufvertrag zustandegekommen sei.
Es war anerkannt, dass die Parteien eine Lieferung von 42.9 m3 Ahorn-Rundholz
vereinbarten, wobei es sich um eine Gattungsschuld handelte. Die Vorinstanz
hat in Ziff. 2 der Erwägungen zuerst die Behauptungen der Parteien dargelegt
und daraus den Schluss gezogen, dass die Parteien einen Kaufvertrag über
"Ahorn-Rundhölzer mit gleicher Qualität und zum gleichen Preis wie im
Vorjahr" geschlossen haben.
1.3 Diese Feststellung der Vorinstanz ist weder widersprüchlich, noch beruht
sie auf einem offensichtlichen Versehen, noch ist sie unter Verletzung
bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustandegekommen. Die Beklagte stellt
vorliegend auch nicht mehr in Abrede, dass zwischen den Parteien ein
Kaufvertrag mit dem von der Vorinstanz festgestellten Inhalt zustandegekommen
sei.
2.
Die Vorinstanz kam zum Schluss, die Mängelrüge der Beklagten vom 22. Januar
1999 sei zu wenig substanziiert und somit nicht rechtsgenügend; daher seien
die Voraussetzungen für eine Wandelung bzw. Minderung verwirkt und es könne
offen bleiben, ob die Ahorn-Lieferung mangelhaft war oder nicht. Die Beklagte
rügt, die Vorinstanz habe Art. 201 OR verletzt, denn die Mängelrüge vom
22. Januar 1999 genüge den Anforderungen an die Substanziierung.
2.1 Gemäss Art. 201 Abs. 1 OR hat der Käufer, sobald es nach dem üblichen
Geschäftsgang tunlich ist, die Beschaffenheit der empfangenen Sache zu prüfen
und, falls Mängel vorhanden sind, für die der Verkäufer
gewährleistungspflichtig ist, diese anzuzeigen. Versäumt dies der Käufer,
gilt die gekaufte Sache nach Art. 201 Abs. 2 OR als genehmigt, soweit es sich
nicht um Mängel handelt, die bei der übungsgemässen Untersuchung nicht
erkennbar waren.
2.1.1 Die Vorschriften über die Rügeobliegenheiten dienen dem Interesse der
Verkehrssicherheit beim Kaufgeschäft und bezwecken eine rasche Klarstellung
der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse. Der Verkäufer soll rasch
Gewissheit darüber erhalten, ob die Ware genehmigt worden ist, und es soll
ihm von Beanstandungen so rechtzeitig Kenntnis verschafft werden, dass er
sich durch eigene Prüfung ein Urteil über die Begründetheit der Rüge bilden
kann (BGE 88 II 364 E. 2). Die Vorschriften dienen dem Schutz des Verkäufers,
der weder der Spekulation des Käufers noch auf unbeschränkte Zeit
Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt sein soll, von denen er keine Kenntnis
hat. Der Verkäufer soll vielmehr die Möglichkeit erhalten, das Erforderliche
zur Wahrung seiner Rechte, etwa gegenüber Lieferanten, vorzunehmen (BGE 81 II
56 E. 2b mit Hinweis; Honsell, Basler-Kommentar, N. 1 zu Art. 201 OR; Giger,
Berner-Kommentar, N. 12 zu Art. 201 OR; Oser/Schönenberger, Zürcher
Kommentar, N. 5 zu Art. 201 OR; Guhl/Koller, Das Schweizerische
Obligationenrecht, 9. Aufl., § 42 N. 23, S. 384; Tercier, Les contrats
spéciaux, 2. Aufl., N. 412; Cavin, Kauf, Tausch, Schenkung, in:
Schweizerisches Privatrecht, VII/1, Basel 1977, § 12/I, S. 88 f.).
Die Mängelrüge ist nichts weiter als eine zur Erhaltung der
Gewährleistungsansprüche erforderliche Erklärung, welche die Vorstellung des
Empfängers über die Mängel zum Ausdruck bringt und die Gewährspflicht des
Verkäufers negativ in dem Sinne eingrenzt, dass dieser in Bezug auf
nichtangezeigte Mängel von der Gewährleistung befreit wird (BGE 107 II 437
zum Werkvertrag). Notwendiger Inhalt der Anzeige der Mängel bildet die
Angabe, inwieweit die Kaufsache als mangelhaft betrachtet wird (Zehnder, Die
Mängelrüge im Kauf-, Werkvertrags- und Mietrecht, SJZ 96 [2000] 545 ff.,
546), d.h. inwieweit sie den vertraglich vorausgesetzten oder zugesicherten
Eigenschaften nicht entspricht (Art. 197 Abs. 1 OR; BGE 114 II 239 E. 5a/aa;
vgl. auch 100 II 30 E. 2 S. 32 zum Werkvertrag; 124 III 456 E. 4d/aa, je mit
Hinweisen). Es genügt nicht, wenn der Käufer allgemein seine Unzufriedenheit
äussert, ohne konkret die Mängel zu benennen (Honsell, a.a.O, N. 10 zu Art.
201 OR; Giger, a.a.O., N. 63 zu Art. 201 OR; Oser/Schönenberger, a.a.O. N. 28
zu Art. 201 OR; Guhl/Koller, a.a.O., § 42 N. 28, S. 385; Tercier, a.a.O., N.
428). Hingegen reicht die blosse Angabe der ungünstigen Wirkungen, wie zum
Beispiel "Ware ist so schlecht, dass sie nicht verarbeitet werden kann"
(Gsell, Die Mängelrüge beim Kauf nach schweizerischem Obligationenrecht,
Zürich 1926, S. 59, FN. 1). Die Rüge muss inhaltlich sachgerecht
substanziiert sein und zum Ausdruck bringen, dass die Lieferung nicht als
vertragsgemäss anerkannt und der Lieferant haftbar gemacht wird (für den
Werkvertrag BGE 107 II 172 E. 1a mit Hinweisen). Die Anforderungen an die
inhaltliche Substanziierung ergeben sich aus dem Zweck der Anzeige. Diese
soll dem Verkäufer die Art, den Umfang und die Gründe der Beanstandung zur
Kenntnis bringen, damit er entscheiden kann, wie er sich im Hinblick auf die
in Aussicht stehende Haftung verhalten will. Welche Angaben zu diesem Zweck
erforderlich sind, hängt von den Umständen ab (BGE 22, 498 E. 2, S. 503;
Honsell, a.a.O., N. 10 zu Art. 201 OR; Giger, a.a.O., N. 62 zu Art. 201 OR).
Nach dem im Privatrecht geltenden Vertrauensprinzip sind Willenserklärungen
so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den
gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten (BGE 126 III 119 E.
2a S. 120 mit Hinweisen), ohne dass dem Zweck der Anzeige widersprechende
formelle Anforderungen zu stellen sind (vgl. für das im Verfahrensrecht aus
Art. 29 Abs. 1 BV abgeleitete Verbot des überspitzten Formalismus BGE 127 I
31 E. 2a). Auch mit Blick auf die hier streitige Vorstellungsäusserung des
Käufers ist entscheidend, dass der Verkäufer nach Treu und Glauben ohne Mühe
erkennen kann, welche Mängel gerügt sind.
2.1.2 Ein Vergleich mit dem Recht der Nachbarländer zeigt, dass das
schweizerische Recht strenger ist als die Rechtsordnungen dieser Staaten. Das
deutsche Recht kennt eine dem schweizerischen Obligationenrecht vergleichbare
Regelung für den Handelskauf (§ 377 HGB; Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch,
30. Aufl., München 2000, N. 30 zu § 377), für den bürgerlichen Kauf sieht das
BGB hingegen nur eine Verjährung der Gewährleistungsansprüche (§ 477 BGB)
vor, jedoch keine Prüfungs- und Rügepflicht (Palandt/Putzo, Bürgerliches
Gesetzbuch, 60. Aufl., München 2001, N. 11 zu § 462). Nach dem
österreichische ABGB erlöscht beim bürgerlichen Kauf lediglich das
Gewährleistungsrecht, wenn dieses nicht innert einer bestimmten Frist
gerichtlich geltend gemacht wird (§ 933 ABGB), es besteht jedoch weder eine
Prüfungs- noch eine Rügepflicht; die Regelung für den Handelskauf stimmt mit
dem deutschen Recht überein (Rummel/Reischauer, Kommentar zum Allgemeinen
bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., Wien 1990, N. 1 und 8 zu § 933). Der
französische Code Civil kennt keine eigentliche Rügepflicht;
Gewährleisungsan- sprüche bestehen nur für versteckte Mängel und müssen vom
Käufer innerhalb kurzer Frist klageweise geltend gemacht werden (Art. 1648
CC); faktisch besteht jedoch ein der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit
ähnliches Institut, da der Käufer bei einem offensichtlichen Mangel die Ware
bei der Lieferung sofort zurückweisen muss, ansonsten verliert er seine
Ansprüche (Michael Georg Gerny, Untersuchungs- und Rügepflichten beim Kauf
nach schweizerischem, französischem und US-amerikanischem Recht sowie nach
CISG, Basel 1999, S. 117 f.). Auch nach italienischem Codice Civile hat der
Käufer nur eine Rügeobliegenheit (Art. 1495 CC), jedoch keine
Untersuchungspflicht; der Verkäufer, welcher Verwirkung der
Gewährleistungsansprüche behauptet, muss die Kenntnis der Mängel beweisen
(Cian/Trabucchi, Commentario Breve al Codice Civile, 4. Aufl., Mailand 1996,
N. II zu Art. 1495. Vgl. zum Ganzen auch Eugen Bucher, Der benachteiligte
Käufer, SJZ 67/1971, S. 17 ff.)
Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den
internationalen Warenkauf vom 11. April 1980 (United Nations Convention on
Contracts for the International Sale of Goods [abgekürzt CISG], SR
0.221.211.1), welchem auch die Schweiz beigetreten ist, verlangt in Art. 39,
dass der Käufer innerhalb einer angemessenen Frist (längstens zwei Jahre nach
Übergabe) dem Verkäufer die Vertragswidrigkeit der Ware anzeigt, und deren
Art genau bezeichnet, ansonsten verliert er das Recht sich auf
Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen. Durch die Rüge soll der Verkäufer so
informiert werden, dass er sich ein Bild über die Vertragswidrigkeiten machen
und die notwendigen Schritte ergreifen kann. Die Rüge dient nicht dazu, den
Käufer mit dem Risiko der Vertragswidrigkeit zu belasten, daher dürfen an die
Substanziierung der Rüge keine übermässig hohe Ansprüche gestellt werden
(Hans-Josef Vogel, Die Untersuchungs- und Rügepflicht im UN-Kaufrecht, Bonn
2000, S. 95 f.).
2.1.3 Noch im 19. und frühen 20. Jahrhundert, unter der Geltung des OR von
1881 hat das Bundesgericht erkannt, die Mängelrüge müsse so abgefasst sein,
dass der Verkäufer daraus die Tragweite der Beanstandung ermessen könne.
In einem Urteil von 1895 wurde die Rüge einer Käuferin von ca. 600
Käselaibern als ungenügend qualifiziert. Nach der Bestimmung des
Kaufvertrages durfte die Käuferin nicht die ganze Lieferung zurückweisen,
sondern nur die fehlerhaften Stücke. Die Käuferin liess den Verkäufer im
Ungewissen, auf welche Lieferung sich die Beanstandung bezog und gab auch die
Anzahl der schadhaften Stücke nicht an (BGE 21, 570). Als inhaltlich
hinreichend erachtet wurde dagegen in einem Urteil aus dem Jahr 1896 die
Mängelrüge, die Maschinen entsprächen nicht den Prospekten, und die Art der
Ausführung der Maschinen sei im Ganzen so schlecht, dass sie nicht
weiterverkauft werden könnten. Eine förmliche Beschreibung der Mängel wurde
in diesem konkreten Fall nicht gefordert; die Aufzählung aller einzelnen
Mängel wäre eine so grosse, umfangreiche Arbeit gewesen, dass dies für die
Erstattung einer blossen Mängelanzeige unzumutbar wäre (BGE 22, 498). Als
inhaltlich hinreichend wurde die Mängelrüge auch in einem Urteil von 1896
erachtet. Entscheidend war, dass die Verkäuferin aus der Reklamation ersehen
konnte, aus welchen Gründen die Ware beanstandet wurde und welche Mängel die
Käuferin festgestellt hatte (BGE 22, 566). In einem Entscheid aus dem Jahre
1898 wurde eine Mängelrüge als teilweise genügend erachtet. Der Käufer von
Fahrrädern rügte, die Lieferung sei nicht gemäss Katalog und Vertrag erfolgt
und die Untersuchung habe ergeben, dass anderes Material verwendet wurde, als
in der Preisliste angegeben. Diese Rüge wurde hinsichtlich des verwendeten
Stahls als ausreichend, jedoch bezüglich der allgemeinen Bemerkung (nicht
katalogs- und vertragskonform) als ungenügend erachtet. Der Verkäufer habe
nicht erkennen können, welche Mängel gerügt werden wollten, da der Katalog
eine Reihe von Eigenschaften hervorgehoben habe (BGE 24 II 62). Im Jahr 1906
erachtete das Bundesgericht bei einem Kaufvertrag über einen Kesselwagen
Alicantewein, der als Verschnittwein verwendet werden sollte, die Rüge "da
nach Untersuchung 0,174 zu viel flüchtige Säure, als Verschnittwein
ungeeignet und nur 13,54 Alkohol" ohne weitergehende Begründung unter den
gegebenen Umständen als genügend substanziiert (BGE 32 II 294). In einem
Urteil von 1912 wurde bei einem Kauf von Erbsen die Rüge, die Erbsen
enthielten Fliegen und die Lieferung werde daher der Verkäuferin wieder zur
Verfügung gestellt, als inhaltlich genügend substanziiert angesehen, da sie
die Aufzählung der wichtigsten festgestellten Mängel enthielt, sowie die
Ankündigung, dass die Käuferin aus diesen Mängeln sämtliche Rechtsfolgen
ziehe (BGE 38 II 542).
Amtlich publizierte Entscheide zu den inhaltlichen Anforderungen an die
Mängelrüge beim Kaufvertrag gibt es seither nicht mehr. In einem
unpublizierten Entscheid vom 4. November 1992 (Urteil 4C.224/1992 E. 3b mit
Hinweisen) war die Rüge eines Schreiner- und Tischlermeisters zu beurteilen,
der eine Hobelmaschine gekauft hatte. Er hatte bestandet, die Maschine werde
den Ansprüchen seines Berufes nicht gerecht; insbesondere verfüge sie nicht
über eine genügende Hobelkapazität, die Tische hielten starkem Druck nicht
stand und die Motorenleistung befriedige nicht. Diese Mängelrüge wurde als
hinreichend substanziiert erachtet, da sie die Beanstandungen genügend
deutlich aufzeige.
2.2 Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz die Mängelrüge als ungenügend
substanziiert erachtet, da der Adressat nicht gewusst habe, was an seiner
Lieferung genau beanstandet werde. Sie hielt fest, dass der Kläger 54 Stämme
mit einem Gesamtvolumen von 42,9 m3 in verschiedenen Qualitäten geliefert
hatte. Die Beklagte hatte vom Transporteur die Holzmasslisten des
Gemeindeförsters angefordert und auch erhalten. In dieser waren die einzelnen
Stämme nummeriert, nach Holzart, Länge-Durchmesser und Volumen bestimmt,
sowie nach Qualität in einzelne Klassen eingeteilt. Von den 54 Stämmen waren
nach den Feststellungen der Vorinstanz sechs in die Klasse N (normales Holz),
30 in die Klasse F (Holz mit wesentlichen Fehlern behaftet) und 18 in die
Klasse KS (schlechter als F) zugeordnet gewesen. Da die Käuferin den Kern der
Auseinandersetzungen in der inhaltlichen Korrektheit der
Qualitätseinschätzung auf diesen Listen sehe, wäre sie nach Ansicht der
Vorinstanz gestützt auf die Holzmasslisten in der Lage und verpflichtet
gewesen, die Ahorn-Lieferung konkret zu beanstanden. Sie hätte es dem
Verkäufer ermöglichen müssen, die Rüge wenigstens ansatzweise zu prüfen. Da
jeglicher erkennbare Bezug zur kritisierten Qualitätseinschätzung gemäss den
Holzmasslisten fehle, hielt die Vorinstanz die Anzeige für ungenügend und
liess offen, wie detailliert die Rüge hätte ausfallen müssen. Dabei erwog
sie, es sei dem Verkäufer mit der pauschalen Mängelrüge nicht einmal möglich
gewesen abzuschätzen, ob ein Wandelungs- oder Minderungsanspruch im Bereich
des Möglichen gelegen sei, oder ob er allenfalls einen Nachbesserungsanspruch
gehabt hätte. Die Vorinstanz stellte überdies fest, dass der Verkäufer in
seinem Schreiben vom 4. März 1999 moniert habe, die Beklagte habe ihm das
Holz aus "pauschalen und subjektiven, von uns nicht akzeptierbaren Gründen"
wieder zur Verfügung gestellt. In Betracht zog sie noch § 68 Abs. 2 der
schweizerischen Holzhandelsgebräuche, wonach beim Vertragsabschluss über
eingemessenes Holz Beanstandungen von Mass, Beschaffenheit oder Einreihung in
die vertraglich vereinbarten Preisklassen unverzüglich, nach gegebenen
Möglichkeiten zur Besichtigung und Prüfung des Holzes, zu erheben seien. Auch
wenn hier nicht eingemessenes Holz verkauft wurde, zeigt diese Bestimmung
nach Ansicht der Vorinstanz, dass in der Holzhandelsbranche pauschale Rügen
grundsätzlich nicht zu genügen vermögen. Als geradezu mustergültiges Beispiel
einer substanziierten Rüge bezeichnete die Vorinstanz schliesslich die
anlässlich des Notverkaufs erstellte detaillierte Taxierungsliste.
2.3 Die Beklagte hat in ihrer Mängelrüge vom 22. Januar 1999 erklärt, die
Ahorn-Lieferung liege qualitativ weit unter früheren Lieferungen, viele
Stämme wiesen lediglich Emballage-Qualität auf und könnten daher von ihr
nicht mehr verarbeitet werden. Damit beanstandete sie in keiner Weise das
Mass des gelieferten Holzes. Der Preis richtete sich gemäss der
Parteivereinbarung nicht nach der Holzqualität, sondern nach der Stammdicke.
Die Mängelrüge betraf daher auch nicht die Einreihung in die vertraglich
vereinbarten Preisklassen. Die Beklagte bemängelte die Qualität des
gelieferten Holzes und beanstandete damit dessen Beschaffenheit. Dass der
Kläger über den Inhalt der Rüge im Unklaren sein konnte, ist aufgrund der
Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht anzunehmen. Der Kläger
beanstandete zwar in dem von der Vorinstanz erwähnten Zitat die "pauschalen"
Gründe, aus denen die Beklagte die Holzlieferung zurückwies, bezeichnete
diese Gründe gleichzeitig jedoch als "subjektiv" und "von uns nicht
akzeptierbar". Dies bedeutet nicht, dass er die Begründung nicht verstand.
Die Beklagte begnügte sich auch nicht damit, die Beschaffenheit generell zu
kritisieren, sondern erklärte, die Qualität des gelieferten Holzes liege weit
unter derjenigen früherer Lieferungen und viele Stämme könnten von ihr nicht
mehr verarbeitet werden, weil sie lediglich noch Emballage-Qualität
aufwiesen. Da die Parteien vereinbart hatten, Kaufgegenstand solle Holz in
der gleichen Qualität wie bei der vorangehenden Lieferung sein, genügt die
Anzeige, dass diese Qualität nicht erreicht worden sei. Es mag sein, dass der
Kläger aus einer detaillierten Beanstandung jedes einzelnen Stammes im
Vergleich zur Holzmassliste gewisse zusätzliche Informationen hätte erhalten
können. Namentlich wenn mit der herrschenden Lehre angenommen wird, der
Verkäufer könne sich im Sinne von Art. 206 Abs. 2 OR angesichts der modernen
Transportmittel auch bei einem Distanzkauf durch sofortige Nachlieferung
währhafter Gattungsware von jedem anderen Anspruch der Käuferin befreien
(Giger, a.a.O., N. 19 f. zu Art. 206 OR; Honsell, a.a.O., N. 1 zu Art. 206
OR), wäre die genaue Angabe der Anzahl und Qualität der nachzuliefernden
Stämme oder des nachzuliefernden Holzmasses nützlich gewesen. Angesichts des
Ausmasses der Holzlieferung von 54 Stämmen und 42,9 m3 war der Beklagten
jedoch nicht zuzumuten, bereits für die Anzeige der Mängel eine derart
umfassende Bestandesaufnahme vorzunehmen, wie sie die Vorinstanz aufgrund der
Aufstellung für den Notverkauf offenbar befürwortet hat. Der Verkäufer konnte
aus der Anzeige ersehen, dass das gelieferte Holz von der Käuferin als derart
minderwertig im Vergleich zur früheren Lieferung beanstandet werde, dass sie
dieses zum allergrössten Teil nicht verarbeiten könne. Dies genügt den
Anforderungen an die Substanziierung der Anzeige. Wenn sich der Kläger im
Sinne von Art. 206 Abs. 2 OR durch Lieferung währhaften Holzes hätte befreien
wollen, wäre es ihm bei dieser Anzeige möglich gewesen, der Beklagten
Nachlieferung anzubieten. In ihrer Mängelrüge lehnte die Beklagte die Abnahme
der Ware ab und stellte die gesamte Lieferung dem Kläger zur Abholung bereit.
Der Kläger konnte, entgegen der Auffassung der Vorinstanz, schon aus der
Anzeige ersehen, dass die Beklagte die Mängel als schwerwiegend erachtete und
musste daher mit der Wandelung rechnen - sofern nicht überhaupt anzunehmen
ist, dass die Beklagte bereits mit der Mängelrüge Wandelung erklärte.
Schliesslich kann der Vorinstanz nicht gefolgt werden, wenn sie anzunehmen
scheint, der Verkäufer müsse aufgrund der Mängelanzeige die materielle
Begründetheit der Rüge prüfen können. Die Anzeige hat lediglich die
Wahrnehmung der Käuferin zu vermitteln. Wenn ihr der Verkäufer nicht glaubt,
sind Beweismassnahmen vorzukehren. Dies wurde dem Verkäufer mit der
Mängelrüge der Käuferin vom 22. Januar 1999 ermöglicht.
2.4 Die Mängelrüge der Beklagten vom 22. Januar 1999 genügt den inhaltlichen
Anforderungen von Art. 201 OR an die Substanziierung. Dies hat die Vorinstanz
verkannt indem sie die Mängelanzeige als ungenügend erachtete.
3.
Liegt ein Fall der Gewährleistung wegen Mängeln der Kaufsache vor, so hat der
Käufer die Wahl, mit der Wandelungsklage den Kauf rückgängig zu machen oder
mit der Minderungsklage Ersatz des Minderwertes der Sache zu fordern (Art.
205 Abs. 1 OR). Auch wenn Wandelungsklage erhoben wird, steht es dem Richter
frei, bloss Ersatz des Minderwertes zuzusprechen, sofern die Umstände es
nicht rechtfertigen, den Kauf rückgängig zu machen (Art. 205 Abs. 2 OR).
Die Vorinstanz hat offen gelassen, ob die Ware überhaupt mangelhaft war. Sie
hat entgegen der ersten Instanz angenommen, es sei ohne Beweisverfahren wohl
kaum möglich, aufgrund der Akten einen Mangel zu bejahen. Damit fehlen die
erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zur Beurteilung, ob die Beklagte
die Gewährleistung zu Recht beansprucht hat, und ob gegebenenfalls der Mangel
so schwer wog, dass Wandelung gerechtfertigt sei. Weder der Hauptantrag der
Beklagten auf Abweisung der Klage, noch die Anträge des Klägers auf
Bestätigung des angefochtenen Urteils und Verpflichtung der Beklagten zur
Bezahlung des vollen Kaufpreises, und auch nicht der Eventualantrag des
Klägers auf einen geminderten Kaufpreis, lassen sich gestützt auf die
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz beurteilen.
4.
Die Berufung ist im Sinne des Eventualantrages der Beklagten teilweise
gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur
Neubeurteilung im Sinne von Art. 64 OG an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die
Beklagte obsiegt mit ihren Rechtsbegehren somit teilweise. Die materielle
Frage der Mangelhaftigkeit ist noch offen. Dies rechtfertigt 3/4 der
Gerichtskosten dem Kläger und 1/4 der Beklagten aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 3
OG). Dementsprechend hat der Kläger der Beklagten eine reduzierte
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 Abs. 3 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des
Kantons Thurgau vom 10. Juli 2001 wird aufgehoben und die Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird zu ¾ dem Kläger und zu ¼ der
Beklagten auferlegt.
3.
Der Kläger hat der Beklagten eine reduzierte Parteientschädigung von Fr.
1'500.-- zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 28. Mai 2002
Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:}}
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