Data
- Date:
- 18-06-1997
- Country:
- Austria
- Number:
- 3 Ob 512/96
- Court:
- Oberster Gerichtshof
- Parties:
- Unknown
Keywords
FORMATION OF CONTRACT (ARTS. 14 AND 18(1) CISG) - CONTRACTUAL RELATIONSHIP BETWEEN PRINCIPAL AND THIRD PARTY WHERE THIRD PARTY KNEW OR OUGHT TO HAVE KNOWN THAT IT WAS CONTRACTING WITH AN AGENT
Abstract
An Austrian buyer ordered shoes from a German firm. The shoes were delivered by an Italian manufacturer, which commenced an action against the buyer to obtain payment, alleging that the German firm had acted solely as an agent for the manufacturer, without being entitled to receive payment. As a defense the buyer invoked that it had already paid the price to the German firm and denied that a contract had ever been concluded with the Italian manufacturer.
In order to decide whether a sales contract existed between the buyer and the Italian manufacturer the Court applied CISG (Art. 1(1)(a) CISG). Arts. 14 and 18(1) CISG as well as general principles of contractual law imply that an offer can be validly accepted only by the offeree, that is by the person to whom the offer was addressed. If, however, the offeror knows or cannot be unaware that the addressee is acting as an agent for another party, it should reasonably expect that the offer reaches the principal. Therefore the lower Courts should have ascertained whether according to the applicable domestic law the German firm was to be qualified as an agent acting under the principal's name and whether in the circumstances of the case the buyer was aware or could not have been unaware of this fact.
Fulltext
[...]
Die kl Partei ist eine GmbH mit dem Sitz in Italien, die sich mit der Herstellung, dem Verkauf und dem Export von Schuhwaren beschäftigt. Sie lieferte im Oktober 1992 3.340 Paar Schuhe an die im Schuhhandel tätige erstbekl Partei, deren persönlich haftende Gesellschafterin die zweitbekl Partei ist, und stellte hiefür Lit 43,737.300,- in Rechnung. Die Erstbekl bezahlte diesen Betrag nicht an die kl Partei, sondern nach Abzug von Reklamationsrabatt, Skonto und Auszeichnungskosten Lit 42,774.615,- an ein Unternehmen mit dem Sitz in der Bundesrepublik Deutschland.
Die kl Partei begehrt von den bekl Parteien die in Rechnung gestellte Summe von Lit 43,737.300,- und kapitalisierte Zinsen für die Zeit vom 1. 11. 1992 bis 2. 8. 1993 in der Höhe von Lit 6,590.552,05, zusammen also Lit 50,327.852,05.
Die bekl Parteien wendeten ein, daß zwischen den Streitteilen kein Vertragsverhältnis bestehe und die kl Partei daher nicht aktiv legitimiert sei. Sie habe am 4. 3. 1992 bei dem deutschen Unternehmen Schuhe bestellt und deshalb diesem nach Vornahme vereinbarungsgemäßer Abzüge den Betrag von Lit 42,774.615,- bezahlt.
Die kl Partei hielt dem entgegen, daß sie im Rahmen einer schon länger bestehenden Geschäftsbeziehung mehrmals Schuhe über Vermittlung eines von ihr beauftragten, in der Bundesrepublik Deutschland tätigen selbständigen Handelsvertreters an die erstbekl Partei geliefert habe, die den Preis hiefür auch anstandslos bezahlt habe. Der Handelsvertreter sei nicht inkassoberechtigt gewesen, was der erstbekl Partei auch bekannt gewesen sei. Über Vermittlung des Handelsvertreters habe sie von der erstbekl Partei den streitgegenständlichen Auftrag erhalten, diesen ausgeführt und darüber Rechnung gelegt. Der Handelsvertreter habe ihr den Verrechnungsscheck, den ihm die erstbekl Partei übersandt habe, nicht weitergeleitet.
Das ErstG wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:
Die den Gegenstand der Klage bildenden Schuhe wurden von einem Einkäufer der erstbekl Partei bei der Firma T.-Sport mit zwei Aufträgen je vom 4. 3. 1992 schriftlich bestellt. Dieser Bestellung war eine Präsentation von Musterschuhen durch Gerhard J. vorangegangen, der dabei ausschließlich für die Firma T.-Sport auftrat und nichts in die Richtung erwähnte, daß er Schuhe für die kl Partei anbiete oder daß die später bestellten Schuhe von dieser hergestellt würden. Dem Einkäufer der erstbekl Partei war auf Grund der Preisangabe in Lire bloß klar gewesen, daß die angebotenen Schuhe aus italienischer Produktion stammen. Die kl Partei war ihm auf Grund seiner Branchenkenntnisse bekannt, und es hatte zuvor auch schon geschäftliche Kontakte zwischen den Streitteilen gegeben.
Die vom Einkäufer der erstbekl Partei verwendeten Antragsformulare sind so gestaltet, daß im Durchschreibeverfahren Ausfertigungen hergestellt werden. Die erste Ausfertigung verbleibt bei der erstbekl Partei, die beiden anderen werden an den Auftragnehmer gesandt, der eine davon mit seiner Unterschrift als Auftragsbestätigung zurücksenden soll. In dem zu entscheidenden Fall gingen die Aufträge an die Firma T.-Sport, die sie an die kl Partei weiterleitete. Ob die Erstbekl jemals eine - sei es von der Firma T.-Sport oder von der kl Partei - unterfertigte Auftragsausfertigung zugesandt erhielt, konnte nicht festgestellt werden.
Die kl Partei bat mit einem Telefax vom 4. 6. 1992 die erstbekl Partei unter Bezugnahme auf die von dieser ausgefertigten Aufträge um Klarstellung bezüglich der gewünschten Schuhfarbe. Eine damals in der Einkaufsabteilung der erstbekl Partei tätige Arbeitnehmerin gab die gewünschte Aulklärung und ersuchte zugleich um Übermittlung einer Auftragsbestätigung für die Aufträge, zumal eine solche jedenfalls bis dahin noch nicht vorlag. Es fiel ihr nicht auf, daß auf den Aufträgen nicht die kl Partei, sondern die Firma T.-Sport als Auitragnehmerin aufschien. Mit Telefax vom 23. 7. 1992 ersuchte die kl Partei die erstbekl Partei wiederum unter Zitierung der beiden Aufträge um Bestätigung, daß das zwei Tage vorher übersandte Muster des bestellten Schuhmodells in Ordnung gehe. Eine bei der erstbekl Partei als Einkaufssachbearbeiterin beschäftigte Arbeitnehmerin erteilte diese Bestätigung, nachdem sie an Hand der Aufträge überprüft hatte, welche Schuhe bestellt worden waren.
Am 14. oder 15. 10. 1992 wurden der erstbekl Partei die bestellten Schuhe geliefert und den an die Firma T.-Sport erteilten Aufträgen zugeordnet. Die danach eintreffende Rechnung der kl Partei wurde vorläufig beiseite gelegt, weil in den schriftlichen Aufträgen nicht sie, sondern die Firma T.-Sport als Auftragnehmer aufschien. Kurz darauf meldete sich Gerhard J. bei einer bei der erstbekl Partei in der Buchhaltung tätigen Arbeitnehmerin, die für die Bezahlung der Wareneingangsrechnungen zuständig war. Er teilte ihr mit, daß er bei der kl Partei produzieren habe lassen und deren Rechnung zur Warenlieferung der Firma T.-Sport gehöre. Er ersuchte sie, ihm einen Scheck über den Rechnungsbetrag zu schicken. Diesem Ersuchen kam die Arbeitnehmerin der erstbekl Partei nach, wobei sie auf dem Verrechnungsscheck als Verwendungszweck die Rechnung der kl Partei anführte. Gerhard J., der bis 1992 für die kl Partei und daneben auch für andere italienische Schuherzeuger als selbständiger Handelsvertreter tätig war, hielt den ihm übersandten Verrechnungsscheck wegen eines mit der kl Partei geführten Streits über seine Provisionsansprüche zurück.
Das BerG erkannte infolge Berufung der kl Partei die bekl Parteien zur Zahlung des eingeklagten Betrages schuldig und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.
Die von den bekl Parteien gegen dieses Urteil des BerG wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision ist berechtigt.
Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, daß die für den Erfolg der Klage wesentliche Frage, ob zwischen den Streitteilen ein Kaufvertrag zustande gekommen ist, in erster Linie nach den Bestimmungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf BGB1 1988/ 96 (im folgenden UN-KR) zu lösen ist, weil die Streitteile ihre Niederlassungen in verschiedenen Staaten haben und diese Staaten Vertragsstaaten sind (vgl Art 1 Abs 1 UN-KR).
Gem Art 14 Abs 1 UN-KR stellt unter gewissen weiteren Voraussetzungen der an eine oder mehrere bestimmte Personen gerichtete Vorschlag zum Abschluß eines Vertrages ein Angebot dar. Gem Art 18 Abs 1 UN-KR stellt eine Erklärung oder ein sonstiges Verhalten des Empfängers, das eine Zustimmung zum Angebot ausdrückt, eme Annahme dar. Aus diesen Bestimmungen, aber auch aus allgemeinen vertragsrechtlichen Erwägungen, ergibt sich eindeutig, daß ein Angebot nur vom Empfänger, also von derjenigen Person, an die es gerichtet ist, angenommen werden kann.
Entscheidend ist also, wer Empfänger des von der erstbekl Partei abgegebenen Angebots war. Bei der Lösung dieser Frage ist von Bedeutung, daß Gerhard J. die Tätigkeit eines selbständigen Handelsvertreters ausübte. Diese Tätigkeit besteht gem Par. 84 Abs 1 d HGB, der gem Par. 36 IPRG maßgebend ist, darin, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen (ähnlich der hier noch geltende Par. 1 Abs 1 HVG 1921 und nunmehr Par. 1 Abs 1 HVG 1993). Der Abschluß von Rechtsgeschäften im eigenen Namen gehört hingegen nicht zur Tätigkeit eines Handelsvertreters (vgl Schröder in Schlegelberger, HGB5, 360).
Umfaßt aber die Tätigkeit eines selbständigen Handelsvertreters bloß die Vermittlung und den Abschluß von Rechtsgeschäften im Verhältnis zu einem Dritten, so folgt daraus, daß Empfänger eines ihm übermittelten Angebots nicht der Handelsvertreter selbst sein kann, weil die Annahme des Angebots nicht in seinen Aufgabenkreis fällt. Derjenige, der das Angebot abgibt, muß vielmehr davon ausgehen, daß der Handelsvertreter es an einen Dritten weiterleiten wird, weshalb dieser auch als Empfänger des Angebots anzusehen ist.
In dem zu entscheidenden Fall kommt es also darauf an, ob die erstbekl Partei ihr Angebot einem selbständigen Handelsvertreter übermittelt hat und ob ihr dies bekannt war. Sie durfte dann nämlich diesen Handelsvertreter nicht als Partner des Vertrages über den Kauf der Schuhe ansehen, sondern mußte davon ausgehen, daß der Vertrag mit demjenigen Unternehmer zustandegekommen ist, an den ihr Angebot weitergeleitet wurde. Dies war hier aber für die erstbekl Partei erkennbar die kl Partei.
Sollte das Angebot der erstbekl Partei hingegen nicht an einen selbständigen Handelsvertreter übermittelt worden oder ihr dies nicht bekanntgewesen sein, so wäre mit der kl Partei ein Vertrag nicht zustandegekommen. Die kl Partei hätte dann nämlich entgegen der Meinung des BerG durch ihr Verhalten das von der erstbekl Partei gestellte Angebot nicht annehmen können, weil diese davon ausgehen durfte, daß sie ihr Angebot ausschließlich an die Firma T. gerichtet hat und die kl Partei daher nicht Empfänger dieses Angebots war.
In Betracht käme dann nur, daß die kl Partei durch das vom ErstG festgestellte Verhalten ihrerseits an die erstbekl Partei ein Angebot gerichtet hat, das diese durch das ihr zuzurechnende Verhalten ihrer Arbeitnehmer annahm. Dies ist hier aber schon deshalb zu verneinen, weil gem Art 14 Abs 1 UN-KR ein wirksames Angebot erfordert, daß der Vorschlag bestimmt genug ist und den Willen des Anbietenden zum Ausdruck bringt, im Falle der Annahme gebunden zu sein, wobei ein Vorschlag bestimmt genug ist, wenn er die Ware bezeichnet und ausdrücklich oder stillschweigend die Menge und den Preis festsetzt oder deren Festsetzung ermöglicht. Diesen Erfordernissen entsprach aber das vom ErstG festgestellte, der kl Partei zuzurechnende Verhalten nicht. Aber selbst wenn man annähme, daß durch die für die kl Partei abgegebenen Erklärungen auf das von der erstbekl Partei gestellte Angebot Bezug genommen wurde und der Inhalt dieses Angebots daher mittelbar zum Inhalt des Vorschlags der kl Partei geworden war, würde dies nichts ändern, weil dies für die Arbeitnehmer der erstbekl Partei nicht erkennbar war. Diese durften vielmehr davon ausgehen, daß sich die für die kl Partei abgegebenen Erklärungen auf den Vertrag bezogen, der auf Grund des von der erstbekl Partei gestellten, an die Firma T. gerichteten Angebots zustandegekommen war, und konnten nicht ohne weiteres annehmen, daß die kl Partei ihrerseits ein Angebot auf Abschluß eines (neuen) Vertrages stellen wollte. Lag aber kein Angebot der kl Partei vor, so muß auch nicht, wie das BerG meinte, geprüft werden, ob aus dem Verhalten der für die erstbekl Partei handelnden Personen gegebenenfalls die Annahme eines Angebots abzuleiten wäre.
Im fortzusetzenden Verfahren wird das ErstG daher zu klären haben, ob unter der Firma "T." die Tätigkeit eines selbständigen Handelsvertreters ausgeübt wurde und ob dies der erstbekl Partei bekannt war. In diesem Fall wäre das Klagebegehren nach dem Gesagten berechtigt, anderenfalls wäre es abzuweisen, weil die kl Partei den ihr obliegenden Beweis nicht erbracht hätte, daß der Kaufvertrag, aus dem sie die eingeklagte Forderung ableitet, mit der erstbekl Partei zustande gekommen ist.
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Source
Published in German:
- Juristische Blätter, 1998, 255-256
Commented on by:
- M. Karollus, in Juristische Blätter, 1998, 256-258.}}