Data
- Date:
- 23-01-1997
- Country:
- Arbitral Award
- Number:
- 8611/HV/JK
- Court:
- ICC Court of Arbitration - Paris
- Parties:
- W. v. R.
Keywords
SCOPE OF CISG - DISTRIBUTORSHIP AGREEMENT - NOT COVERED BY CISG - INDIVIDUAL SALES CONTRACTS - CISG APPLICABLE
PRINCIPLE OF GOOD FAITH IN CISG (ART. 7(1) CISG) - RELEVANT AS AN AID IN INTERPRETING CISG ONLY - NO ADDITIONAL DUTIES FOR PARTIES DERIVED FROM ART. 7(1) CISG
COURSE OF DEALINGS BETWEEN PARTIES (ART. 9 CISG) - MAY GIVE RISE TO ADDITIONAL DUTIES FOR PARTIES
RIGHT TO INTEREST (ART. 78 CISG) - INTEREST RATE - DETERMINED BY THE LAW OTHERWISE APPLICABLE TO THE CONTRACT
Abstract
A German seller and a Spanish buyer concluded an agreement pursuant to which the buyer was to be the exclusive distributor in Spain of industrial equipment produced in Germany. Several individual sales contracts were then concluded between the parties. Four years later the German company informed the Spanish buyer that due to the insufficiency of the latter's sales it would sell its products in Spain through another company with whose parent it had recently merged. Thereafter, upon the buyer's refusal to pay for some of the deliveries, the seller filed arbitral proceedings. The buyer counterclaimed damages arising from breach of the exclusive distributorship agreement as well as from lack of conformity of certain products and failure to deliver spare parts.
The sole arbitrator held that CISG was not applicable to the distributorship agreement as such but to the individual sales contracts concluded pursuant to the distributorship agreement.
The sole arbitrator found that the seller had a right to be paid for past deliveries. Furthermore the seller was awarded interest (Art. 78 CISG). Since CISG does not determine the interest rate, the sole arbitrator applied the German statutory interest rate, observing that German law was the law otherwise applicable to the contract and at the same time the law of the country in whose currency payment was to be made.
As to the buyer's claim that the equipment was defective, the sole arbitrator held that the buyer had not provided sufficient evidence of the defects nor that timely and specific notice, as required by the contractual terms and by Art. 39 CISG, had been given.
Finally, the sole arbitrator observed that the principle of good faith mentioned in Art. 7(1) CISG was applicable in the interpretation of CISG only, and was not to be referred to as a source of the parties' rights and duties as concerns the performance of the contract. Therefore, while under German law the mass producer of technical equipment is generally expected to provide spare parts according to the principle of good faith, no implied secondary obligation of the parties derives from the principle of good faith when CISG is applicable.
Nevertheless, in the case at hand, as delivery of spare parts was considered to be a practice established between the parties under Art. 9 CISG, the seller was therefore obliged to comply within a reasonable time (Art. 33(c) CISG in connection with Art. 7(2) CISG).
The buyer was therefore entitled to set-off part of the seller's claim with damages, including lost profits.
Fulltext
In der Schiedssache 8611/HV/JK des Internationalen Schiedsgerichtshofes der Internationalen Handelskammer zwischen der Klägerin W (früher I), Deutschland, und der Beklagten R, Spanien, wegen Klagsforderungen von DM 161.558,82 und bis zur Höhe der Klagsforderungen eingewendeten Gegenforderungen der Beklagten, Zinsen und Kosten hat der Einzelschiedsrichter L, Wien, zu Recht erkannt:
Die Forderungen der Klägerin gegen die Beklagte bestehen in der Höhe von DM 161.558,82 zu Recht. Die eingewendeten Gegenforderungen der Beklagten gegen die Klägerin bestehen in der Höhe von DM 54.500,-- zu Recht. Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin DM 107.058,82 samt 5 % Zinsen ab 1.10.1992 zu zahlen und ihr US-$ 3.333,33 an Schiedsverfahrenskosten sowie DM 2.333,33 an Kosten der Beteiligung der Klägerin am Verfahren zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Kapital, Zinsen und Kosten wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
Mit ihrer Klage vom 24.3.1995 verlangt die Klägerin die Bezahlung einer Reihe von Fakturen aus der Zeit zwischen 12.6.1991 und 2.7.1992 in der Höhe von DM 157.430,27 und Verzugszinsen wegen der verspäteten Zahlung früherer Lieferungen in der Höhe von DM 4.128,55, somit insgesamt DM 161.568,82, sowie der Zinsen hieraus in der Höhe von 13,25 % seit 1.10.1992.
In ihrer Klagebeantwortung vom 12.6.1995 bestreitet die Beklagte zwar nicht, die in den Fakturen der Klägerin angeführten Waren erhalten und nicht bezahlt zu haben bzw. die Verzugszinsen zu schulden, behauptet aber, ihr sei durch das Verhalten der Klägerin ein deren Forderungen übersteigender Schaden zugefügt worden, den sie aufrechnungsweise bis zur Höhe der Forderungen der Klägerin geltend macht.
Am 15.1.1988 ist zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der I, und der Beklagten eine als 'Vertretungsvertrag' bezeichnete Vereinbarung geschlossen worden. Danach hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin der Beklagten für alle I-Produkte mit Ausnahme eines bestimmten Drehschlaghammers das ausschlieîliche Verkaufsrecht für Spanien einschlieîlich Balearen, aber ausschlieîlich Kanarische Inseln, eingeräumt. In der Folge wurden zwischen den Parteien zahlreiche Einzelkäufe getätigt.
Der Vertrag enthält in seinem Par. 13 folgende Klausel: 'Unstimmigkeiten werden gemäî den Bestimmungen der Internationalen Handelskammer geregelt. Gerichtsstand ist A.' Bei der in A am 24.7.1996 durchgeführten mündlichen Verhandlung haben die Parteienvertreter folgende Erklärung unterschrieben:
Die Parteien erklären übereinstimmend, daî mit Bestimmungen der Internationalen Handelskammer' in Punkt 13 des Vertrages vom 25.1.1988 die Schiedsgerichtsbarkeit des Internationalen Schiedsgerichtshofes der Internationalen Handelskammer gemeint ist und daî sie sich dieser Schiedsgerichtsbarkeit sowohl für die Streitigkeiten aus diesem Vertretungsvertrag als auch für alle Streitigkeiten aus den daraufhin getätigten einzelnen Käufen unterwerfen.
Der Vertrag enthält auîerdem die folgenden für dieses Verfahren bedeutsamen Bestimmungen:
Par. 4 Abs. 2: 'I beliefert keine anderen Firmen in Spanien mit seinen Produkten.' Par. 8 Abs. 4: 'Zahlungsziel: 120 Tage ab Rechnungsdatum, 90 Tage ab Lieferdatum abzüglich 2 % Skonto.' Par. 10: 'Dieser Vertrag hat eine Laufzeit bis 31.12.1990, beginnend ab 1.4.1988 und verlängert sich automatisch um jeweils ein weiteres Jahr, sofern er nicht vorher von einer der beiden Vertragsparteien schriftlich gekündigt wird.' Par. 11: 'a) I kann zum jeweiligen Jahresende den Vertrag kündigen, wenn folgende Netto-Einkaufswerte nicht erreicht werden:
1988 DM 750.000,-
1989 DM 1,000.000,-
1990 DM 1,000.000,-
Der Vertrag endet dann 6 Monate nach Ablauf des betreffenden Jahres.
b) Für die Kündigung nach 3 Jahren ist keine Begründung notwendig; die Kündigungsfrist beträgt dann 6 Monate.
c) Der Vertrag kann von jeder Partei jederzeit fristlos gekündigt werden, wenn folgende schwerwiegende Gründe vorliegen:
1. Konkurs, Zahlungsunfähigkeit oder Liquidation eines Vertragspartners;
2. Vertragsbruch durch einen der beiden Partner.' Par. 15: 'Die Vertragssprache ist Deutsch.'
Am 8.1.1992 teilte die Klägerin der Beklagten mit, daî sie in Zukunft nicht mehr den spanischen Markt von I-Produkten für die Beklagte schützen könne. Begründet wurde dies damit, daî die Beklagte im Jahre 1991 nur Waren im Wert von 203.000,-- DM bei I bezogen habe. Das sei ungefähr die Hälfte ihrer Einkäufe im Jahre 1990 und liege weit hinter den Erwartungen der Klägerin zurück. Da auîerdem I seit November 1991 der Gruppe W angehöre, werde in Zukunft S Espana (eine andere Firma der selben Gruppe) I-Erzeugnisse verkaufen. Gleichzeitig wurde aber zugesagt, daî weiterhin sämtliche Aufträge der Beklagten erfüllt würden, aber nicht mehr auf Exklusiv-Basis.
Die Beklagte begründet ihre Gegenforderungen damit, daî die Klägerin in Verletzung des Exklusivvertrages über die Firma S den spanischen Markt mit Produkten überschwemmt sowie bestellte Ware nicht geliefert habe; sie habe auch mangelhafte Ware geliefert und nicht zurückgenommen, für ihre Produkte benötigte Ersatzteile nicht geliefert oder diese Produkte nicht aktualisiert.
Für die Rechte und Pflichten aus dem Alleinvertretungsvertrag ist zunächst dieser selbst maîgebend; für darin nicht geregelte Fragen hat der Schiedsrichter das Recht anzuwenden, das sich aus den von ihm für geeignet erachteten Kollisionsnormen ergibt (Artikel 13 Absatz 3 der Verfahrensordnung). Vertragssprache ist Deutsch; die Parteien haben als Schiedsort den in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Sitz der Klägerin vereinbart. Es ist daher angezeigt, vom deutschen Kollisionsrecht auszugehen. Par. 28 Absatz 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch in der Fassung des Gesetzes über das internationale Privatrecht vom 25.7.1986, BGBI II 809, stellt die Vermutung auf, daî die engste Verbindung eines vertraglichen Schuldverhältnisses mit dem Staat besteht, in dem die Partei, welche die charakteristische (d.h., die nicht in der Zahlung von Geld bestehende) Leistung zu erbringen hat, ihren Aufenthalt, oder wenn sie eine Gesellschaft oder juristische Person ist, ihre Hauptverwaltung hat. Im vorliegenden Fall ist dies die Bundesrepublik Deutschland und, da nichts gegen diese Vermutung spricht, ist deutsches Recht anzuwenden.
Für die einzelnen Kaufverträge gilt ebenfalls der Vertrag vom 25.1.1985, soweit er Bestimmungen enthält, die diese berühren (Par. 8: Preisbildung und Zahlungsmodalitäten; Par. 12: keine Rücknahmepflicht und Gutschrift für nicht verkaufte Waren nach Beendigung des Vertrages; Par. 13: Streitbereinigung).
Die Klägerin hat behauptet, daî jeder Rechnung ihre Verkaufs- und Lieferbedingungen angeschlossen waren, denen die Beklagte nie widersprochen habe. Sie hat zwei verschiedene Exemplare dieser Bedingungen vorgelegt. Aus dem einen ergibt sich nur aus der Anführung der Bankkonten und der Namen der Geschäftsführer vor der Fusion mit W, daî es sich um Bedingungen von I handelt, das andere ist mit 'W S - I' überschrieben und wesentlich ausführlicher. Für Verkäufe vor der Fusion konnte es nicht gebraucht worden sein. Die Klägerin hat über den Zeitpunkt des Wechsels der Formblätter nichts Bestimmtes angeben können.
Auch wenn die Verkaufs- und Lieferbedingungen nicht jeder einzelnen Rechnung angeschlossen worden sein sollten, ist doch mit Sicherheit anzunehmen, daî dies wenigstens von Zeit zu Zeit geschah; schlieîlich wurden sie ja gedruckt, um den Geschäftspartnern bekanntgegeben zu werden. Sie muîten der Beklagten in der alten, möglicherweise auch in der neuen Fassung mitgeteilt worden sein. Daî sie in irgendeinem Punkt widersprochen oder eigene Einkaufsbedingungen übermittelt hätte, hat die Beklagte nicht behauptet.
Für Fragen betreffend die einzelnen Kaufverträge, die nicht im Alleinvertretungsvertrag angesprochen sind, gilt das UN-Übereinkommen vom 11.4.1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf, und zwar für Käufe nach dem 1.8.1991 (Inkrafttreten für Spanien) auf Grund seines Artikels 1 Absatz 1 litera a, für solche zwischen dem 1.1.1991 (Inkrafttreten für Deutschland) und dem 1.8.1991 nach seinem Artikel 1 Absatz 1 litera b, weil aus dem oben angeführten Grund deutsches Recht anzuwenden und dieses für internationale Kaufverträge ab 1.1.1991 das des Übereinkommens war.
Fraglich ist, ob der Anschluî der Verkaufs- und Lieferbedingungen an Lieferungen eine Abweichung vom Angebot darstellte, die die Realannahme zu einer Ablehnung mit Gegenoffert machte, oder ob dies allenfalls die in der Neufassung des Formulars zu Punkt 13 getroffene Rechtswahl auf deutsches Recht tat (Artikel 19 Kaufrechtsübereinkommen, insbesondere dessen Absatz 3; siehe hierzu u.a. v. Caemmerer/ Schlechtriem, CISG, Seite 159 ff, insbesondere Seite 163, Randzahl 9; Herber/ Czerwenka, Internationales Kaufrecht, Seite 101 ff, insbesondere Seite 107, Randzahl 18; Loewe, Internationales Kaufrecht, Seite 43/44). Im vorliegenden Fall ist dieses Problem nur von theoretischer Bedeutung. Sieht man die Abweichungen als wesentliche -nderungen an, so kam der Vertrag mit der Annahme der Lieferung samt der Ausfertigung der Verkaufs- und Lieferbedingungen zustande, waren sie nur unwesentliche -nderungen, so geschah dies nach Artikel 19 Absatz 2 bereits mit der Lieferung. Dies gilt auch nur für die ersten derartigen Übersendungen der Verkaufs- und Lieferbedingungen; dann wurden sie zu Gepflogenheiten, die zwischen den Parteien entstanden waren (Artikel 9 Absatz 1 Kaufrechtsübereinkommen).
Für Streitfragen, die auch nicht nach den allgemeinen Grundsätzen des Kaufrechtsübereinkommens (Artikel 7 Absatz 2) entschieden werden können, ist schlieîlich ebenfalls das interne deutsche Recht maîgebend.
[…]
Da keiner der Gründe des Par. 11 litera c des Vertrages vorlag, konnte die Klägerin diesen nur nach Par. 11 litera b mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten kündigen. Die Beklagte ist somit aus Verschulden der Klägerin für das erste Halbjahr 1992 ihres Alleinverkaufsrechtes verlustig gegangen. Dafür ist die Klägerin schadenersatzpflichtig. Vermögensschäden sind nach Maîgabe der Parr. 249 - 252 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches zu ersetzen (Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch 54. Aufl., München 1995, Vorbemerkungen zu Par. 249, Seite 253 Randzahl 7). Nach Par. 253 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches ist auch der entgangene Gewinn zu ersetzen, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
Die Beklagte hat in den ersten 3 3/4 Jahren der Vertragsdauer Waren der Klägerin im Wert von etwa 700.000,-- DM geliefert erhalten, davon solche von etwa 400.000,-- DM im Jahre 1990 und von etwa 200.000,-- DM im Jahre 1991. Im ersten Halbjahr 1992 hat die Beklagte von der Klägerin Waren im Wert von ungefähr 100.000,-- DM bezogen. Es ergibt sich nun die Frage, um wieviel Waren sie hätte mehr beziehen und verkaufen können, wenn ihr nicht durch die Firma S ein Konkurrent entstanden wäre. Der Beklagten war eine Beweisführung schon mangels Einsichtsmöglichkeit in die Unterlagen der Firma S verwehrt. Auch die Klägerin hat sich zum Umsatz der Firma S nicht geäuîert. Darüber hinaus ist zu bedenken, daî einerseits die Beklagte eine aufwendige Werbung für I-Produkte betrieben hatte und ihre Verkäufe von Waren der Klägerin nach einer graphischen Darstellung gegen Jahresende 1991 rasant angestiegen waren, andererseits die Firma S durch ihre zahlreichen Filialen in Spanien vermutlich mit I-Geräten Umsätze gemacht hat, die die Beklagte nicht hätte erzielen können.
Der Schiedsrichter muî daher auf Grund der ihm bekannten Daten und unter Annahme eines angemessenen Geschäftsverlaufes den Schaden nach seiner freien Überzeugung beurteilen (vgl. Par. 287 der deutschen Zivilprozeîordnung). Es ist anzunehmen, daî die Umsätze der Beklagten an I-Produkten die aus dem besten Verkaufsjahr, nämlich 1990, erreicht, daî sie sie aber nicht überschritten hätten. Damals hat die Beklagte von der Klägerin Waren um etwa 400.000,-- DM umgesetzt. Das bedeutet Waren im Wert von etwa 200.000,-- DM im Halbjahr. Im ersten Halbjahr 1992 wurden dagegen nur Waren im Wert von etwa 100.000,-- DM bezogen. In der Verhandlung am 24.7.1996 hat die Beklagte behauptet, bei den I-Produkten einen Reingewinn von 18 bis 20 % erzielt zu haben. Bewiesen hat sie dies allerdings nicht. Die Klägerin hat hingegen einen Nettogewinn der Beklagten von nicht mehr als 15 % nicht bestritten. Der Beklagten erwächst somit aus der nicht ordnungsgemäîen Kündigung des Alleinvertretungsvertrages eine Gegenforderung von 15.000,-- DM.
Nach dem 2.7.1992 wurden von der Klägerin Bestellungen der Beklagten nicht mehr entgegengenommen, weil in der Zwischenzeit die weiter oben erwähnten Forderungen für Warenlieferungen der Klägerin an die Beklagte nicht bezahlt wurden.
Die Beklagte will weiters mit Schäden aufrechnen, die ihr durch Lieferung mangelhafter Maschinen entstanden sind. Diesbezüglich behauptet sie, daî sie Mängel groîteils sofort angezeigt habe, und zwar schriftlich, später auch erst zu dem Zeitpunkt, an dem sie von Kunden von dem Mangel erfahren hat. Es gebe auch Mängelreklamationen, die von der Klägerin nicht erledigt wurden. Die Beklagte habe da nicht mehr geschrieben, weil sie die Sache im Schiedsverfahren geltend machen wollte. Die Klägerin behauptet hingegen, daî sie die einzelnen Reklamationen, soweit sie sie erhalten hat, jeweils behandelt hat. Die Reklamationen hätten auch nur einen geringfügigen Teil der Produktpalette betroffen.
Ein Brief mit einer Liste von 2.265 verkauften und 51 an die Klägerin zurückgeschickten Geräten wurde am 3.12.1992, also etwa 5 Monate, nachdem diese ihre Lieferungen eingestellt hatte, an die Klägerin gesandt. Diesem Brief war auch eine Notariatsurkunde des Notars D. vom 16.11.1992 angeschlossen, wonach dieser ein Inventar überprüft hatte, das von der Klägerin gelieferte und im Lager der Beklagten vorhandene Waren im angeblichen Wert von 100.000,-- DM umfaîte. Der Notar hat nicht überprüft und konnte nicht überprüfen, ob diese Waren mangelhaft waren oder nicht und warum sie nicht verkauft wurden oder nicht verkauft werden konnten. Schlieîlich hat die Klägerin ein Konvolut von Gutschriften in der Höhe von insgesamt 7,693.487 Pesetas vorgelegt, die Kunden angeblich wegen mangelhafter, von der Klägerin stammender Waren erteilt wurden. Es handelt sich um von der Beklagten einseitig verfaîte Schriftstücke, deren Echtheit und Richtigkeit nur allenfalls durch Vernehmung der 105 Kunden dargetan werden könnte. Wie oben angeführt, wurden Zeugenvernehmungen nicht beantragt.
Über Mängel und Mängelrügen sagen die Verkaufs- und Lieferbedingungen in Punkt 5 der alten Fassung:
'Das Vorhandensein von Mängeln berechtigt nicht zur Zurückhaltung von Zahlungen. Die Aufrechnung mit Gegenansprüchen ist ausgeschlossen. Für die Zulässigkeit und Wirksamkeit etwaiger Mängelrügen gelten die gesetzlichen Vorschriften. Beanstandungen begründen Gewährleistungsansprüche nur, wenn der Käufer die sachgemäîe Verwendung des gelieferten Gerätes oder Werkzeuges bis zur Erhebung der Mängelrüge nachweist und uns unbeschränkt Gelegenheit zur Uberprüfung der noch vorhandenen Geräte und der verwendeten Werkzeuge gibt.'
Die Punkte betreffend Gewährleistung in der Neufassung der Verkaufs- und Lieferbedingungen lauten:
'6.1 Rügen wegen Sachmängeln, Falschlieferungen und Mengenabweichungen, die durch zumutbare Untersuchungen der Ware feststellbar sind, können nur innerhalb von 8 Tagen nach Ankunft der Ware am Bestimmungsort schriftlich geltend gemacht werden. Zeigt sich ein Mangel später, so muî die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden. Befindet sich die Ware nicht mehr in dem Zustand der Ablieferung, so hat der Käufer zu beweisen, daî der Mangel bereits im Zeitpunkt der Ablieferung vorgelegen hat. Bei wesentlichen Eingriffen oder -nderungen an der Ware ist die Geltendmachung von Mängelrügen ausgeschlossen. Ferner sind Mängelrügen ausgeschlossen, wenn ausdrücklich oder stillschweigend auf die Untersuchung der Ware verzichtet worden ist. 6.2 Durch Verhandlungen verzichten wir nicht auf die Verspätungseinrede.'
Hinsichtlich der alten Fassung (für die Zulässigkeit und die Wirksamkeit der Mängelrüge), aber auch der neuen Fassung (für den Inhalt der Mängelrüge) ist zumindest subsidiär Artikel 39 Absatz 1 des Kaufrechtsübereinkommens anzuwenden. Danach ist der Mangel innerhalb angemessener Frist nach dem Zeitpunkt, an dem ihn der Käufer festgestellt hat oder hätte feststellen müssen, anzuzeigen und dabei die Art der Vertragswidrigkeit genau zu bezeichnen.
Auch im Schiedsverfahren hat die Beklagte überhaupt keine konkreten Mängel an bestimmten, näher bezeichneten Waren behauptet oder gar bewiesen, noch hat sie bewiesen, daî sie diese Mängel entsprechend gerügt hat. Es spielt daher auch keine Rolle, für welche Waren das Aufrechnungsverbot der alten Fassung der Verkaufs- und Lieferbedingungen relevant oder nicht relevant war. Aus Mängeln der gelieferten Waren erwachsen der Beklagten keine Schadenersatzansprüche, dies umso weniger, als sie auch weder behauptet noch bewiesen hat, daî sie eine vernünftige Entschuldigung für die Unterlassung der erforderlichen Anzeige besessen hätte (Artikel 44 Kaufrechtsübereinkommen). Damit ist auch die Frage nach der Wirksamkeit des Aufrechnungsverbotes in der älteren Fassung der Verkaufs- und Lieferbedingungen gegenstandslos.
Die Beklagte hat mehrmals die Lieferung von Ersatzteilen für von der Klägerin an sie gelieferte und von ihr verkaufte Maschinen urgiert. In einem Brief an die Klägerin vom 16.7.1991, dessen Absendung die Klägerin für möglich erachtet, den sie allerdings behauptet, in ihren Akten nicht finden zu können, heiît es:
[…]
Gemeint ist jedenfalls, daî die Beklagte gewisse Lieferungen nicht bezahlen werde, bevor die Klägerin nicht angeforderte Ersatzteile, aber auch aktualisierte Maschinen liefert.
Die Beklagte war offensichtlich immer der Meinung, daî die Klägerin für die ihr verkauften Geräte laufend Ersatzteile zu liefern habe. Die Klägerin selbst hat in der Verhandlung vom 24.7.1996 zugegeben, verpflichtet gewesen zu sein, für gelieferte Waren noch sieben Jahre lang Ersatzteile zu liefern. Die Klägerin hätte diese Lieferungen auch vorgenommen, wenn die beklagte Partei die zahlreichen offenen Rechnungen bezahlt hätte. Selbst für Geräte, die die Klägerin nicht mehr produziert, werden eigens noch Ersatzteile hergestellt und in einem Lager aufbewahrt, um die Kunden mit solchen Ersatzteilen versorgen zu können.
Nach der deutscher Literatur und Judikatur zu Par. 433 des Bürgerlichen Gesetzbuches trifft den Hersteller von Kraftfahrzeugen, Maschinen und technischen Geräten, die serienmäîig erzeugt werden, auch ohne besondere Vereinbarung, aber nur für eine gewisse Zeit, die Nebenpflicht, Ersatzteile zur Belieferung der Kunden bereit zu halten; dies ergebe sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben des Par. 242 Bürgerliches Gesetzbuch, in manchen Fällen aber auch aus Par. 26 Absatz 2 des Gesetzes über Wettbewerbsbeschränkungen (siehe u.a. Kühne, Der Betriebsberater 1986, Seite 1527 ff). Ob im Kaufrechtsübereinkommen die Pflichten des Verkäufers erschöpfend aufgezählt sind und daher für nationales Recht (einschlieîlich Judikatur) kein Raum bleibt, oder ob es sich bei der Pflicht zur Lieferung von Ersatzteilen um eine im Kaufrechtsübereinkommen nicht ausdrücklich entschiedene Frage handelt, die letztlich nach dem anzuwendenden nationalen Recht zu beurteilen wäre, ist hier nicht relevant. Aus der 'Förderung des guten Glaubens' in Artikel 7 Absatz 1 Kaufrechtsübereinkommen lassen sich keine Nebenpflichten ableiten, denn diese Bestimmung betrifft nur die Auslegung des Übereinkommens (wie bei Loewe a.a.O. Seite 33 vorausgesehen, vertritt vor allem die amerikanische, aber auch die deutsche Literatur zum Kaufrechtsübereinkommen, z.B. v. Caemmerer/ Schlechtriem a.a.O. Seiten 90 - 92 Randzahlen 17 - 26, desgleichen Herber/ Czerwenka a.a.O. Seite 48 Randzahl 6, eine andere Meinung; sie geht aber nicht so weit, alle aus Par. 242 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches abgeleiteten Nebenpflichten auch als durch Artikel 7 Absatz 1 Kaufrechtsübereinkommen begründet zu erachten; im wesentlichen auf die Auslegung eingeschränkt hingegen Enderlein/ Maskow/ Stargardt, Kaufrechtskonvention der UNO, Seite 47 Randzahl 5).
Aber im Verhältnis zwischen den Parteien war die prompte Lieferung von Ersatzteilen für verkaufte Maschinen eine Gepflogenheit im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 Kaufrechtsübereinkommen, an die die Klägerin gebunden war.
Nach Artikel 33 litera c Kaufrechtsübereinkommen hat der Verkäufer innerhalb einer angemessenen Frist nach Vertragsabschluî zu liefern. Für die auf Gepflogenheit beruhende Pflicht zur Nachlieferung von Ersatzteilen läît sich aus Artikel 7 Absatz 2 ableiten, daî diese jeweils innerhalb einer angemessenen Frist nach Einlangen der Bestellung beim Verkäufer zu erfüllen war. Aus dem Wortlaut des Briefes vom 16.7.1991 ist zu entnehmen, daî die Klägerin dieser ihrer Pflicht in vielen Fällen gar nicht oder nicht in angemessener Frist nachgekommen ist, und zwar bevor die Beklagte in einen die Nichterfüllung nach Artikel 71 Absatz 1 litera b rechtfertigenden Zahlungsverzug geraten war. Das macht sie nach Artikel 74 Kaufrechtsübereinkommen bis zur Höhe des Verlustes, einschlieîlich des entgangenen Gewinnes, insoweit schadenersatzpflichtig, als sie Schäden als mögliche Folge der Vertragsverletzung hätte voraussehen müssen.
Da dem Schiedsrichter glaubwürdige Unterlagen über Anzahl und Wert der wegen Nichtlieferung von Ersatzteilen von den Kunden zurückgegebenen, unbezahlt gebliebenen oder unverkäuflich gewordenen Maschinen nicht vorliegen, muî er wieder den Schaden nach der aus den Umständen des Falles gewonnenen freien Überzeugung beurteilen.
Immerhin hat die Beklagte nur behauptet (Seite 2 der Klagebeantwortung), daî im Jahre 1991 solche Schäden entstanden seien. Der Brief vom 16.7.1991 kann sich nur auf das erste Halbjahr beziehen, also auf Geräte im Wert von insgesamt etwa DM 100.000,--. Wenn man der Beklagten zubilligt, daî ein Viertel dieser Waren für sie wertlos geworden ist, so macht das DM 25.000,-- + 15 % entgangenen Gewinns, sohin insgesamt DM 28.750,--. Auîerdem beschwert sich die Beklagte darüber, daî sie Peseten 5,410.428,-- (entspricht etwa DM 60.000) für Kundenwerbung ausgegeben, ein Kundennetz von 1.100 Abnehmern aufgebaut, aber zahlreiche Kunden wieder durch das Verschulden der Klägerin, nämlich Nichtlieferung von Ersatzteilen, verloren habe. Auch das hätte für die Klägerin voraussehbar sein müssen. Dabei ist zu berücksichtigen, daî die Beklagte ja nicht damit rechnen konnte, von der Klägerin auf ewig beliefert zu werden, daî aber andererseits wohl auch Kunden, denen keine Ersatzteile für I-Produkte geliefert werden konnten, als Abnehmer für andere Waren verloren gingen. Von den nach Jahren aufgegliederten Werbungskosten müssen allerdings jene für das letzte Drittel 1991 und jene für 1992 abgezogen werden, nicht mit Ersatzteilen; dies ergibt sich für die Lieferung ganzer Geräte schon aus der mangelnden (auch im Vertretungsvertrag nicht vorgesehenen) Verpflichtung, Kaufangebote anzunehmen (vgl. Artikel 18 Absatz 1 Kaufrechtsübereinkommen), für Einzelteile aus dem Erlöschen der oben angeführten Gepflogenheit, die ja auch die prompte Bezahlung der Ersatzteile umfaîte. In beiden Fällen bedurfte es - trotz der Lieferzusage im Schreiben vom 8.1.1992 - keiner Erklärung nach Artikel 71 Absatz 3 Kaufrechtsübereinkommen.
Die so auszuscheidenden Werbungskosten belaufen sich auf etwa Peseten 1,500.000,-- oder DM 17.000,--. Man kann davon ausgehen, daî die Beklagte auch ein Viertel des mit Werbungskosten in der Höhe von DM 43.000,-- erworbenen Kundenstocks und daher einen Werbungsaufwand von DM 10.750,-- verloren hat.
Was die Aktualisierung von gelieferten Maschinen anlangt, die auch in dem Schreiben vom 16.7.1991 erwähnt wird, kann kein Grund gefunden werden, aus dem die Klägerin zu derartigem verpflichtet und mangels Erfüllung dieser Pflicht zu Schadenersatz zu verhalten wäre.
Die berechtigten Forderungen der Klägerin mindern sich durch Aufrechnung um insgesamt DM 54.500,-- auf DM 107.058,82.
Die Klägerin begehrt für den zuzusprechenden Betrag Zinsen in der Höhe von 13,25 % ab 1.10.1992. Der Fälligkeitstag (Artikel 78 Kaufrechtsübereinkommen) einzelner Rechnungen liegt zwar vor diesem Datum, doch kann der Schiedsrichter nicht Begehrtes auch nicht zusprechen. Für die Zinsenzahlung scheidet die - von der Beklagten anerkannte - Forderung für Verzugszinsen aus früheren Käufen von DM 4.128,55 zwar aus, weil dies zu Zinseszinsen führen würde, die in Artikel 78 Kaufrechtsübereinkommen nicht vorgesehen sind und durch Par. 289 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches und Par. 353 des Handelsgesetzbuches ausdrücklich nicht gewährt werden. Diese Forderung wird aber als die älteste infolge des Grundsatzes des deutschen Rechts, wonach die Folgen der Aufrechnung mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt eintreten, an dem sich die Forderungen erstmals gegenüberstanden (Heinrichs in Palandt a.a.O. zu Par. 389, Seite 453 Randzahl 1) von der Aufrechnung als erste erfaît.
Was den Zinssatz anlangt, so sehen die Verkaufs- und Lieferbedingungen in der ersten Fassung einen solchen in der Höhe von 2 % über den von der Hausbank der Klägerin berechneten Bankzinsen, in der zweiten Fassung von jenen, wie sie oder Banken für Kontokurrentkredite in Anspruch nehmen, aber mindestens 2 % über dem jeweiligen Landeszentralbankdiskont, vor. Die Klägerin hat innerhalb der ihr diesbezüglich gestellten Frist keinerlei Nachweise über die Höhe dieser Bankzinsen vorgelegt. Es ist nicht Sache des Schiedsrichters, selbst Erhebungen darüber anzustellen. Auf eine nach Ablauf der Frist vorgelegte Bankbestätigung kann nicht mehr Bezug genommen werden. Da Artikel 78 Kaufrechtsübereinkommen den Zinsfuî aus naheliegenden Gründen nicht festlegt, kommt das Sachstatut, allenfalls in besonderen Situationen das Währungsstatut, zur Anwendung. Beides ist das deutsche Recht, das in seinem Par. 352 Handelsgesetzbuch für Handelsgeschäfte die Zinsen mit 5 % bestimmt.
Die Klägerin hat mit etwa zwei Drittel, die Beklagte mit etwa einem Drittel ihres Begehrens obsiegt. Die Beklagte hat daher der Klägerin ein Sechstel der von beiden Parteien je zur Hälfte gedeckten und mit US-$ 20.000,-- festgesetzten Kosten des Schiedsverfahrens und ein Drittel der Kosten der Beteiligung der Klägerin am Schiedsverfahren zu ersetzen. Diese Kosten wurden von der Klägerin mit DM 7.000,-- angegeben, was im Hinblick auf Streitwert und Aufwand angemessen erscheint.}}
Source
Original in German:
- Unpublished
Source:
- Prof. Dr. Roland Loewe, Sektionschef in Bundesministerium für Justiz, I. R, Wien, Austria}}