Data
- Date:
- 24-08-1995
- Country:
- Switzerland
- Number:
- HG 48/1994
- Court:
- Handelsgericht St. Gallen
- Parties:
- Unknown
Keywords
MISTAKE - MATTER EXCLUDED FROM SCOPE OF CISG (ART. 4(A) CISG) - DOMESTIC LAW APPLICABLE
Abstract
A Swiss seller and a German buyer concluded a contract for the sale of cleaning products. Having received a request of payment from the seller, the buyer refused to pay alleging it had believed to have signed an order of sample goods for a value much lower than that reported by the seller. The seller commenced an action to recover the contract price. The buyer counterclaimed that the contract was invalid for mistake since it had concluded the contract without reading it, relying upon the other party's conduct.
The Court held that the question concerning mistake affected the validity of the contract and, for this reason, fell outside the scope of CISG, in compliance with Art. 4(a) CISG. In the Court's opinion, it had to be determined according to the law governing the contract, which, according to Swiss private international law rules, was Swiss law. The Court found that the buyer had sufficiently proved the defect of its consent under Swiss law and therefore rejected the seller's claim.
Fulltext
HANDELSGERICHT DES KANTONS ST. GALLEN
[...]
Urteil vom 24. August 1995
in Sachen (...), Klägerin (...), gegen Beklagte (...), betreffend Forderung
Rechtsbegehren der Klägerin:
Es sei die Beklagte gerichtlich zu verpflichten, der Klägerin einen Betrag von Fr. 91'750.-- nebst Zins zu
- 8% seit 16. Mai 1993 bis 6. Oktober 1993,
- 7.626% seit 7. Oktober 1993 bis 6. April 1994,
- 7% seit 7. April 1994
anzuerkennen und zu bezahlen;
unter Kosten- und Entschädigungsfolge.
Rechtsbegehren der Beklagten:
Die Klage sei abzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Klägerin.
Erwägungen:
I.
1. Die Klägerin, (...) domiziliertes Unternehmen, das sich mit der Herstellung und dem Vertrieb technischer Produkte befasst. Sie vertreibt unter anderem die Luftfilter icleen gegen Umweltstaub. Die in (...) (Deutschland) domizilierte (...) (Beklagte) führt einen Gebäudereinigungsbetrieb mit 120 Mitarbeitern.
Im März 1993 erhielt die Beklagte von der Klägerin eine Reklamesendung mit folgender Kurzmitteilung (bekl. act. 3):
'Wir suchen Reinigungsbetriebe, welche zusätzliche Serviceaufgaben übernehmen können. Unseren Servicepartnern gewähren wir einen lukrativen Ertragsanteil. Mit Einsendung der beigefügten Karte erhalten Sie Kalkulationsunterlagen für den Erst- und Folgeservice.'
Die Beklagte zeigte sich interessiert, und am 6. April 1993 fand in ihren Geschäftsräumen eine Besprechung statt. Von seiten der Klägerin nahmen daran der Vizedirektor (...) sowie (...) und seitens der Beklagten der Unternehmensleiter (...) sowie (...) teil. Die Verhandlungen, welche sich um die (...) drehten, wurden ausschliesslich durch die Herren (...) und (...) geführt. Bei Gesprächsende unterzeichneten sie zwei Formularverträge. Der erste trägt den Titel 'Basisreglement zur Geschäftsabwicklung' (kläg. act. 2), und beim zweiten mit 'Auftrag' überschriebenen Vertragswerk (kläg. act. 1) ging es um die Lieferung von 500 (...) (Stückpreis Fr. 131.--), 200 (...) (Stückpreis Fr. 69.--), 100 (...) (Stückpreis Fr. 9.50) und 500 (...) (Stückpreis Fr. 23.--). Die Formularrubrik 'Netto- Gesamtbetrag' wurde nicht ausgefüllt; auch der Gesamtpreis der Lieferung wurde nicht genannt.
Am 16. April 1993 sandte die Klägerin der Beklagten eine Rechnung über Fr. 88'997.50 für die bestellte Ware zu, 'zahlbar im voraus mittels Scheckzusendung an die Sped. Danzas' (kläg. act. 3). Die Beklagte wies die Rechnung mit Schreiben vom 27. April 1993 (kläg. act.4) zurück. Sie schrieb:
'Mit Ihrem Herrn (...) war vereinbart, dass Sie uns Muster im Wert von ca. DM 500.- zusenden um ihr Produkt kennenzulernen und auszuprobieren. Von einer Bestellung in dieser Höhe war nicht die Rede. Unser Herr (...) war Zeuge dieses Gesprächs. Herr (...) hat die Eintragungen im Auftrag nicht kontrolliert, weil er Ihrem Vertreter vertraute, der nur von einer Mustersendung sprach. Der Sachverhalt zeigt, dass wir annehmen müssen, arglistig getäuscht worden zu sein. Hiermit fechten wir den Vertrag wegen arglistiger Täuschung und Irrtum an. Wir sind nicht bereit, die Ware abzunehmen.'
2. Die Klägerin bestand auf der Abwicklung des Vertrags vom 6. April 1993. Sie verlangt mit der vorliegenden Klage, dass die Beklagte verpflichtet werde, den Kaufpreis zu bezahlen. Die Klägerin macht geltend, dass die Einzelheiten des Kaufvertrags bis ins Detail besprochen und schriftlich festgehalten worden seien. Die Beklagte behaupte wider besseres Wissen, dass lediglich die Rede von einer Mustersendung im Wert von DM 500,- - gewesen sei. Unbehelflich sei auch der Einwand, dass kein Gesamtpreis festgeschrieben worden sei. Von einem im Handelsregister eingetragenen Kaufmann mit immerhin 120 Mitarbeitern dürfe ohne weiteres erwartet werden, dass er sich über den Umfang der von ihm eingegangenen Verpflichtungen selbst ein Bild machen könne.
Die Beklagte betont, dass es an der Besprechung vom 6. April 1993 einzig und allein darum gegangen sei, das Produkt der Klägerin kennenzulernen und auszuprobieren. Von einer sofortigen Bestellung, schon gar nicht in der besagten Höhe, sei nie die Rede gewesen. Die Beklagte habe zu keiner Zeit beabsichtigt, einen Auftrag über ein ihr völlig unbekanntes Produkt zu unterzeichnen. Sie habe lediglich eine Mustersendung bestellen wollen, mehr nicht. Im Vertrauen darauf habe Herr (...) bei Gesprächsende nicht genau kontrolliert, was er unterschrieben habe. Ein Vertrag sei somit nicht zustande gekommen. Die Beklagte sei vielmehr absichtlich getäuscht worden; bei der Unterzeichnung habe sich Herr (...) in einem Irrtum befunden.
3. Die Beklagte berief sich für ihre Sachdarstellung auf die Zeugenaussagen ihres Mitarbeiters (...), der an der Besprechung zugegen war, und ihrer kaufmännischen Angestellten (...), welche die Unterredung von ihrem benachbarten Büro aus mitgehört habe. Die Klägerin ihrerseits benannte die Mitarbeiter (...) und (...) als Zeugen.
Die genannten vier Zeugen wurden am 11. April 1995 vor dem Handelsgerichtspräsidenten, Handelsrichter Marcel Dvoràk und dem Handelsgerichtsschreiber einvernommen. (...) und (...) brachten zum Ausdruck, dass zwischen den Parteien ein normales Verkaufsgespräch stattgefunden habe. Das Produkt sei ausführlich vorgestellt worden, und von einer Zeitnot könne überhaupt nicht gesprochen werden ('Warum sollten wir unter Zeitdruck geraten sein, das wüsste ich nicht' ... 'Nein, es war überhaupt keine Eile ... Wir hätten uns auch eine halbe Stunde länger unterhalten können, folglich hat es keine Eile gegeben'; Protokoll S. 7 und 8). Beide Zeugen widersprachen sodann entschieden der Darstellung der Beklagten, dass man sich lediglich auf eine Mustersendung von ein paar hundert Mark geeinigt habe ((...): 'Mit 250 oder 500 Mark hätte ich überhaupt kein Geschäft gemacht, für diese Summe liefern wir nicht aus, da hätte ich auch nicht angefangen. Über Muster diskutiere und spreche ich in keinem Verkaufsgespräch'; Protokoll S. 9. (...): 'Es war nie die Rede von einer Probesendung oder von einer Mustersendung'; Protokoll S. 7). Demgegenüber erklärte (...), dass Herr (...) eine Art Musterkollektion gewünscht habe, 'damit er überhaupt weiss, was man damit machen kann. Das war für ihn ja Neuland, er wollte es erst aufbauen' (Protokoll S. 4). Der Zeuge führte sodann zum Gesprächsablauf aus (Protokoll S. 5):
'Das ging circa eine Stunde. Dann kam eine enorme Hektik seitens von Herrn (...). Die Herren hatten wohl irgendeinen Termin, und wir waren auch im Zeitdruck, wir hatten auch einen Termin in Konstanz. Das ging nachher so schnell, die Bestellung wurde sehr schnell ausgefüllt und dann, ich weiss nicht, wenn ich da so zurückblicke, ist alles ein bisschen undurchsichtig seitens von Herrn (...). Plötzlich hatte er einen Stift in der Hand, er unterschrieb, einmal ging er linksherum und dann ging er rechtsherum, so ungefähr, und dann war es vorbei. Da kam so eine Hektik auf, von mir aus gesehen, war das gezielt. Und so glaubwürdig wie (...) ist, und er hatte auch gemeint, er hätte ehrliche Menschen vor sich sitzen, und so gutgläubig wie er an und für sich im Leben ist, handelte er und kontrollierte nicht gross, sondern er hatte einfach unterschrieben.'
Die Zeugin (...) erklärte, dass sie die seinerzeitige Besprechung vom Nebenraum aus mitgehört habe. 'Ich höre ja immer ein bisschen mit, was da läuft, ich muss ja immer alles wissen, ich muss im Endeffekt über alles Bescheid wissen. Dann höre ich schon immer, was so gesprochen wird' (Protokoll S. 4). Zur Besprechung selbst gab die Zeugin zu Protokoll (S. 4):
'Sie sprachen dann und interessierten sich für das Produkt, und es wurde von einer Probelieferung gesprochen, zirka 500 Mark. Dann sagten die Herren: `Okay, das machen wir für die 500 Mark'. Es wurde dann über das Produkt gesprochen, ob man es einsetzen kann, dass die Arztanschriften besorgt würden, wo man hingehen kann und das Vorzeigen dieser Filter zum Einbauen und so, und dann kam das dicke Ende.'
II.
1. Die örtliche Zuständigkeit des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen, das die Klägerin gestützt auf die Gerichtsstandsklausel im Kaufvertrag vom 6. April 1993 angerufen hat, ist unbestritten geblieben. Die Beklagte hat sich auf den vorliegenden Prozess eingelassen. Sachlich ist das Handelsgericht ohne weiteres zuständig, da beide Parteien im Handelsregister eingetragen sind, die Streitsache mit einer gegenseitigen geschäftlichen Tätigkeit der Parteien zusammenhängt und der Streitwert Fr. 30'000.-- übersteigt (Art. 14 Abs. 1 ZPO).
2. Der umstrittene 'Auftrag' vom 6. April 1993 über die Lieferung von (...-)Produkten fällt trotz der etwas missverständlichen Überschrift unter das Kaufsrecht. Die Klägerin trat als Verkäuferin der fraglichen Artikel auf, und es sollte offenkundig nicht ein Auftrag vereinbart werden. Im internationalen Verhältnis, wie es hier besteht, kommt grundsätzlich das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (UN-Kaufrecht, 'Wiener-Kaufrecht'; SR 0.221.221.1) zur Anwendung (das hier freilich bei Gültigkeit des Vertrages ausdrücklich ausgeschlossen wäre; kläg. act. 1 Ziff. 3). Die im vorliegenden Fall streitige Frage, ob der Vertrag irrtumsfrei zustande gekommen sei, regelt sich jedoch nicht nach dem UN-Kaufrecht (Art. 4 lit. a UNKR); nach dem internationalen Privatrecht der Schweiz ist vielmehr das Recht des Landes anwendbar, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 117 f. IPRG). Im vorliegenden Fall ist die Streitfrage somit nach schweizerischem Obligationenrecht zu beurteilen.
3. Die Beklagte macht Willensmängel beim Vertragsabschluss geltend und erachtet die am 6. April 1993 unterzeichneten Vertragswerke, insbesondere die Bestellung von (...-)Produkten, als unverbindlich, weil sie sich geirrt habe bzw. getäuscht worden sei. Nach der Darstellung der Beklagten wurde bei den Vertragsverhandlungen lediglich von einer Mustersendung gesprochen, und (...) habe die im Vertrag aufgeführte Bestellung von (...) Artikeln im Werte von rund Fr. 90'000.-- unbesehen und irrtümlich unterschrieben.
a) Die Beklagte beruft sich insbesondere darauf, dass ihr ein Erklärungsirrtum unterlaufen sei. Nach Art. 23 i.V.m. Art. 24 Ziff. 1 OR ist ein Vertrag für denjenigen Vertragspartner unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem Erklärungsirrtum über einen wesentlichen Vertragsinhalt befunden hat. Wer Irrtum beim Vertragsabschluss geltend macht, setzt logischerweise voraus, dass an sich übereinstimmende gegenseitige Willensäusserungen vorliegen (Art. 1 Abs. 1 OR), womit grundsätzlich ein (allerdings möglicherweise unverbindlicher) Vertrag zustande kam (vgl. BGE 105 II 26).
Man spricht in diesem Zusammenhang von einem normativen Konsens. Einen solchen Konsens nimmt das Bundesgericht insbesondere im - hier behaupteten - Fall der ungelesen unterzeichneten Urkunde an. Der Partner des Unterzeichnenden kann grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Gegenseite mit dem unterschriebenen Vertragsinhalt einverstanden sei und ihn wolle. Behauptet demgegenüber ein Vertragsschliessender, dass sein Vertragswille nicht dem unterzeichneten Text entspreche, so hat er diesen Irrtum nachzuweisen (Kramer, Berner Kommentar, N 126 ff., insbesondere N 129 zu Art. 1 OR; Gauch/Schluep, Schweiz. OR, Allg. Teil, Bd. 1, Rn 934 ff.; Bucher, Schweiz. OR, Allg. Teil, 2. A., S. 198; Karl Oftinger, Die ungelesen unterzeichnete Urkunde und verwandte Tatbestände, in: Festgabe für August Simonius, Basel 1955, S. 263 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Berufung auf Erklärungsirrtum nur (im seltenen Fall) ausgeschlossen, wo angenommen werden muss, 'dass der Erklärende im Bewusstsein der Unkenntnis des Inhalts des Erklärten sich allem, was der Gegner wolle, unterwerfe' (BGE 49 II 182, 34 II 532, 90 II 453; Gauch/Schluep, a.a.O., Rn. 935; Oftinger, a.a.O., S. 271 f.; Bucher, a.a.O., S. 198).
b) Gestützt auf die eingereichten Akten und in Würdigung der Zeugenaussagen gelingt vorliegend der Beklagten der Nachweis, dass (...) das ausgefüllte Bestellformular in Unkenntnis seines wahren Inhalts unterzeichnet und dass er die fragliche Bestellung nicht gewollt hat. Aufgrund sämtlicher Zeugenaussagen steht fest, dass das gesamte (grosse) Auftragsvolumen und insbesondere der Gesamtkaufpreis, der gegen Fr. 90'000.-- ging, im Verkaufsgespräch nicht genannt wurde. Auch in der schriftlichen Bestellung wurden die Netto- Gesamtbeträge nicht aufgeführt. Die Zeugen (...) und (...) bringen vielmehr vor, dass ausschliesslich von einer Mustersendung gesprochen worden sei. (...) schildert überdies anschaulich, dass am Schluss eine gewisse Hektik aufgekommen sei und (...) ohne weitere Kontrolle unterzeichnet habe. Die Darstellung der beiden Zeugen erscheint glaubwürdig. Die Zeugenaussagen der Mitarbeiter der Klägerin vermögen dagegen nicht aufzukommen. Den Darlegungen von (...) ist zu entnehmen, dass ein relativ intensives Verkaufsgespräch stattfand. Den Interessenten wurde das Produkt vorgestellt, und es wurden anhand eines umfangreichen Katalogs auch technische Informationen geliefert. Der Vertreter der Klägerin orientierte sodann über Kalkulationsfragen und über die Werbung. Beim schliesslich unterzeichneten Basisreglement und dem Auftrag (Bestellung) handelte es sich jedoch um recht komplizierte Vertragswerke. Es erscheint glaubhaft, dass bei dieser Situation ein gewisser Zeitdruck entstand, unter welchem (...) die Bestellung ohne weitere Prüfung unterzeichnete. Wenn die Vertreter der Klägerin, die tagtäglich solche Verhandlungen führen, keine Zeitnot empfunden haben wollen, so ist dies nicht ausschlaggebend. Dass (...) unterzeichnete, ohne den Vertrag im einzelnen durchzusehen, mag im weiteren zwar ausgesprochen fahrlässig gewesen sein. Diese Fahrlässigkeit schliesst aber eine Berufung auf Irrtum nicht aus (Gauch/Schluep, a.a.O., Rn 935). Schliesslich wird auch nicht vorausgesetzt, dass die Vertreter der Klägerin den Irrtum wahrnahmen oder nach den Umständen hätten wahrnehmen müssen. Hätten sie, was sie mit Entschiedenheit verneinen, erkannt, dass die Beklagte lediglich eine Mustersendung wünschte und keine Bestellung tätigen wollte, so wäre der streitige Kaufvertrag zum vorneherein nicht zustandegekommen (vgl. Gauch/Schluep, a.a.O., Rn 934 ff.).
c) Die Beklagte hat geltend gemacht, dass bei ihr nicht ein Einzelfall vorliege. Sie hat sich auf ein Urteil der Gerichtskommission Rorschach vom 9. Dezember 1993 / 14. Juli 1994 / 21. November 1994 in Sachen (...) gegen (...) berufen. Dieses Urteil wurde von der Beklagten mit Berufung an das Kantonsgericht weitergezogen. Die III. Zivilkammer entschied am 4. Juli 1995; der Fall und insbesondere das Urteil der Gerichtskommission sind daher auch dem Handelsgericht bekannt (Art. 90 Abs. 3 ZPO). Die Gerichtskommission Rorschach hat im genannten Urteil auf zahlreiche weitere Prozesse der Beklagten hingewiesen, bei denen die Gegenpartei behauptet hat, den schriftlichen Vertrag über die Lieferung von Luftfiltern unter falschen Voraussetzungen unterzeichnet zu haben. Diese gerichtsnotorischen Tatsachen liefern zwar für den von der Beklagten im vorliegenden Fall geltend gemachten Sachverhalt keinen direkten Beweis, weshalb auch keine weiteren Urteile mit ähnlicher Fallkonstellation beizuziehen sind. Die erwähnten Tatsachen lassen aber die Darstellung der Beklagten zusätzlich als glaubwürdig erscheinen, indem sie Anhaltspunkte darüber geben, wie die Klägerin in anderen Fällen Vertragsverhandlungen führte und ihre -usserungen von den jeweiligen Vertragspartnern aufgenommen und verstanden wurden. Insoweit haben diese Sachverhalte die Bedeutung eines zusätzlichen Indizes für die Richtigkeit der Darstellung der Beklagten.
d) Nach Art. 31 OR ist der Irrtum innert Jahresfrist seit Entdeckung geltend zu machen. Das hat die Beklagte in ihrem Schreiben vom 27. April 1993 (kläg. act. 4) getan, indem sie ausdrücklich erklärte, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung und Irrtums anzufechten. Die Beklagte berief sich somit auf die Unverbindlichkeit des Vertrages. Der Klägerin ist es demzufolge verwehrt, den Kaufpreis zu fordern.
4. Zusammenfassend ergibt sich damit, dass die Klage abzuweisen ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten, bestehend aus der Entscheidgebühr von Fr. 10'000.-- (Ziff. 332 i.V.m. Ziff. 304 GKT) und den Zeugenentschädigungen von insgesamt Fr. 860.--, der Klägerin aufzuerlegen. Die von ihr geleistete Einschreibgebühr von Fr. 600.-- ist ihr anzurechnen (Art. 280 ZPO).
Die Beklagte hat Anspruch auf Ersatz ihrer Parteikosten (Art. 263 ZPO). Der Rechtsvertreter der Beklagten hat keine Kostennote eingereicht. Beim vorliegenden Streitwert von rund Fr. 92'000.-- ergibt sich ein mittleres Honorar von Fr. 11'696.- - (Art. 14 lit. d HonO), welches nach Art. 15 HonO um ein Fünftel zu erhöhen ist, was Fr. 14'035.-- ergibt. Für die durchgeführte Vorbereitungsverhandlung mit Zeugeneinvernahmen erscheint ein Zuschlag von 30% bzw. Fr. 4210.-- (Art. 18 Abs. 1 lit. a HonO) angemessen, was insgesamt ein Honorar von Fr. 18'246.-- ergibt. Auf dem Teilbetrag von Fr. 12'000.-- ist die Mehrwertsteuer (Art. 28 HonO) zu berechnen, welche sich damit auf Fr. 780.-- beläuft. Die Klägerin hat damit die Beklagte mit insgesamt Fr. 19'026.-- (einschliesslich Barauslagen) zu entschädigen.
Demgemäss hat das Handelsgericht
z u R e c h t e r k a n n t :
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten, bestehend aus der Entscheidgebühr von Fr. 10'000.-- und den Zeugenentschädigungen von Fr. 860.--, bezahlt die Klägerin unter Anrechnung der Einschreibgebühr von Fr. 600.--.
3. Die Klägerin hat die Beklagte mit Fr. 19'026.-- zu entschädigen.
St. Gallen, 24. August 1995
Urteilsdispositiv schriftlich eröffnet am 25. August 1995.
Zustellung an:
- die Parteivertreter am: 15. September 1995
Gegen diesen Entscheid sind die Berufung an das Bundesgericht und die Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen zulässig.
Die Berufung an das Bundesgericht kann innert dreissig Tagen nach der Zustellung schriftlich bei der Handelsgerichtskanzlei St. Gallen, Klosterhof 1, 9001 St. Gallen, eingereicht werden.
Mit der Berufung kann nur eine Verletzung des Bundesrechts und von Staatsverträgen des Bundes geltend gemacht werden.
Der angefochtene Entscheid soll beigelegt werden.}}
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Original in German:
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