Data
- Date:
- 20-11-1992
- Country:
- Germany
- Number:
- 15 U 29/92
- Court:
- Oberlandesgericht Karlsruhe
- Parties:
- Unknown
Keywords
APPLICATION OF CISG - RULES OF PRIVATE INTERNATIONAL LAW REFERRING TO LAW OF CONTRACTING STATE (ART. 1(1)(B) CISG)
BUYER'S OBLIGATION (ART. 53 CISG) - PAYMENT OF PRICE
PASSING OF RISK (ARTS. 66 & 67 CISG) - PASSING OF RISK IN CONTRACTS INVOLVING CARRIAGE OF GOODS (ARTS. 31(A) & 67(1) CISG) - IMPLIED DEROGATION (ART. 6 CISG)
INTERPRETATION OF STATEMENTS AND CONDUCT (ART. 8(2) CISG) - UNDERSTANDING OF REASONABLE PERSON
Abstract
A German buyer ordered over the telephone goods from a French seller. The conditions of delivery of the seller were 'franco domicile' ('frei Haus'), 'duty paid' ('verzollt'), 'non taxed' ('unversteuert'). The seller appointed a carrier for delivery of the goods. However the buyer failed to pay the price and denied that it had ever received the goods. The seller claimed payment of the price. As evidence of delivery of the goods the seller produced a delivery note on which the buyer had put a 'goods received' stamp ('Wareneingangsstempel') but without any signature of the buyer.
The court held that the contract was governed by CISG, as the German private international law rules led to the application of the law of France, a contracting State (Art. 1(1)(b) CISG).
The court held that the seller was not entitled to payment. In order to reach this conclusion the court had to establish whether risk for the goods had passed to the buyer (Arts. 66 and 67 CISG).
The court held that the term 'franco domicile' covered not only the cost of delivery but also the passing of risk, so that the risk passed on to the buyer only upon delivery of the goods at its place of business. Therefore the parties had implicitly derogated from Arts. 31(a) and 67(1) CISG concerning the passing of risk in contracts involving carriage of goods (Art. 6 CISG).
In reaching this conclusion, the court interpreted the term 'franco domicile' according to the understanding that a reasonable person would have had in the same circumstances (Art. 8(2) CISG). In the court's opinion, a buyer entitled to the delivery of goods 'franco domicile' would not worry about transportation and insurance of the goods; whatsmore the seller had insured the goods for transportation; finally the seller had often used its own transportation means in previous dealings with the same buyer.
The seller did not give evidence of delivery of the goods (the simple stamp without any signature of the buyer was held not to be sufficient evidence). The court therefore dismissed the seller's claim.
Fulltext
[...]
Aus den Gründen:
Der Kl. steht ein Anspruch gegen die Bekl. auf Bezahlung der am 8.11.1988 mit 13062,01 DM in Rechnung gestellten Lieferung nicht zu.
I.
Die Rechtsbeziehungen der Parteien sind in Anwendung französischen Rechts nach den Regelungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) zu beurteilen. Da eine ausdrückliche Rechtswahl der Parteien nicht erfolgt ist, folgt die Anwendung französischen Rechts aus Art. 28 EGBGB. Nach Art. 28 II 2 EGBGB wird vermutet, daß der Vertrag die nach Art. 28 I EGBGB maßgebliche engste Verbindung mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung erbringt, ihre Hauptniederlassung hat. Bei einem Kaufvertrag erbringt die charakteristische Leistung der Verkäufer (Palandt-Heldrich, BGB, 51. Aufl. [1992], Art. 28 EGBGB Rdnr. 3), im Streitfall somit die in Frankreich ansässige Kl.
In Frankreich ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf seit 1.1.1988 in Kraft. Daß das Übereinkommen von der Bundesrepublik Deutschland erst 1989 ratifiziert worden ist und erst seit dem 1.1.1991 in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist, ist nicht von Bedeutung. Denn nach Art. 1 I lit. b CISG ist das Übereinkommen auch dann anzuwenden, wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates führen. Nach dem zur Zeit des Vertragsschlusses maßgeblichen französischen internationalen Privatrecht ist das der Fall, da der Abschlußort des Vertrages am Sitz der Kl. anzunehmen ist und deshalb französisches Recht zur Anwendung kommt (vgl. Sandrock, Hdb. des internationalen VertragsR, 1980, Rdnr. 268: zum maßgeblichen Abschlußort: Ferid, Das französische ZivilR, 1971, 1 E 104). Da die Parteien die Anwendung des Übereinkommens nicht ausgeschlossen haben, unterliegt die Vereinbarung der Parteien den Regelungen des CISG.
II.
Der Kl. steht ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises nach Art. 53, 58 CISG nicht zu, da sie der Bekl. die zu liefernde Ware nicht am Ort der Niederlassung der Bekl. zur Verfügung gestellt hat (von Caemmerer-Schlechtriem-Hager, Komm. z. einheitlichen UN-KaufR, 1990, Art 58 Rdnr. 5). Die Kl. hat den ihr obliegenden Beweis für eine Erfüllung ihrer Lieferverpflichtung nicht geführt. Der auf dem Lieferschein der Kl. aufgedruckte Wareneingangsstempel der Bekl. hat keine entsprechende Beweiskraft, da er nicht unterschrieben worden ist (par. 416 ZPO). Die Kl. hat auch nicht den Nachweis dafür geführt, daß der Stempelabdruck allein ohne Unterschrift ein Indiz für die Empfangnahme der Ware durch die Bekl. darstellt. Die zu dieser Frage vernommenen Zeugen R und G haben entsprechend dem Vortrag der Bekl. ausgesagt, daß der Wareneingangsstempel zunächst vorläufig auf den Lieferschein gesetzt wurde und Grundsätzlich nach Annahme und Kontrolle der Ware dieser Vorgang durch eine Unterschrift unter den Stempelabdruck bestätigt wurde. Der Stempelabdruck allein beweist demnach nicht die Übergabe der Ware an die Bekl. Ihm kann lediglich entnommen werden, daß der Fahrer der beauftragten Spedition den Lieferschein bei der Bekl. vorgelegt hat, nicht aber, daß auch die Abladung der Ware erfolgt ist.
III.
Die Bekl. ist nicht nach Art. 66, 67 CISC zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet. Denn die Preisgefahr ist nicht zu einem früheren Zeitpunkt als der Übergabe der Ware auf die Bekl. übergegangen. Daß wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Kl. ihre Vertragspflichten bereits mit der Übergabe der Ware an den von ihr beauftragten Spediteur erfüllt hätte (Art. 67 I, 31 lit. a CISG). Das ist nicht der Fall. Denn nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien war die Kl. verpflichtet, die Ware auf eigene Gefahr an die Niederlassung der Bekl. anzuliefern (Art. 31 Halbs. 1 i V. mit Art. 6 CISG, sog. Fernkauf, von Caemmerer-Schlechtriem-Hager, Komm. z. einheitlichen KaufR, Art. 58 Rdnr. 5). Das ergibt sich aus der von der Kl. in den Geschäftsbeziehungen mit der Bekl. ständig verwendeten Klausel 'frei Haus, verzollt, unversteuert', die damit auch Vertragsbestandteil des im Streitfall maßgeblichen Vertrags geworden ist. Die Klausel 'frei Haus' kann entgegen der Auffassung des LG nicht nur als eine Kostenregelung angesehen werden, sondern sie stellt zusätzlich eine Gefahrtragungsregelung dar, nach der die Kl. die Gefahr bis zur Übergabe der Waren an die Bekl. trägt.
Die Kl. hat mit der Klausel 'frei Haus' in Geschäftsbeziehungen mit einem deutschen Käufer eine in deutscher Sprache abgefaßte im deutschen Handelsverkehr übliche Klausel verwendet. Bei der Auslegung der Klausel ist deshalb auf die Anschauungen im deutschen Recht abzustellen. Denn nach Art. 8 II CISG ist für die Auslegung der verwendeten Klausel auf den Empfängerhorizont abzustellen. Daraus folgt, daß eine Partei, die im Grenzüberschreitenden Handelsverkehr eine in der Rechtsordnung ihres Vertragspartners übliche Klausel gebracht, diese so gegen sich gelten lassen muß, wie sie ihr Vertragspartner verstehen durfte.
Die Klausel 'frei Haus' bzw. die entsprechende Klausel 'frei Bestimmungsort' besitzt zwar im Handelsverkehr noch keinen typischen eindeutigen Inhalt (BGH, NJW 1984, 597). Sie wird aber in der Literatur überwiegend und mit zunehmender Tendenz nicht nur als Kosten-, sondern auch als Gefahrtragungsregel ausgelegt (Soergel-Huber, BGB, 12. Aufl. [1991], par. 447 Rdnr. 4; Huber, in: von Caemmerer-Schlechtriem-Hager, Komm. z. einheitlichen KaufR, Art. 31 Rdnr. 33; Baumbach-Duden-Hopt, HGB, 28. Aufl. [1989], par. 346 Anm. 5, der bereits einen entsprechenden Handelsbrauch annimt; Staub-Koller, HGB, 4. Aufl. [1985], Vorb. par. 373 Rdnr. 226; ebenso in der dritten Auflage Würdinger-Röhricht, HGB, 1970, par. 373 Anm. 190 und Ratz, HGB, 1978, par. 346 Anm. 150; Staudinger-Köhler, BGB, 12. Aufl. [1978], par. 447 Rdnr. 4; Liesecke, WM 1978, Sonderbeil. Nr. 3, S. 30; a.A. Schlegelberger-Hefermehl, HGB, 5. Aufl. [1976], par. 346 Rdnr. 72; Heymann-Horn, HGB, 1990, par. 346 Rdnr. 101, der nach den jeweiligen Umständen eine andere Auslegung für zulässig erachtet).
Für eine Auslegung der von der Kl. verwendeten Klausel als Gefahrtragungsregelung spricht zunächst die Erwägung, daß ein Käufer, dem eine Ware 'frei Haus' versprochen wird, schwerlich auf den Gedanken kommen wird, daß es seine Sache sein könnte, sich um Transportversicherung und Transportschäden zu kümmern (Soergel-Huber, BGB, par. 447 Rdnr. 4). Für eine Auslegung der Klausel als Gefahrtragungsregel spricht deshalb im Streitfall der Umstand, daß die Kl. nach ihrem eigenen Vortrag eine Transportversicherung abgeschlossen hatte. Daraus kann geschlossen werden, daß sie selbst davon ausging, das Risiko des Transportes der Ware zu tragen (Ratz, HGB, par. 346 Rdnr. 150). Hinzu kommt, daß nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Bekl. die Kl. den Transport nicht nur durch Spediteure vornehmen ließ, sondern für die Bekl. bestimmte Ware regelmäßig auch mit eigenen Fahrzeugen anlieferte. Diese Umstände sprechen dafür, daß die Parteien nicht von der Vereinbarung eines Versendungskaufes i.S. von Art. 31a CISG ausgingen, sondern die Klausel 'frei Haus' entsprechend der überwiegend vertretenen Auffassung auch als Gefahrtragungsregel angesehen haben. Im Rahmen der Vereinbarung der Parteien ist deshalb die von der Kl. verwendete Klausel nicht nur als Kostentragungs-, sondern auch als Gefahrtragungsregel anzusehen, so daß, da der Kl. der Beweis einer Übergabe der Ware an die Bekl. nicht gelungen ist, ein Gefahrübergang auf die Bekl. nicht erfolgt und die Bekl. deshalb nicht zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet ist.
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Source
Published in German:
- Neue Juristische Wochenschrift- Rechtsprechungs Report (NJW-RR), 1993, 1316-1317}}