Data

Date:
25-02-1999
Country:
Switzerland
Number:
Unknown
Court:
Kantonsgericht des Kantons Zug
Parties:
Unknown

Keywords

SCOPE OF CISG - MIXED CONTRACT FOR SUPPLY OF GOODS AND SERVICES - SUPPLY OF LABOR AND SERVICES - NOT CONSTITUTING PREPONDERANT PART OF SELLER'S OBLIGATION - CONTRACT GOVERNED BY CISG (ART. 3(2) CISG)

RIGHT TO INTEREST (ART. 78 CISG)- INTEREST RATE - DETERMINED BY LAW OTHERWISE APPLICABLE TO THE CONTRACT

RIGHT TO DAMAGES (ART. 74 CISG)- COSTS FOR EXTRA JUDICIAL DEBT COLLECTION

Abstract

A Swiss buyer ordered construction material from a German seller, which in addition undertook to supply the service of construction of a roof at the buyer's building site in Switzerland. As the purchase price remained unpaid the seller sued to obtain payment and interest, plus recovery of debt collection costs.

The Court found that the contract was covered by CISG because the preponderant part of the obbligations of the seller consisted in the supply of goods and not of labor or services (Art. 3(2) CISG).

The seller was awarded payment of the price plus interest according to Art. 78 CISG, accruing from the time indicated in the seller's pleadings. The interest rate was determined by the domestic law otherwise applicable to the contract, absent an express provision in CISG.

Finally, the seller had the right to claim recovery of the extra judicial collection costs incurred (Art. 74 CISG)

Fulltext

[…]

Erwägungen

1 . Die Klägerin ist in Deutschland domiziliert, die Beklagte hat ihren Sitz in der Schweiz. Es liegt somit ein internationaler Sachverhalt im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht vorn 18. Dezember 1987 (IPRG) vor. Gemäss Art. 1 Abs. 2 IPRG bleiben hinsichtlich der Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte sowie hinsichtlich des anzuwendenden Rechts die völkerrechtlichen Verträge vorbehalten. Im Folgenden ist zu prüfen, ob das Kantonsgericht Zug zur Beurteilung des vorliegenden Falles zuständig ist und welches Recht zur Anwendung gelangt.

1.1 Die örtliche Zuständigkeit richtet sich im vorliegenden Fall nach dem Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen vorn 16. September 1988 (LugÜ). Dieses trat in der Schweiz am 1. Januar 1992 und in Deutschland am 1. März 1995 in Kraft Gemäss Art. 1 LugÜ Ist das Übereinkommen auf Zivil- und Handelssachen anzuwenden. Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin Forderungen aus der Lieferung von Materialien für Baustellen und der Verrichtung von Dachdeckerarbeiten geltend. Mithin handelt es sich um einen Anspruch aus vertraglichem Schuldrecht, der vom LugÜ erfasst wird (s. Botschaft des Bundesrates vorn 21 . Februar 1990 betreffen das LugÜ, S. 18; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 4. A., Heidelberg 1993, N 10 ff. zu Art. 1 LugÜ). Das Kantonsgericht des Kantons Zug ist daher gemäss Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 53 LugÜ örtlich zuständig. Die sachliche bzw. funktionale Zuständigkeit des Kantonsgerichts ergibt sich aus § 9 GOG in Verbindung mit § 10 Ziff. 2 GOG. Auf die vorliegende Klage ist daher einzutreten.

1.2 In Bezug auf das anwendbare Recht ist vorab zu prüfen, ob das Übereinkommens der Vereinten Nationen vorn 11. April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf (nachfolgend "WKR [Wiener Kaufrecht] genannt) auf den vorliegenden Fall anwendbar ist.

1.2. 1 Das WKR trat für Deutschland am 1. Januar 1991 und für die Schweiz am 1. März 1991 in Kraft. Gemäss Art. 1 Abs. 1 WKR Ist dieses Übereinkommen auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien anzuwenden, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, a) wenn diese Staaten Vertragsstaaten sind oder b) wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates führen. Nach Art. 3 Abs. 2 WKR findet das Übereinkommen keine Anwendung auf Verträge, bei denen der überwiegende Teil der Pflichten der Partei, welche die Ware liefert, in der Ausführung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen besteht. Es können somit auch (entgeltliche) Verträge über die Lieferung und Montage von (zunächst noch) beweglichen Sachen (Waren) unter das Einheitsrecht der Übereinkunft fallen, z.B. ein aus Kauf- und Werkvertrag gemischtes Vertragsverhältnis oder ein Werklieferungsvertrag. Ein entscheidendes Kriterium für die Anwendbarkeit des Wiener Kaufrechts liegt im Verhältnis zwischen der Sachlieferung und der Arbeitsleistung. Hat die Arbeitsleistung des Lieferanten ein erhebliches Übergewicht, indem ihr wertmäßiger Anteil an seiner Gesamtleistung deutlich überwiegt, so bleibt die Anwendung des Wiener Übereinkommens ausgeschlossen (Gauch, Der Werkvertrag, 4. A., Zürich 1996, N 371 f.).

1.2.2 Aus den zu den Akten gereichten Rechnungen (KB 3-1 0) geht hervor, dass die Klägerin zwar neben der Lieferung von Baumaterial noch Dachdeckerarbeiten ausführte, diese Arbeiten jedoch im Verhältnis zu den Lieferungen nicht deutlich überwogen. Vorliegend sind daher die Bestimmungen des WKR anwendbar.

3. Nach dem Grundsatz der lex fori untersteht das Verfahren bei internationalen Sachverhalten prinzipiell dem Recht des Forums (Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts, Zürich 1986, S. 592 ff.).

3.1 Gemäss § 96 ZPO ist jede zu einer Haupt- oder Schlussverhandlung gehörig vorgeladene Partei, die ohne genügende Entschuldigung weggeblieben ist oder welche die Einlassung in die Hauptsache grundlos verweigert, zur Tragung der Kosten zu verpflichten und peremtorisch vorzuladen (Abs. 1). Ist die Beklagte schon vor dem Friedensrichter unentschuldigt weggeblieben, so ist sie zur ersten Gerichtsverhandlung peremtorisch vorzuladen (Abs. 2). Zur peremtorischen Verhandlung ist unter der Androhung vorzuladen, dass bei unentschuldigtem Ausbleiben Anerkennung der tatsächlichen Klagegründe und Verzicht auf Einreden angenommen würde (Abs. 3).

3.2 Die Beklagte ist, wie bereits erwähnt, der Friedensrichterverhandlung vom 9. November 1998 unentschuldigt ferngeblieben und wurde deshalb zur Hauptverhandlung vor Kantonsgericht vom 25. Februar 1999 peremtorisch vorgeladen. Da sie auch dieser Verhandlung unentschuldigt fernblieb, ist androhungsgemäß anzunehmen, sie anerkenne die tatsächlichen Klagegründe und verzichte auf Einreden. Urteilsgrundlage bildet deshalb der von der Klägerin geschilderte Sachverhalt.

4. Nach unbestritten gebliebener Darstellung der Klägerin bestellte die Beklagte bei ihr verschiedentlich Materialien für Baustellen und beauftragte sie mit der Verarbeitung dieser Materialien (Dachdeckerarbeiten). Damit kamen zwischen den Parteien mehrere Werklieferungsverträge im Sinne von Art. 14 ff. WKR zustande. Demgemäss verpflichtete sich die Klägerin zur Lieferung der bestellten Ware und zur Ausführung der Dachdeckerarbeiten; die Beklagte versprach die Leistung einer Vergütung. Die Klägerin erbrachte ihre Leistungen unbestrittenermessen. Die Beklagte erhob keine Einwendungen; sie rügte weder allfällige Mängel noch die Höhe des in Rechnung gestellten Betrages von DM 28'543.61 (s. KB 3-10). Gestützt auf Art. 53 WKR schuldet die Beklagte daher der Klägerin den Betrag von DM 28'543.61 (entsprechend Fr. 23'548.50).

5. Die Klägerin verlangt im weiteren Verzugszins von 10% auf dem Betrag von DM 28'543.61 seit 4. September 1997. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, gemäss deutschen Usanzen sei ein Zinssatz von 10% branchenüblich (Beilage 1 ‚ S. 4).

5.1 Nach Art. 78 WKR schuldet diejenige Partei, die es versäumt, den Kaufpreis oder einen anderen fälligen Betrag zu zahlen, der anderen Partei Zinsen ab Fälligkeitsdatum. Das WKR enthält keine Bestimmungen über die Höhe des geschuldeten Zinses. Nach gefestigter Auffassung richtet sich die Höhe des Zinssatzes nach dem nationalen Recht, das kollisionsrechtlich als Vertragsstatut berufen ist (Magnus, in: Honsell, Kommentar zum UN-Kaufrecht, Berlin 1997, N 12 zu Art. 78 WKR). Gemäss Art. 117 Abs. 1 IPRG untersteht der Vertrag bei Fehlen einer Rechtswahl dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt. Nach Art. 117 Abs. 2 und 3 IPR ist dies im vorliegenden Fall Deutschland, weshalb hinsichtlich der Höhe des Zinses deutsches Rechts zur Anwendung kommt. Da beide Parteien unbestrittenermessen Handelsleute im Sinne von § 1 ff. des deutschen Handelsgesetzbuches (HGB) sind, richtet sich die Höhe des Zinssatzes nach diesem Gesetz. Gemäss § 352 Abs. 1 HGB ist die Höhe der gesetzlichen Zinsen, mit Einschluss der Verzugszinsen, bei beiderseitigen Handelsgeschäften fünf vorn Hundert für das Jahr. Dass die Parteien einen höheren Zinssatz vereinbart haben, hat die Klägerin nicht behauptet.

5.2 Die klägerische Forderung über DM 227.18 wurde am 18. April 1997 (KB 3), die über DM 6'945.90 am 27. Mai 1997 (KB 4), die über DM 2'013.83 und DM 1150.39 am 19. Juni 1997 (KB 5 und 6), die über DM 14'839.29 am 16. Juli 1997 (KB 7), die über DM 1'427.93 und DM 1'877.17 am 17. Juli 1997 (KB 8 und 9) und die über DM 61.92 am 6. August 1997 (KB 10) zur Zahlung fällig. Wie bereits erwähnt, entsteht die Zinspflicht nach Art. 78 WKR, sobald die jeweilige Zahlung fällig ist. Die Klägerin verlangt jedoch erst ab 4. September 1997 Verzugszins (Beilage 1 ‚ S. 1). An diesen Antrag ist der Richter gebunden (§ 54 ZPO). Demzufolge schuldet die Beklagte der Klägerin auf dem Betrag von DM 28543.61 einen Verzugszins von 5% seit 4. September 1997.

6. Die Klägerin macht ferner Zahlungsbefehlskosten von Fr. 100.-- geltend. Diese sind durch den Zahlungsbefehl in der Betreibung Nr. 980264 des Betreibungsamtes Risch ausgewiesen (KB 13). Da der Schuldner gemäss Art. 68 Abs. 2 SchKG die Betreibungskosten trägt, hat die Beklagte der Klägerin auch die Zahlungsbefehlskosten von Fr. l00.-- zu ersetzen.

7. Die Klägerin verlangt schließlich Mahn- und Inkassokosten in Höhe von Fr. 989.20 (Beilage 1 ‚ S. 5).

7. 1 Zinsanspruch und Schadenersatzanspruch bestehen unabhängig nebeneinander und unterliegen ihren jeweils eigenen Voraussetzungen. Der Zahlungsgläubiger kann deshalb zu den Zinsen nach Art. 78 WKR einen weitergehenden Säumnisschaden geltend machen (Magnus, a.a.O., N 10 zu Art. 78 WKR). Art. 74 WKR definiert den Schadenersatz als Ersatz des von der anderen Partei infolge der Vertragsverletzung entstandenen Verlustes einschließlich des entgangen Gewinns.

7.2 Nach unbestrittener Darstellung der Klägerin sind ihr infolge des Zahlungsverzuges der Beklagten Mahnkosten in Höhe von Fr. 24.20 und Kosten für die Bemühungen des Inkassobüros in Höhe von Fr. 965.-- entstanden. Diese Kosten hat die Beklagte der Klägerin als weitergehenden Verzugsschaden im Sinne von Art. 74 WKR zu ersetzen. Die Beklagte ist daher zu verpflichten, der Klägerin zusätzlich den Betrag von Fr. 989.20 zu bezahlen.

[…]

Urteilsspruch
1. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin DM 28543.61 (entsprechend Fr. 23'548.50) nebst 5% Zins seit 4. September 1997 zuzüglich Mahn- und Inkassokosten von Fr. 989.20 und Zahlungsbefehlskosten von Fr. 100.-- zu bezahlen.

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Source

Published in German (excerpt):
- Schweizerische Zeitschrift für Internationales und Europäisches Recht (SZIER) 2000, 114}}