Data
- Date:
- 25-06-1996
- Country:
- Germany
- Number:
- 7 O 147/94
- Court:
- Landgericht Paderborn
- Parties:
- Unknown
Keywords
CONFORMITY OF GOODS - CONFORMITY TO CONTRACTUAL SPECIFICATIONS
LACK OF CONFORMITY - EXAMINATION (ART. 38(1) CISG) - BUYER NOT BOUND TO MAKE SPECIAL EXAMINATIONS
Abstract
A French seller and a German buyer concluded a contract for the delivery of plastic (PVC) to be used by the buyer for the manufacture of its products (blinds' components). The buyer then sold its products to a third party (manufacturer of blinds). Further to customers' complaints that some of the blinds did not effectively shade the sunlight, the third party claimed damages from the buyer. As a result, the buyer paid only part of the purchase price for the PVC. The seller commenced an action to recover full payment and the buyer counterclaimed set-off with damages for lack of conformity.
The Court ascertained that one type of the delivered PVC contained a lower percentage of a certain substance than the percentage agreed upon in the contract, which would have been sufficient to manufacture non-defective blinds. The seller had therefore breached its obligation to deliver conforming goods. Moreover, the buyer had not lost its right to rely on the lack of conformity by failing to examine the PVC and give notice of the lack of conformity to the seller before receiving its own customers' complaints (Arts. 38(1) and 39(1) CISG). The defective composition of the PVC could only be discovered by virtue of special chemical analyses, which the buyer was not bound to have made.
Since the buyer would not have suffered a loss if the PVC had conformed to the contractual specifications the buyer was awarded the right to set-off its claim for damages with the seller's claim for the rest of payment.
Fulltext
[...]
T a t b e s t a n d:
Die Beklagte wird von der Klägerin auf Zahlung von Kaufpreis in Anspruch genommen.
Die Klägerin lieferte der Beklagten im Jahre 1993 und Anfang 1994 mehrfach Kunststoffharzgranulat (PVC), aus dem die Beklagte Rolladenstäbe produzierte. Die Granulate wurden in den Farben grau, beige und weiß geliefert. Die von der Klägerin erteilten Rechnungen sind von der Beklagten nicht in voller Höhe ausgeglichen worden. Im einzelnen stehen die folgenden Beträge offen:
[...]
Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe den Ausgleich der noch offenen Beträge mehrfach zugesagt.
Insbesondere bei einem Telefonat am 9.3.1994 habe die Mitarbeiterin (x) der Beklagten die Forderung anerkannt und die Übersendung eines Schecks zugesagt. Bereits aufgrund dieses Anerkenntnisses sei die Beklagte zur Zahlung verpflichtet.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 22.437,66 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 9.3.1994 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, es treffe nicht zu, daß sie die Bezahlung der offenen Beträge zugesagt habe. Im übrigen sei ein mündliches Zahlungsversprechen auch kein rechtlich wirksames Anerkenntnis, da gemäß Art. 28 EGBGB i.V.m. Art. 1326 Code Civil ein Anerkenntnis vollständig handschriftlich abgefaßt und unter schrieben sein müsse.
Die geltend gemachte Forderung stehe der Klägerin schon deshalb nicht zu, weil sie den Abschluß entsprechender Lieferverträge nicht schlüssig dargelegt habe.
Hilfsweise werde gegenüber dem Klageanspruch mit einer Schadensersatzforderung aufgerechnet. Das gemäß den Rechnungen der Klägerin vom 5.10.1993 und vom 9.11.1993 gelieferte Granulat der Farbe 'blanc' (5.295 kg und 6.497 kg) habe nicht dem vereinbarten Muster entsprochen. Es sei vereinbart gewesen, daß das Material so beschaffen sein müßte wie das Granulat der früheren Lieferantin der Beklagten, nämlich der Firma X in (x). Diesen vereinbarten Anforderungen habe das von der Klägerin gelieferte Material indessen nicht entsprochen. Sie, die Beklagte, habe aus dem Material Rolladenstäbe produziert, die sie an die Firma Y in (x) geliefert habe. Die Firma Y habe daraus Rolladenpanzer hergestellt und diese in verschiedene Bauvorhaben eingebaut. Es habe sich dann herausgestellt, daß die aus weißen Stäben hergestellten Rolläden im geschlossenen Zustand nicht lichtundurchlässig gewesen seien, sondern daß insbesondere bei Sonnenschein das Licht rot durchgeschimmert habe. Ursächlich dafür sei, daß das von der Klägerin gelieferte Granulat zu wenig Titandioxyd enthalten habe.
Die Firma Y habe die Rolläden bei den betreffenden Bauvorhaben ausbauen müssen und sie, die Beklagte, mit den entstandenen Kosten belastet und im übrigen die noch nicht verarbeiteten mangelhaften Stäbe gegen Rückbelastung zurückgegeben. Diese durch die berechtigte Reklamation entstandenen Kosten und die durch Beschaffung neuen mangelfreien Materials entstandenen Mehrkosten habe die Klägerin im Wege des Schadensersatzes zu erstatten. Der Schaden belaufe sich im einzelnen auf:
- 24.286,85 DM Belastung durch die Firma Y gemäß deren Schreiben vom 27.06.l994 (Bl. 63 d.A.)
- 1.919,35 DM Rechnung der Firma Y vom 21.03.1994 über Schadensfeststellung vor Ort (B1. 66 d.A.)
- 356,50 DM Rechnung der Firma Y vom 5.7.1994 über das Zurückholen der mangelhaften Stäbe (B1. 67 d.A.)
- 1.365,00 DM Mehrkosten der Neubeschaffung von 5.250 kg Granulat 'weiß' bei der Lieferantin Firma Z (Mehrpreis 0,26 DM/kg)
Summe: 27.927,70 DM
Mit dem ihr, der Beklagten, zustehenden Schadensersatzanspruch in dieser Höhe werde aufgerechnet.
Hilfsweise mache sie hinsichtlich der Lieferung des mangelhaften Granulats der Farbe 'blanc' gemäß Art. 50 CISG Minderung auf '0' geltend. Für den Fall, daß die Aufrechnung nicht zulässig sei oder nicht durchgreife, mache sie in Höhe eines der Klageforderung entsprechenden Teilbetrages ihren Schadensersatzanspruch im Wege der Hilfswiderklage geltend.
Die Klägerin erwidert, das telefonisch erklärte Anerkenntnis sei rechtswirksam, da die Schriftform des Anerkenntnisses gemäß Art. 1326 Code Civil gemäß Art. 109 des franz. Code du Commerce nicht für beiderseitige Handelsgeschäfte gelte.
Es treffe nicht zu, daß das von ihr, der Klägerin, gelieferte Granulat zu wenig Titandioxyd enthalte. Der Anteil an Titandioxyd betrage 6 % und das sei als Schutz gegen Durchscheinen von Licht völlig ausreichend. Sofern überhaupt, was bestritten werde, Licht durchscheine, beruhe das darauf, daß die Beklagte die Profile zu dünn extrudiert habe.
Im übrigen sei die Beklagte auch ihrer Obliegenheit zur unverzüglichen Untersuchung und Rüge nicht nachgekommen.
Vorsorglich werde auch die Höhe des geltend gemachten Schadens bestritten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das von dem Sachverständigen Prof. Dipl.-Ing. (I.) unter dem 7.5.1996 erstattete Gutachten verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist nicht begründet.
Daß der Klägerin rechnerisch aus den von ihr erteilten Rechnungen noch der geltend gemachte restliche Kaufpreisanspruch in Höhe von 22.437,66 DM zusteht, wird von der Beklagten nicht bestritten. Dieser Anspruch ist allerdings durch Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch der Beklagten nach den Art. 45 Abs. 1 b, 74 CISG erloschen.
Zunächst ist festzustellen, daß es einer Beweiserhebung über das von der Klägerin behauptete und von der Beklagten bestrittene Zahlungsversprechen nicht bedarf. Wenn eine Mitarbeiterin der Beklagten, wie die Klägerin behauptet, am 9.3.1994 telefonisch zugesagt hat, die Forderung unverzüglich durch die Übersendung eines Schecks auszugleichen, dann kann darin kein abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis gesehen werden mit der Wirkung, daß die Beklagte allein aufgrund des Versprechens und ohne Rücksicht auf den Bestand der zugrundeliegenden Kaufpreisforderung zur Zahlung verpflichtet ist. Die Zusage der Zahlung kann nur so verstanden werden, daß die Beklagte den Ausgleich der Kaufpreisforderung zugesagt hat und nicht etwa eine neue abstrakte Rechtsgrundlage für ihre Zahlungspflicht schaffen wollte. Die rechtliche Bedeutung des allenfalls nur deklaratorischen Schuldanerkenntnisses beschränkt sich deshalb insbesondere auf den Ausschluß der zu diesem Zeitpunkt bekannten Einwendungen. Die Zahlungszusage, wenn sie tatsächlich gemacht worden ist, hat jedoch nicht die Bedeutung, daß die Beklagte gehindert ist, die später bekannt gewordenen Einwendungen gegen die Kaufpreisforderung zu erheben.
Soweit die Beklagte vorträgt, die Klägerin habe den Abschluß von Lieferverträgen nicht schlüssig dargelegt, ist dieses Vorbringen abwegig. Aus der Abwicklung der Lieferungen durch beide Parteien ergibt sich ohne Zweifel, daß entsprechende Lieferverträge vorgelegen haben.
Der Beklagten steht allerdings nach den Art. 45 Abs. 1 a, 74 CISG ein Schadensersatzanspruch wegen mangelhafter Vertragserfüllung durch die Klägerin mindestens in Höhe der Klageforderung zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lag der Titandioxydgehalt des von der Klägerin gelieferten Granulats unter dem Anteil von 6 %, den die Klägerin selbst für erforderlich hält. Der Sachverständige hat zwei Proben entnommen und die Massenanteile an Titandioxyd bestimmt und dabei Werte von 5,51 % und 5,38 % ermittelt. Die von dem Sachverständigen gefertigten Lichtbilder Nr. 7 und 8 zeigen, daß bei den aus dem Granulat gefertigten Rolladenstäben das Licht durchscheint. Dazu hat der Sachverständige nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, daß die Ursache dafür einerseits darin liegt, daß das von der Klägerin gelieferte Granulat zu wenig Titandioxyd enthält, andererseits jedoch auch darin, daß die Profile im Vergleich zu gleichartigen Erzeugnissen anderer Hersteller zu dünn extrudiert sind. Die wirksame Gesamtwandstärke beträgt zum Teil nur 1,3 mm, während sie sonst üblicherweise bei mindestens 1,6 mm liegt. Allerdings hätte eine durchgehend ausreichende Wandstärke von 1,6 mm den Schaden nicht vermieden, wie sich daraus ergibt, daß das Licht auch an den Stellen durchscheint, an denen die Wandstärke von 1,6 mm erreicht oder überschritten ist.
Die Kammer muß auch davon ausgehen, daß trotz der zum Teil ungewöhnlich geringen Wandstärken der Profile eine Reklamation nicht erfolgt wäre, wenn der Titandioxydgehalt ausgereicht hätte. Das kann daraus geschlossen werden, daß die Beklagte bei Verwendung des von ihrer früheren Lieferantin Firma X bezogenen Granulats nicht derartige Probleme hatte, wie ihr Geschäftsführer in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat.
Im übrigen kommt es auf eine Mitursächlichkeit der zum Teil zu geringen Wandstärken auch aus Rechtsgründen nicht an. Abweichend vom deutschen Kaufrecht sieht das hier anwendbare UN-Kaufrecht (CISG) nämlich eine Garantiehaftung des Verkäufers für die vertragsgemäße Beschaffenheit der Ware vor (vgl. Art. 35, 45 Abs. 1, 74 CISG), so daß der Verkäufer zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der dem Käufer infolge der nicht vertragsgemäßen Beschaffenheit der Ware entsteht. Da hier der Schaden der Beklagten, nämlich vor allem die Belastung mit Reklamationsansprüchen ihrer Abnehmerin, dadurch entstanden ist, daß das von der Klägerin gelieferte Granulat zu wenig Titandioxyd enthielt, hat die Klägerin den Schaden zu ersetzen, ohne daß es darauf ankommt, daß die durch die defizitäre Materialzusammensetzung verursachte Lichtdurchlässigkeit teilweise geringer gewesen wäre, wenn die Beklagte die Profile so hergestellt hätte, daß die Wandstärken durchgehend mindestens 1,6 mm betragen hätten.
Eine Verletzung der Obliegenheiten zur unverzüglichen Untersuchung und Rüge gemäß Art. 38, 39 CISG durch die Beklagte liegt nicht vor. Die Beklagte konnte den nicht ausreichenden Titandioxydgehalt bei der Anlieferung des Materials ohne eine quantitative chemische Analyse nicht feststellen, wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat. Eine solche chemische Analyse brauchte die Beklagte allerdings nicht durchzuführen, um ihrer Untersuchungsobliegenheit zu genügen.
Die Beklagte hat den ihr durch den Materialfehler entstandenen Schaden substantiiert unter Vorlage der Rechnungen dargelegt. Aus dem Schreiben der Firma Knipping vom 27.6.1994 (Bl. 63 d.A.) geht hervor, daß ein Mitarbeiter dieser Firma am 18.3.1994 einen Baustellenbesuch durchgeführt hat und daß dadurch Aufwendungen in Höhe von 345,00 DM entstanden sind. Durch den Austausch der mangelhaften Rolladenpanzer sind Aufwendungen in Höhe von 6.960,00 DM entstanden. Für die Rücklieferung von 17.300 m mangelhafter Rolladenstäbe hat die Firma Y der Beklagten 11.088,00 DM zurückbelastet. Für Kundendienstarbeiten mußte die Firma Y darüber hinaus Arbeitszeit, Anfahrten und Material im Wert von 2.726,00 DM aufwenden. - Aus der Rechnung der Firma A und B vom 21.3.1994 (Bl. 66 d.A.) geht hervor, daß ein Mitarbeiter dieses Unternehmens im Auftrag der Beklagten die Reklamation vor Ort in (x) untersucht hat und daß dafür Kosten in Höhe von 1.919,35 DM entstanden sind. - Aus der vorgelegten Rechnung der Firma Y vom 5.7.1994 (Bl. 67 d.A.) ist ersichtlich, daß für den Rücktransport der beanstandeten Profile 356,50 DM berechnet worden sind. - Aus der Rechnung der Firma Z vom 11.4.1994 (Bl. 68 d.A.) ist ersichtlich, daß diese Firma der Beklagten für die Lieferung von 5.250 kg weißem Granulat einen Preis von 2,14 DM/kg berechnet hat, so daß sich zu dem Preis der Klägerin von 1,88 DM/kg eine Differenz von 0,26 DM/kg ergibt.
Durch die vorgelegten Rechnungen ist der Schaden der Beklagten substantiiert dargelegt und belegt. Die Klägerin hat diese Darlegung nicht substantiiert bestritten, so daß davon auszugehen ist, daß der Beklagten zumindest in der Höhe der Klageforderung ein von der Klägerin zu ersetzender Schaden entstanden ist, auch wenn die übersetzten Beträge für die Fahrtkosten und den Stundensatz aus der Rechnung der Firma (...) vom 31.3.1994 angemessen gekürzt werden.
Dem restlichen Kaufpreisanspruch der Klägerin steht demnach ein Schadensersatzanspruch der Beklagten mindestens in gleicher Höhe entgegen, so daß die Verrechnung der beiden Ansprüche dazu führt, daß die Klägerin einen restlichen Kaufpreisanspruch nicht mehr geltend machen kann.
Die Klage war demnach abzuweisen.
[...]}}
Source
Original in German:
- Unpublished}}