Data

Date:
28-10-1999
Country:
Germany
Number:
2 U 27/1999
Court:
Oberlandesgericht Braunschweig
Parties:
Unknown

Keywords

JURISDICTION 1968 BRUSSELS CONVENTION - JURISDICTION OF COURT FOR PLACE OF PAYMENT OF PRICE - SELLER'S PLACE OF BUSINESS (ART. 57(1)(A) CISG)

SCOPE OF CISG - INCLUSION OF STANDARD TERMS IN THE CONTRACT - CISG GENERAL RULES ON FORMATION OF CONTRACT APPLICABLE (ART. 14 ET SEQ. CISG)

SCOPE OF CISG LIMITATION PERIOD (PRESCRIPTION) - MATTER EXCLUDED (ART. 4 CISG) - DOMESTIC LAW APPLICABLE

SELLER'S RIGHT TO DAMAGES FOR BREACH OF CONTRACT BY BUYER (ART. 61(1)(B) CISG) - ALL LOSSES DUE TO BREACH - STORAGE AND PRESERVATION COSTS (ARTS. 74 AND 85 CISG)

MITIGATION OF DAMAGES (ART. 77 CISG) - NO DUTY TO MAKE COVER SALE

RIGHT TO INTEREST (ART. 78 CISG) INTEREST RATE - DETERMINED BY DOMESTIC LAW OTHERWISE APPLICABLE TO CONTRACT

Abstract

A Belgian buyer ordered frozen meat from a German seller. The seller's standard terms provided for advance payment by the buyer. They contained inter alia a choice of law clause in favour of German law and a provision regarding interests in case of non payment. When the seller requested advance payment the buyer did not comply, alleging that the seller had unilaterally changed the place for delivery of the goods. The seller commenced a legal action to obtain damages.

The Court did not decide whether the clause in favour of German law contained in the seller's standard terms was to be interpreted as an implied exclusion of CISG, or whether CISG was applicable, since it held that the seller's claim would be well founded in both cases.

Firstly, the Court ascertained that it had jurisdiction according to the choice of forum clause contained in the seller's standard terms, which had been validly included in the contract both under German law as well as under the general rules on formation of contract in CISG (Arts. 14, 18 and 24 CISG).

Moreover, the Court would have jurisdiction also in application of Art. 5(1) of the EC Convention on Jurisdiction and Enforcement of Judgements in Civil and Commercial Matters (Brussels 1968) under which a person domiciled in a contracting State (in the case at hand, the buyer) may be sued in the court of the place of performance of the obligation in question (here: non payment).
According to Art. 57(1)(a) CISG, absent a different agreement between the parties, the price has to be paid at the seller's place of business, that is Germany. This rule is to be extended also to the seller's claim to damages for non payment (Art. 61 CISG).

The seller's claim was not considered time barred according to German domestic law, which was exclusively applicable to limitation of action (prescription) falling this question out of the scope of CISG (Art. 4 CISG).

As to the merits of the dispute the Court held that the seller was entitled to recover damages under Art. 61(1)(b) CISG because the buyer breached its contractual obligation of advance payment. On its part the seller was not obliged to deliver in advance when it became apparent that the buyer would not perform, but it had the right to avoid the contract pursuant to Art. 64(1)(a) CISG.

According to Art. 74 CISG, the seller was awarded recovery of its full loss including expenses for preservation and storage of the goods (Art. 85 CISG).

The Court further rejected the buyer's contention that the seller should have mitigated damages by reselling the goods. Art. 77 CISG does not oblige the seller to make a cover sale, even when there is the risk of a substantial decrease in the goods' price, unless such a long period of time has passed that one can expect the seller to choose among the remedies at its disposal. Nor does Art. 88(2) CISG create such an obligation for the seller, as the frozen meat is not subject to rapid deterioration nor are preservation expenses unreasonable.

As to the right to interests on the sums due to the seller, the Court noted that pursuant to Art. 4(a) CISG the validity of standard terms is a matter excluded from CISG. Therefore the validity of the interests clause contained in the seller's standard terms was to be determined by the applicable German domestic law, according to which prefixed lump sums for damages are inadmissible. The right to interest was awarded under Art. 78 CISG and its rate was determined applying the law otherwise applicable to the contract (German law).

Fulltext

[…]

Tatbestand:

Die in Deutschland ansässige Kl. verkaufte der in Belgien ansässigen Bekl. 12600kg gekühltes neuseeländisches Hirschfleisch. Der unter Bezugnahme auf die Geschäftsbedingungen der Kl. geschlossene Kontrakt vom 3.11.1995 enthielt zur Lieferung die Bestimmung "Übernahme nach Ankunft in Antwerpen 10/15.12.1995 = ca." und zur Zahlung die Bestimmung "vor Übernahme bei Rechnungserhalt mit bankbestätigtem Scheck". In den Geschäftsbedingungen war u. a. die Vereinbarung deutschen Rechts enthalten.
Ende November 1995 teilte die Kl. der Bekl. mit, daß ein kleiner Teil der Sendung - für den übrigen Teil hatte sie eine Ankunft via Zeebrügge avisiert - per Luftfracht nachgeliefert werden und etwa zeitgleich in Brüssel ankommen sollte. Zugleich erklärte sie, die Ware ab Antwerpen bzw. Brüssel verkaufen zu wollen, und bat um Bestätigung, daß die Bekl. die per Luftfracht gelieferte Ware auch ab Brüssel auf ihre Kosten übernehmen werde. Nachdem dahingehend unter dem 5./7.12.1999 entsprechende Rechnungen gestellt worden waren, teilte die Bekl. mit dem Bemerken, daß der im Kontrakt vereinbarte Erfüllungsort Antwerpen nicht eingehalten werde, gegenüber der Kl. mit, daß sie einer auf die Änderung der Lieferorte hinauslaufenden Vertragsänderung nicht zustimme. Die Kl. ihrerseits, die mittlerweile den Eindruck gewonnen hatte, daß der Bekl. nicht mehr an einer Vertragsdurchführung gelegen war, äußerte gegenüber der Bekl. umgehend, daß sie die Ware nach Antwerpen leiten werde, wo die Kl. sie in der vorgesehenen Frist übernehmen könne, mahnte unter Hinweis auf die vertraglich vorgesehene Abwicklungsreihenfolge erneut die sofortige Übermittlung des bankbestätigten Kaufpreisschecks an und erklärte, bei erneutem ergebnislosen Fristablauf bereits jetzt Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung anmelden zu wollen. Einen solchen Scheck stellte die Bekl. jedoch nicht zur Verfügung, sondern warf ihrerseits der Kl. vor, die eine Erklärung über die fortbestehende Erfüllungsbereitschaft der Bekl. verlangt hatte, daß die Kl. es sei, welche den abgeschlossenen Vertrag insbesondere bezüglich des Lieferortes zu erfüllen abgelehnt habe.

Nachdem der Kontrakt daraufhin nicht mehr zur Ausführung kam, verlangt die Kl. Schadenersatz wegen Nichterfüllung, den das LG zugesprochen hat.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Bekl. hat bis auf vorstehend erkannte Änderung bei dem Verzugsschaden und dem Zinssatz keinen Erfolg. Denn sie hat durch ihre ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung den mit der Kl. unter dem 3.11.1995 geschlossenen Kontrakt über die Lieferung von Hirschfleisch in wesentlicher Hinsicht verletzt. Die Kl. kann deshalb den ihr vom LG zugebilligten Schadensersatz verlangen, gleich, ob man den Vertrag nach UN-Kaufrecht (CISG) oder nach internem deutschen Kaufrecht beurteilt. Im einzelnen:

1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte beurteilt sich nach Art. 17 EuGVÜ. Die Parteien haben ihren Kontrakt ausdrücklich auf der Grundlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kl. abgeschlossen, die in § 11 als Gerichtsstand Goslar bestimmen. Angesichts der Kaufmannseigenschaft der Parteien ist gegen die Wirksamkeit einer Einbeziehung dieser Geschäftsbedingungen weder nach internem deutschen Recht (Art. 27 Abs. 3, 31 Abs. 1 EGBGB, § 24 Satz 1 Nr. 1 AGBG; dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 2 AGBG Rn 23), noch nach dem alternativ in Betracht kommenden Einheitskaufrecht (Art. 14, 18, 24 CISG; dazu Ensthaler/Achilles, GK-HGB, 6. Aufl., nach § 382 Art. 24 Rn..7) etwas zu erinnern. Denn nach dem unbestrittenen Vorbringen der Kl. sind die in Bezug genommenen Geschäftsbeziehungen schon bei einer Reihe früherer Lieferbeziehungen zwischen den Parteien verwendet und der Bekl. zugänglich gemacht worden. Bei Anwendung des einheitlichen UN-Kaufrechts ergibt sich die deutsche internationale Zuständigkeit darüber hinaus aus Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, weil es sich bei der Pflicht der Bekl. zur Kaufpreiszahlung nach Art. 57 Abs. 1 lit. a CISG grundsätzlich um eine am Ort der Niederlassung des Verkäufers zu erfüllende Bringschuld handelt und für die in Art. 61 CISG geregelten Sekundäransprüche, zu denen der vorliegend geltend gemachte Schadensersatz gehört, ebenfalls an dem in Art. 57 CISG jeweils vorgesehenen Erfüllungsort anzuknüpfen ist (Ensthaler/Achilles, nach § 382 Art. 31 Rn. 15, Art. 57 Rn. 1).

2. Der erkannte Schadensersatz steht der Kl. bei Anwendung des einheitlichen UN-Kaufrechts aus Art. 61 Abs. 1 lit. b CISG bzw. wenn man den einbezogenen Geschäftsbedingungen eine konkludente Wahl internen deutschen Rechts entnehmen will, in gleicher Weise aus § 326 BGB zu. Eine Verjährung dieser Ansprüche ist entgegen der Auffassung der Bekl. bislang nicht eingetreten, da die hierauf anwendbare, nach internem deutschen Recht zu beurteilende Verjährungsfrist von 4 Jahren bislang nicht abgelaufen ist (Art. 31 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB, § 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB; dazu Palandt/Heinrichs, § 195 Rn. 8). Im übrigen gilt:
a) Bei Anwendbarkeit des einheitlichen UN-Kaufrechts kann die Kl. den begehrten Schadensersatz nach Art. 61 Abs. 1 lit. b CISG verlangen, weil die Bekl. ihre Vertragspflichten in wesentlicher Hinsicht verletzt hat. Entgegen der vereinbarten Vorleistungspflicht hat sie den sofort nach Rechnungsstellung fälligen Kaufpreis nicht geleistet und sich mit Schreiben vom 11.12.1995 endgültig vom Vertrag losgesagt. Ihrer Auffassung, sie sei mangels ordnungsgemäßer Rechnungsstellung noch nicht zur Zahlung verpflichtet gewesen, kann ebensowenig gefolgt werden wie dem von ihr erhobenen Vorwurf, die Kl. sei ihrerseits den bestehenden Leistungspflichten nicht hinreichend nachgekommen. Gegen die Rechnung vom 5.12.1995 über den größten Teil der Liefermenge ist nichts zu erinnern, da sie die vereinbarten Erfüllungsmodalitäten zutreffend wiedergibt. Spätestens mit Fax vom 7.12.1995 hatte die Kl. zudem hinreichend klargestellt, daß die Ware am vereinbarten Erfüllungsort Antwerpen zur Verfügung gestellt würde. Gleiches gilt für die Rechnung vom 7.12.1995, für die im genannten Fax ebenfalls eine buchstabengetreue Vertragserfüllung zugesagt war, so daß die Bekl. nunmehr sofort hätte zahlen müssen. Durch das Fax der Kl. vom 8.12.1995 konnte sie sich hieran nicht als gehindert ansehen. Denn dieses Schreiben enthielt keine definitive Ablehnungsandrohung, sondern lediglich die Ankündigung von Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung und den zutreffenden Hinweis auf die Vertragslage, daß nämlich die Bekl., die nach ihrem Verhalten bereits einigen Anlass zu Zweifeln an ihrer Erfüllungsbereitschaft gegeben hatte, zur Zahlung bei Rechnungserhalt und danach zur Übernahme nach Ankunft der Ware in Antwerpen verpflichtet sei.
Schließlich wirft die Bekl. der Kl. ohne Erfolg vor, daß sie selbst nicht hinreichend lieferbereit gewesen sei. Ungeachtet der Frage, ob ihr nicht angesichts der deutlich erkennbar werdenden Erfüllungsunwilligkeit der Bekl. auch ein Recht auf Erfüllungsaussetzung gem. Art. 71 Abs. 1 lit. b CISG zugestanden hätte, brauchte sie gegenüber der mit der Kaufpreiszahlung säumigen Bekl. nicht ihrerseits in Vorleistung zu treten. Insbesondere brauchte sie der Bekl. die Ware vor Kaufpreiseingang nicht zur Übernahme anzubieten, wozu es entgegen der Auffassung der Bekl. im übrigen auch ausgereicht hätte, die in Antwerpen zur Übernahme bereitgestellte Ware unter Benennung des Übergabeortes freizugeben (vgl. Ensthaler/Achilles nach § 382 Art. 31 Rn. 10f., Art. 33 Rn.4). Daß die Kl. hierzu selbst im Falle einer Rückkehr der Bekl. zur Vertragstreue nicht mehr bereit oder in der Lage gewesen ist, hat die Bekl. nicht aufzuzeigen vermocht.
Durch ihr Schreiben vom 11.12.1995 hat sich die Bekl. endgültig und ernsthaft vom geschlossenen Vertrag losgesagt. Sie zieht diesen Aussagegehalt nunmehr zwar in Zweifel. Selbst in der Berufungsbegründung hatte sie dagegen noch angenommen, daß sie mit diesem Schreiben die Vertragserfüllung abgelehnt hatte. Allein diese Auffassung wird der Auslegung besagten Schreibens aus der Sicht der Kl. gerecht, die angesichts der immer deutlicher hervortretenden Erfüllungsunwilligkeit der Bekl. nach ihrem Empfängerhorizont davon ausgehen mußte, daß die Bekl. sie nunmehr endgültig auf ihrer Ware sitzenlassen wollte. Diese Verhaltensweise hat schließlich zur Folge gehabt, daß die Kl. sich gem. Art. 64 Abs. 1 Nr. 1 lit. a CISG vom geschlossenen Kontrakt lossagen durfte und sich dementsprechend selbst nicht mehr erfüllungsbereit zu halten brauchte.
b) Bei Anwendbarkeit des internen deutschen Rechts folgt der Schadensersatzanspruch aus § 326 BGB. Insbesondere hat im Fax der Kl. vom 8.12.1995 wie vorstehend ausgeführt noch keine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung gelegen, die aufgrund Vorzeitigkeit dann unter Umständen selbst vertragsverletzend hätte sein können. Noch in der Berufungsbegründung hatte die Bekl. im übrigen ausgeführt, daß auch sie dem Schreiben nach ihrem Empfängerhorizont keine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung, sondern die Mitteilung entnommen hatte, an dem ursprünglich geschlossenen Vertrag festhalten zu wollen.
Ohne daß eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung anschließend noch erforderlich war, konnte die Kl. sich allerdings aufgrund der mit Schreiben der Bekl. vorn 11.12.1995 ausgesprochenen Erfüllungsverweigerung ihrerseits von einer weiteren Vertragserfüllung lossagen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Dies ist mit Schreiben vom 26.3.1996 geschehen, zumal die Bekl. zuvor niemals signalisiert hatte, zu einem vertragstreuen Verhalten zurückkehren zu wollen.

3. Der zum Ersatz gestellte Schaden beurteilt sich wie folgt:
a) Bei Anwendung des einheitlichen UN-Kaufrechts ergibt sich eine Ersatzpflicht für die zum Schadensausgleich gestellten Positionen aus Art. 74 ff. CISG, hinsichtlich eines Teils der Positionen zusätzlich auch aus Art. 85 CISG. Soweit die Bekl. dem von vornherein entgegenzuhalten versucht, daß die Kl. naheliegende Schadensminderungsmöglichkeiten außer acht gelassen habe und deshalb gem. Art. 77 CISG mit einem Ersatz ausgeschlossen sei, kann ihr nicht gefolgt werden. Denn zu den Deckungsgeschäften, deren Nichtvornahme die Bekl. als Obliegenheitsverletzung wertet, war die Kl. nicht verpflichtet. Abgesehen davon, daß sie sich nicht ohne weiteres auf Teilverkäufe hätte einlassen müssen, die ihr dann möglicherweise gefehlt hätten, wenn die Bekl. wider Erwarten doch noch Erfüllungsbereitschaft gezeigt hätte, löst Art. 77 CISG grundsätzlich nicht die Obliegenheit aus, ein Deckungsgeschäft vorzunehmen. Denn ein Gläubiger kann allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen gezwungen sein seine primären Erfüllungsansprüche zugunsten Sekundärer aufzugeben (Ensthaler/Achilles, nach § 382 Art. 77 Rn. 4). Deshalb wird für den Fall der Erfüllungsverweigerung des Käufers mit Recht angenommen, daß der Verkäufer selbst bei einem drohenden Preisverfall nicht ohne weiteres verpflichtet ist, einen Deckungsverkauf vorzunehmen und sich damit zwangsläufig selbst zur Vertragserfüllung außerstande zu setzen, es sei denn, der Schwebezustand zwischen den Parteien hat so lange gedauert, daß vom Verkäufer billigerweise längst eine abschließende Entscheidung darüber zu erwarten war, ob er seine Erfüllungsansprüche durchsetzen oder zu Sekundäransprüchen übergehen will (v.Caemmerer/Schlechtriem/Stoll, Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht, 2. Aufl., Art. 77 Rn. 10).
Eine solche Ausnahme ist vorliegend nicht gegeben. Insbesondere war der Kl. nicht zuzumuten, sich bereits innerhalb der noch wenigen verbleibenden Tage des Jahres 1995 zu entscheiden, ob sie ihre primären Erfüllungsansprüche gegen die Bekl. auf Bezahlung und Abnahme durchsetzen will oder ob sie den Vertrag aufgibt und sich auf die Geltendmachung von Sekundäransprüchen beschränkt. Solange diese Entscheidung nicht getroffen war und auch noch nicht getroffen zu werden brauchte, war die Kl. nicht gehalten, die mittlerweile eingetroffene Ware in Teilen an die behaupteten Drittnachfrager zu verkaufen. Ebensowenig hat auch eine Pflicht zum Selbsthilfeverkauf nach Art. 88 Abs. 2 CISG bestanden, weil das eingetroffene Fleisch wegen der Möglichkeit einer Haltbarmachung durch Einfrieren keinem raschen Verderb ausgesetzt war, die von der Kl. angesetzten Kosten einer solchen Haltbarmachung noch nicht einmal 10 % des Warenwertes erreicht haben und im übrigen auch ein nach den Weihnachtsfeiertagen zu erwartender Preisrückgang bei Wildfleisch keine Verschlechterung i. S. der genannten Bestimmung war (vgl. Ensthaler/Achilles, nach § 382 Art. 88 Rn.6).
Die zuerkannten Schadens- und Aufwandsposten beurteilen sich im einzelnen wie folgt:
aa) Den nach Art. 74 CISG zu ersetzenden Gewinnentgang hat das LG zutreffend auf DM 20 148,99 bemessen. Es hat dabei in Übereinstimmung mit der unangegriffenen Darstellung des Gutachters T. zu den anzutreffenden Marktverhältnissen festgestellt, daß für gefrorenes Hirschfleisch auf dem Markt deutliche Preisabschläge hinzunehmen sind und die von der Kl. angesetzten 10 % generell an der untersten Grenze liegen. Einen nach Art. 76 CISG zu berechnenden Gewinnentgang konnte das LG deshalb ohne Rechtsfehler in der geschehenen Weise auf 10 % des mit der Bekl. vereinbarten Kaufpreises schätzen (§ 287 ZPO).
bb) Für die 1365 kg Hirschfleisch, welches die Kl. vor Haltbarmachung noch an einen Dritten zu dem mit der Bekl. vereinbarten Preis hat veräußern können, kann sie die von ihr gezahlte Verkaufsprovision von DM 500 ersetzt verlangen. Denn hierbei handelt es sich um naheliegende nichterfüllungsbedingte Mehrkosten, die bei ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung nicht angefallen wären (Art. 74 CISG).
cc) Die mit DM 527,90 angesetzten Kosten fallen gleichfalls unter den nach Art. 74 CISG zu ersetzenden Schaden. Denn auch bei ihnen handelt es sich um nichterfüllungsbedingte Mehrkosten, die allein, darauf zurückzuführen sind, daß die Bekl. das für sie bereitstehende Fleisch pflichtwidrig nicht abgenommen hat.
dd) Für die vom LG auf DM 12 936,24 erkannten Kosten für die Verarbeitung der Ware zwecks Einlagerung ins Kühlhaus gilt dasselbe. Diese Kosten, die sich auf DM 1,15 je kg belaufen, sind nach den unangegriffenen Erläuterungen des Sachverständigen T. gegenüber dem Branchendurchschnitt außerordentlich niedrig bemessen, so daß das LG diesen Wert bei der gem. § 287 ZPO vorzunehmenden Schätzung ohne weiteres hat aufgreifen dürfen.
ee) Zusätzlich zu dem nach lit. aa durch die Fleischbeschaffenheit verursachten Gewinnentgang kann die Kl. gem. Art. 74 CISG die unstreitigen Mehrkosten des Transports via Belgien ersetzt verlangen. Denn diese Mehrkosten führen, wie die Bekl. nicht in Abrede genommen hat, zu einer zusätzlichen Erlösminderung bei einem Abverkauf des Fleisches im eingelagerten Zustand und sind deshalb gem. Art. 74 CISG zu ersetzen.
ff) Die mit DM 50 angesetzten Telefonkosten hat das LG wegen der erforderlichen Anstrengung der Kl. für einen anderweitigen Abverkauf als nachvollziehbar angesehen. Die dahingehend vorgenommene Schadensschätzung ist in der Berufung nicht angegriffen worden. Der Senat tritt ihr bei.
gg) Die zusätzlich zu den Kosten einer Haltbarmachung gem. lit. dd mit DM 405,90 angesetzten Kosten für die laufende Tiefkühllagerung in Goslar hat der Sachverständige T. unangegriffen als außergewöhnlich niedrig bezeichnet. Das LG hat diesen verletzungsbedingten Kostenwert deshalb zutreffend in die Berechnung des nach Art. 74 CISG zu bemessenden Schadens eingestellt.
hh) Abzuändern ist die angefochtene Entscheidung nur hinsichtlich des erkannten Verzugsschadens. Bei diesem kann sich die Kl. nicht auf die in § 7 Nr. 3 ihrer Geschäftsbedingungen enthaltene Zinsklausel stützen. Denn in dieser Klausel werden anfallende Verzugsschäden abstrakt pauschaliert, ohne daß der Gegenseite die Möglichkeit offengelassen wird, einen geringeren Schaden nachzuweisen (vgl. § 11 Nr. 5 lit. b AGBG). Das Verbot, einen abweichenden Schadensnachweis zuzulassen, gilt über §§ 9, 24 Satz 2 AGBG auch im kaufmännischen Verkehr (Palandt/Heinrichs, § 11 a AGBG Rn. 27). Das einheitliche Kaufrecht enthält insoweit keine abweichenden Vorgaben. Die vom internen deutschen Recht getroffene Wertung, derartige Klauseln als unwirksam zu behandeln, kommt vorliegend deshalb gem. Art. 4 Satz 2 lit. a CISG, 31 Abs. 1 EGBGB zum Tragen. Da zu einer konkreten Schadensbemessung nichts vorgetragen ist, beurteilen sich die Verzinsungspflichten der Bekl. nach Art. 78 CISG, während die Zinshöhe den nach dem deutschen Vertragsstatut anzuwendenden § 352 HGB zu entnehmen ist (vgl. Ensthaler/Achilles, nach § 382 Art. 78 Rn. 5). Statt des vom LG erkannten Verzugsschadensbetrages von DM 3 887,40 stehen der Kl. danach nur DM 2 556,10 zu (DM 219 523,68 x 5 % x 85 Zinstage: 365 Tage).
Die auf die Klageforderung erkannten Zinsen ergeben sich dem Grunde nach aus Art. 78 CISG und der Höhe nach aus § 352 HGB. Nach vorstehenden Erwägungen ist deshalb auch die Zinsentscheidung dahin abzuändern, daß sich ein der Kl. zuzubilligender Zinssatz auf höchstens 5 % p. a. beläuft.
b) An vorstehender Beurteilung ändert sich nichts, wenn an Stelle des einheitlichen UN-Kaufrechts das interne deutsche Recht mit §§ 326, 249 ff. BGB zur Anwendung gebracht wird. Die vorstehend erörterte Frage einer Obliegenheitsverletzung beantwortet sich nach § 254 BGB nicht anders. Ebenso sind die Maßstäbe nach denen sich die einzelnen Schadensposten beurteilen, bei Anwendung der §§ 249, 252 BGB im wesentlichen gleich.

[…]}}

Source

Published in German:
- Transportrecht-IHR 1-2000, 4-7
- University of Freiburg Website (http://www.jura.uni-freiburg.de/)

Lower Instance:
- LG Braunschweig, 3-02-1999, 9 O 332/97}}