Data
- Date:
- 18-01-1994
- Country:
- Germany
- Number:
- 5 U 15/93
- Court:
- Oberlandesgericht Frankfurt am Main
- Parties:
- Unknown
Keywords
APPLICATION OF CISG - PARTIES SITUATED IN CONTRACTING STATES (ART. 1(1)(A) CISG)
AVOIDANCE OF CONTRACT FOR LATE DELIVERY - NECESSITY FOR BUYER TO FIX AN ADDITIONAL PERIOD OF TIME FOR PERFORMANCE (ARTS. 49(1)(B) AND 47 CISG)
FUNDAMENTAL BREACH BY SELLER (ART. 25 CISG) - LACK OF CONFORMITY OF GOODS
DEFECTS NOT PREVENTING BUYER FROM MAKING REASONABLE USE OF GOODS - NOT AMOUNTING TO FUNDAMENTAL BREACH (ART. 35 CISG)
INTEREST (ART. 78 CISG) - IN CASE OF LATE PAYMENT OF PRICE - INTEREST RATE - STATUTORY RATE OF CREDITOR'S COUNTRY - FURTHER DAMAGES - EVIDENCE
Abstract
In 1991 a German buyer and an Italian seller concluded a contract for the sale of a stock of women shoes. The buyer did not pay part of the price alleging that the seller had not delivered the goods within the agreed time and that the goods did not conform to the contract. The seller commenced legal action claiming payment of the balance of the price.
The court applied CISG as both parties had their places of business in contracting States (Italy and Germany) at the moment of the conclusion of the contract (Art. 1(1)(a) CISG).
The court held that the buyer had not validly declared the contract avoided.
In the court's opinion, the buyer, in order to declare the contract avoided for late delivery, has to fix an additional period of time for performance by the seller; moreover, such period has to elapse without the seller performing its obligation (Arts. 49(1)(b) and 47(1) CISG). In the case at hand, the buyer was found not to have given evidence of fixing such an additional period of time.
With respect to the alleged non conformity of the goods, the court stated that the lack of conformity entitles the buyer to declare the contract avoided only when it amounts to a fundamental breach of the contract (Art. 49(1)(a) CISG). In the opinion of the court such a requirement is not met, for instance, when the defects do not prevent the buyer from making all the same a reasonable use of the goods. In the case at hand, the buyer had only alleged that the shoes had 'defects' and that they had been made with a material different from the material agreed upon by the parties; the buyer, however, had not proved that the shoes could not be reasonably used otherwise because of their defects.
The court granted the seller the right to payment of the balance of the price as well as interest at the rate of 10% (statutory rate of the country of the creditor-seller). The seller was not awarded the higher interest rate of 13,5% as further damages, since it had not given evidence of making recourse to bank loans. To this effect, the mere production of a certificate issued by the Central Bank of Italy, showing the trend of the discount rate in Italy, was held not to be sufficient evidence.
Fulltext
[...]
Aus den Gründen:
Die Klage ist - abgesehen von einem Teil des Zinsanspruchs - nach dem Hilfsantrag begründet, weil der Klägerin der geltend gemachte Kaufpreis in italienischer Währung gemäß Art. 53 des UN-Übereinkommens über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980 (Convention on Contract for the International Sale of Goods - CISG -) zusteht.
Auf die im Jahr 1991 geschlossenen Kaufverträge der Parteien ist das genannte Übereinkommen gemäß dessen Art. l Abs. 1 a), 100 Abs. 2 anzuwenden. Sowohl Italien als auch die Bundesrepublik Deutschland sind Vertragsstaaten (vgl. Herber/Czerwenka, Internationales Kaufrecht, 1991, vor Art. 1 Rn. 16). Das Übereinkommen ist in Italien am 1. Januar 1988 und in der Bundesrepublik Deutschland am 1. Januar 1991 in Kraft getreten.
Der Klage liegen zwei Rechnungen [...] über die Lieferung von Damenschuhen zugrunde. Die Klägerin macht [...] Restkaufpreis geltend. Der Abschluß des Kaufvertrages, die Auslieferung der Schuhe und die rechnerisch richtige Ermittlung des Kaufpreises sind nicht im Streit.
Die Beklagte ist nur dann nicht zur Zahlung des Restkaufpreises verpflichtet, wenn sie wirksam die Aufhebung des Vertrages erklärt hat (Art. 49 CISG). Die Aufhebung befreit beide Parteien von ihren Vertragspflichten mit Ausnahme etwaiger Schadensersatzpflichten (Art. 81 Abs. 1 CISG).
Soweit die Beklagte vorgebracht hat, die Schuhe seien nicht termingerecht angeliefert worden, steht ihr schon deshalb kein Recht zur Aufhebung des Vertrages zu, weil nicht dargelegt ist, daß die Klägerin eine ihr gesetzte Nachfrist hat verstreichen lassen (Art. 49 Abs. 1 b, 47 Abs. 1 CISG).
Auch soweit sich die Beklagte darauf stützt, daß die angelieferten Schuhe überwiegend nicht vertragsgemäß gewesen seien, hat ihre Verteidigung keinen Erfolg.
Eine Mangelhaftigkeit von Waren ist nach dem UN-Übereinkommen kein Fall der Nichtlieferung, sondern sie unterfällt den Vertragsverletzungen, die in wesentliche und sonstige unterschieden sind. Die Aufhebung des Vertrages kann nur begehrt werden, wenn die Nichterfüllung einer dem Verkäufer nach dem Vertrag oder dem Übereinkommen obliegenden Pflicht eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt (Art. 49 Abs. 1 a CISG).
Im Gegensatz zum nationalen deutschen Kaufrecht, das mit Ausnahme unerheblicher Abweichungen ein Recht zur Wandelung des Vertrages grundsätzlich bei jedem Fehler gewährt, wird nach dem UN-Kaufrecht vom Käufer in weitergehendem Umfang erwartet, auch vertragswidrige Ware hinzunehmen und sich wegen des Leistungsdefizits anderer Rechtsbehelfe (Herabsetzung des Kaufpreises, Schadensersatz) zu bedienen. An einer wesentlichen Vertragsverletzung kann es beipielsweise fehlen, wenn der Käufer letztlich nicht einwandfreie Ware zumutbar verwerten kann (v. Caemmerer-Huber, Kommentar zum Einheitlichen UN Kaufrecht - CISG -, 1990, Art. 46 Rn. 64, Art. 49 Rn. 27; Piltz, Internationales Kaufrecht, 1993, 5 Rn. 247). Eine dahingehende Prüfung liegt auch nahe, wenn die Vertragswidrigkeit etwa nur in der mangelnden Übereinstimmung mit einer beim Kauf vorgelegten Probe oder einem Muster besteht (Art. 35 Abs. 2 c CISG). Daraus folgt, daß der Käufer regelmäßig genau zu den Mängeln und der Unzumutbarkeit weiterer Verwertung vortragen muß, da sonst keine Überprüfung daraufhin stattfinden kann, ob eine zur Vertragsaufhebung berechtigende wesentliche Vertragsverletzung vorliegt .
Das Vorbringen der Beklagten gestattet die erforderliche Uberprüfung indessen weitgehend nicht.
[...] Die Beklagte [hat] lediglich ausgeführt, [...] [die Schuhe] seien, 'in sämtlichen Ausführungen mangelhaft' gewesen. So habe das Material 'Fehler' aufgewiesen. Die Verarbeitung sei 'unterschiedlich' gewesen, 'mal' seien 'die Schuhe gesteppt, mal umgeschlagen' gewesen. Insgesamt hätten sie nicht dem ursprünglichen Muster entsprochen. Diesem Vorbringen läßt sich nicht entnehmen, welche konkreten Fehler vorgelegen haben sollen. Hinsichtlich der Abweichungen vom Muster ist aufgrund der Darstellung der Beklagten keine Beurteilung möglich, ob ihr die Verwertung zumutbar gewesen wäre [...]
Die Beklagte... [bemängelt weiter, die] Schuhe seien statt in Metallic-Leder Gold ('L. Oro') in dem Material 'S. Oro' gefertigt worden, was dazu geführt habe, daß die Schuhe nicht glatt verarbeitet worden seien, sondern starke Falten gezogen hätten. Dies läßt keine Beurteilung zu, ob die Schuhe, abgesehen von dem anderen Material und dem dadurch bedingten anderen Aussehen, fehlerhaft waren und nicht verwertet werden konnten [...].
Lediglich zum Modell Nr. 6329 [...] hat die Klägerin hinreichend substantiiert dargetan, daß die Schuhe im Material Risse aufgewiesen hätten.
Der Senat hat der Beklagten in mündlicher Verhandlung Gelegenheit gegeben, die einzelnen Beanstandungen näher zu konkretisieren. Ergänzendes Vorbringen ist nicht erfolgt.
Aus alledem folgt, daß die Klägerin nur hinsichtlich des Artikels Nr. 6329 [...] schlüssig dargetan hat, daß eine Vertragsaufhebung mit entsprechender Kürzung des Kaufpreises (vgl. v. Caemmerer-Schlechtriem, Artikel 51 Rn. 6) in Betracht kommen könnte [...].
Der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Anspruch auf Bezahlung in deutscher Währung steht der Klägerin nicht zu, da der Kaufpreis in italienischer Währung vereinbart war (vgl. Piltz, 4 Rn. 124). Mit dem Hauptantrag war die Klage folglich abzuweisen.
Der Zinsanspruch ist nur in Höhe von 10% begründet.
Er findet dem Grunde nach seine Rechtfertigung in Art. 78 CISG. Danach hat die Vertragspartei, die es versäumt, den Kaufpreis oder einen anderen fälligen Betrag zu zahlen, der anderen Partei für diese Beträge (Fälligkeits-) Zinsen zu entrichten (v. Caemmerer-Eberstein, Art. 78 Rn. 9, 10; HerberCzerwenka, Art. 78 Rn. 3; Asam RIW 1989, 942, 945). Fälligkeit des Kaufpreises für die spätestens am 19. Oktober 1991 ausgelieferten Schuhe war gemäß Art. 58, 59 CISG vor den von der Klägerin zugrunde gelegten Daten eingetreten. Zu abweichenden Vereinbarungen hinsichtlich des Fälligkeitszeitpunktes ist nichts vorgetragen worden.
Da die Höhe des Zinsanspruchs in Artikel 78 CISG (anders als in Art. 83 EKG) offengelassen ist, ist nach ganz überwiegender Auffassung das nach deutschem internationalen Privatrecht anwendbare nationale Recht heranzuziehen (vgl. die Nachweise in Senat, Urt. v.13. Juni 1991 - 5 U 261/90* -, NJW 1991, 3102).
Im vorliegenden Fall findet das für den Kaufpreisanspruch gemäß Art. 28 Abs. 2 EGBGB maßgebende italienische Recht Anwendung, das auch die begleitende Verzinsungspflicht beherrscht. Ob der vereinzelt gebliebenen abweichenden Auffassung von Stoll (Festschrift für Ferid, 1988, S. 495, 509f.; ähnlich v. Caemmerer - Leser, Art. 84 Rn. 13 zur Zinszahlungspflicht des Art. 84 Abs. 1 CISG) zu folgen ist, der die Höhe des gesetzlichen Zinssatzes dem Aufenthaltsrecht des Schuldners entnehmen will, hat der Senat im Urteil vom 13. Juni 1991 offenlassen können, weil die dortige Klägerin ihren Zinsanspruch von Anfang an auf 5% beschränkt hatte, was sowohl nach französischem als auch nach deutschem Recht gerechtfertigt war. Im vorliegenden Fall ist die Frage indessen im Sinne der überwiegenden Auffassung zu entscheiden. Da die Höhe des Zinssatzes im Abkommen bewußt nicht geregelt worden ist, bleibt nur der Weg, die Antwort dem internationalen Privatrecht zu entnehmen. Aus der CISG läßt sich mangels jeglichen Ansatzpunktes kein Grundsatz herleiten, daß der Aufenthalt des Schuldners deshalb maßgeblich ist, weil die Zinspflicht darauf abzielt zu verhindern, daß die Vorenthaltung des Geldes für den Schuldner, der mit dem Geld arbeiten oder es nutzbringend anlegen kann, vorteilhafter ist als die Zahlung (vgl. Stoll a. a. O.). Dieser Gedanke überzeugt auch deswegen nicht, weil nicht gewährleistet ist, daß der gesetzliche Zinssatz des Aufenthaltsstaates den Vorteil der Nichtzahlung vollständig abschöpft (vgl. 352 HGB) und eine andere Zinsbemessung die Grenze zum Schadensersatzanspruch verwischen würde. Der praktische Nachteil, gegebenenfalls nur zur Ermittlung der Zinshöhe fremdes Recht ermitteln zu müssen, muß wegen der partiellen Unvollkommenheit des Abkommens, die auf nicht überwundene Meinungsverschiedenheiten bei der Beratung zurückgeht (vgl. Herber-Czerwenka, Art. 78 Rn. 1), hingenommen werden. Er kann im übrigen durch geeignete Zusammenstellungen (vgl. Piltz, 5 Rn. 415) zunehmend an Gewicht verlieren.
Die Höhe des Zinssatzes beläuft sich nach Artikel 1284 Codice Civile seit dem 16. Dezember 1990 (Gesetz Nr. 353 vom 16. November 1990) auf 10% (Piltz, 5 Rn. 415; Kindler RIW 1991, 304 f .).
Die von der Klägerin begehrten höheren Verzugszinsen von 13,5% können ihr nicht zugesprochen werden. Zwar schließt Art. 78 CISG es nicht aus, einen etwa durch Inanspruchnahme von Kredit entstandenen höheren Schaden nach Art. 74ff. CISG im Wege des Schadensersatzes geltend zu machen (Herber-Czerwenka, Artikel 78 Rn. 8). Die Klägerin hat jedoch ihren behaupteten Schaden durch Inanspruchnahme von Bankkredit nicht nachgewiesen (zur Beweislast: v. Caemmerer-Stoll, Art. 74 Rn. 41). In den vorgelegten Bescheinigungen der Banca d'Italia ist allein die Entwicklung des italienischen Diskontsatzes aufgezeigt.}}
Source
Published in German:
- Recht der Internationalen Wirtschaftsrecht (RIW), 1994, 240
- Neue Juristische Wochenschrift (NJW), 1994, 1013
Published in English (trans.):
- 14 Journal of Law and Commerce 201-207 (1995)
Commented on by:
- F. Diedrich, Voraussetzungen einer Vertragsaufhebung wegen Sachmängeln nach dem Wiener Kaufrecht, RIW, 1995, 11-16
- R. Koch, Zur Bestimmung des Begriffs der wesentlichen Vertragsverletzung im UN-Kaufrecht im Falle der Lieferung nicht vertragsgemäîer Ware, RIW, 1995, 98-100
- E. Diederichsen, Commentary to Journal of Law and Commerce Case I, 14 Journal of Law and Commerce 177-181 (1995)}}