Data
- Date:
- 09-07-2002
- Country:
- Switzerland
- Number:
- HG 000120/U/zs
- Court:
- Handelsgericht des Kantons Zürich
- Parties:
- --
Keywords
CHIOCE-OF-LAW CLAUSE IN FAVOR OF LAW OF A CONTRACTING STATE - CISG APPLICABLE (ART. 6 CISG)
SUPPLY OF LABOR OR OTHER SERVICES AS PREPONDERANT PART OF SUPPLIER'S OBLIGATIONS - CONTRACT NOT GOVERNED BY CISG (ART. 3(2) CISG)
Abstract
A Swiss manufacturer and a German company concluded two separate contracts for the planning, delivery, assembly and putting into operation of two plants for the processing of waste products. A dispute arose between the parties concerning the payment under the second of the two contracts.
As to the applicable law, the Court found that the choice-of-law clause in the second contract, providing for the application of Swiss law, does not exclude the application of CISG. To this end, the parties should have made express reference to the Swiss Law of Obligations; since this was not the case, CISG may apply as part of Swiss substantive law.
However, the Court excluded that the contract at hand fell within the material scope of the Convention. Indeed, all the obligations undertaken by the manufacturer (assembly, putting into operation, adaptation of the plant) demonstrated that, in the case at hand, the preponderant part of obligations undertaken by it did not consist in the delivery of goods but in the supply of labour or other services (Art. 3(2)CISG). Consequently, CISG was not applicable. In reaching such a conclusion, the Court declared itself in accordance with the scholarly opinion holding that turnkey contracts are outside the scope of the Convention.
Fulltext
"Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin EUR 1'366'500.-- nebst Zins zu 5% seit 30. Juni 1999 zu bezahlen.
Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beklagten."
Das Gericht zieht in Erwägung
I.
(Einleitung und Sachverhalt)
Die Klägerin ist im Bereich der Beratung, Entwicklung und des Verkaufs von Verfahren und Anlagen der Umwelttechnologie tätig. Sie befasst sich insbesondere mit der Herstellung und Lieferung von Grossanlagen, die für das Recycling von Abfällen eingesetzt werden. Die Beklagte betätigt sich auf dem Gebiet der Trennung von Wertstoffen bzw. Abfällen (act. 1 S. 3 Ziff. 6 f.).
Im Jahre 1998 nahmen die Parteien ihre Geschäftstätigkeit auf. Am 2. März 1998 schlossen sie den Liefervertrag Nr. 970/1297/06 über eine 3 t/h Al-Kunststoff Result-Trennanlage ab (act. 4/5 S. 9). Dieser Liefervertrag und die damit verbundene Anlage wird nachfolgend als WTG 1 bezeichnet. Leistungsinhalt des Vertrages bildete die Planung, Lieferung, Montage und Inbetriebnahme einer Gesamtanlage für den Aufschluss und die Separation von Aluminium-Kunststoffverbunden (act. 4/5 S. 3, Präambel). Es wurde ein Gesamtpreis von DEM 7'772'320.-- vereinbart (act. 4/5 S. 7 § 5). Die Anlage wurde von der Klägerin hergestellt und geliefert. Gemäss ihren Ausführungen waren die Montagearbeiten im März 1999 abgeschlossen. Anschliessend sei die Anlage in Betrieb genommen worden. Die Beklagte sei mit der Anlage sehr zufrieden gewesen (act. 1 S. 4 Ziff. 10 f.). Dies stellt die Beklagte in Abrede. Die Anlage WTG 1 habe die vertraglich vereinbarten Leistungen nicht erbracht. Sie sei nie vollendet und entsprechend auch nicht abgenommen worden (act. 10 S. 4 Ziff. 11 ff.).
Am 11. Juni 1999 schlossen die Parteien einen weiteren Liefervertrag ab; Nr. 0972/0399/03 über eine 6 t/h Nahrungsmittel-Karton-Verpackung Result-Trennanlage (act. 4/2 S. 10). Dieser Liefervertrag und die damit verbundene Anlage wird nachfolgend als WTG 2 bezeichnet. Der Vertrag beinhaltet die Planung, Lieferung, Montage und Inbetriebnahme einer Gesamtanlage für den Aufschluss und die Separation von Nahrungsmittel-Karton-Verpackungen (act. 4/2 S. 3 Präambel). Mittels der Anlage sollte der Zelluloseanteil zwecks wirtschaftlicher Wiederverwertung aus Nahrungsmittel-Karton-Verpackungen herausgelöst werden (act. 1 S. 4 Ziff. 11). Für die Anlage wurde ein Gesamtpreis von EUR 4'555 vereinbart, wobei 30% der Summe, EUR 1'366'500.--, als Anzahlung bis zum 30. Juni 1999 zu leisten waren (act. 4/2 S. 8 § 5 Abs. 1 und 6 Abs. lit. a).
Da die Herstellung und Lieferung der Grossanlage WTG 2 zwangsläufig einige Zeit in Anspruch nahm, vereinbarten die Parteien den zeitlich begrenzten Umbau der Al-Kunststoff Result-Trennanlage (WTG 1) zum Zwecke der Verarbeitung von Nahrungsmittel-Karton-Verpackungen (vgl. act. 4/7 S. 2 Präambel). Diesbezüglich schlossen sie am 21. Juni 1999 den "Liefervertrag Nr. 971/0499/02 für den Umbau der Result-Trennanlage (Liefervertrag Nr. 970/1297/06) zur Verarbeitung von Nahrungsmittel-Karton-Verpackungen" ab. Dieser Liefervertrag und die damit verbundene Anlage wird nachfolgend als WTG 1a bezeichnet. Der Maximalpreis für den Umbau wurde auf DEM 1'250'000.-- festgelegt, wobei vereinbart wurde, dass 20 bis 30% der effektiv anfallenden Kosten an den geschuldeten Werklohn aus WTG 2 angerechnet werden könnten (act. 4/75. 3 Ziff. 4; act. 11/23: act. 16 S. 13 Ziff. 27; act. 20 S. 28 Ziff. 27). Der Umbau von WTG 1 in WTG 1a wurde Mitte Juni 1999 vorgenommen. Die umgebaute Anlage wurde in Betreib genommen (act. 10 S. 9 Ziff. 27; act. 16 S. 13 Ziff. 27). Auch die Anlage WTG 1a soll gemäss Beklagter die vertraglich zugesicherten Leistungen nie erbracht haben (act. 10 S. 10 Ziff. 28). In der Folge kam es zu Auseinandersetzungen und später zum Zerwürfnis zwischen den Parteien. Zwischenzeitlich wurde die Anlage WTG 1a wieder in ihren ursprünglichen Zustand (WTG 1) zurückversetzt. Dies geschah jedoch nicht, wie vertraglich vorgesehen durch die Klägerin, sondern wurde von der Beklagten in Eigenregie vorgenommen (act. 4/7 S. 2 Ziff. 1 Abs. 3; act. 1 S. 5 Ziff. 13; act. 10 S. 18 Ziff. 43). Am 21. September 2000 wurde die (rückumgebaute) Anlage WTG 1 zufolge eines erlittenen Totalschadens des Beschleunigers ausser Betrieb gesetzt. Seither steht die Anlage still (act. 20 S. 10 Ziff. 6.10; act. 24 S. 7 Ziff. 6.10).
Der Gesamtpreis aus dem Liefervertrag WTG 1 von DEM 7'772'320.-- wurde, bis auf geltend gemachte Ausstände von CHF 12'OOO.-- aus einer Steuerungseinheit (Prot. S. 10), vollständig getilgt. Aus dem Liefervertrag WTG 1a bestehen gemäss Klägerin noch offene Resiforderungen von rund DEM 690'000.-- (act. 1 S.8 Ziff. 24). Diese Beträge werden jedoch vorliegend nicht eingeklagt. Mit der hängigen Klage verlangt die Klägerin vielmehr die Erfüllung der gemäss Liefervertrag WTG 2 vereinbarten Anzahlungsverpflichtung von EUR 1'366'500.-- (act. 1 S. 3 Ziff. 8 und S. 8 Ziff. 23). Die Beklagte verweigert deren Bezahlung im Wesentlichen mit der Begründung, der eingeklagte Anspruch bestehe nicht mehr, da sie den Rücktritt vom Liefervertrag WTG 2 erklärt habe. Eventualiter bestehe der Anspruch zufolge Vertragsrücktritts durch die Klägerin nicht mehr (act. 10 S. 26 Ziff. 68).
II.
(Prozessgeschichte)
Am 30. März 2000 gingen Weisung und Klageschrift ein (act. 1; act. 3). Gleichentags wurde der Klägerin in Anwendung von § 76 ZPO eine Prozesskaution von CHF 35'000.-- auferlegt (Prot. S. 2). Nach Eingang der Klageantwort vom 11. September 2000 (act. 10) fand am 16. November 2000 eine Referentenaudienz statt, anlässlich welcher jedoch keine Einigung erzielt werden konnte (Prot. S. 6 ff.). Das Verfahren wurde mit der Replik vom 5. März 2001 (act. 16) und der Duplik vom 28. Mai 2001 schriftlich fortgesetzt (act. 20). Mit Eingabe vom 21. August 2001 nahm die Klägerin zu den Noven in der Duplik Stellung (act. 24). Das Verfahren ist spruchreif.
III.
(Prozessvoraussetzungen)
Die örtliche Zuständigkeit stützt sich auf die Gerichtsstandsklausel im Liefervertrag WTG 2 (act. 4/2 S. 9 § 9 Abs. 1). Die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts ergibt sich aus § 63 Ziff. 2 in Verbindung mit § 62 GVG.
IV.
(Materielles)
A. Anwendbares Recht
1. Die Parteien haben im Liefervertrag WTG 2 eine Rechtswahl im Sinne von Art. 116 Abs. 1 IPRG getroffen. Die vereinbarte Klausel lautet wie folgt (act. 4/2 S. 9 Abs. 2):
"Dieser Vertrag untersteht dem Schweizer Recht."
Sie geht der Rechtswahlklausel gemäss den Allgemeinen Lieferbedingungen für Maschinen und Anlagen gemäss VSM (nachfolgend AGB VSM) vor (vgl. act. 4/2 S. 10 § 10 Abs. 1 und S. 23ff. Anlage 5 Ziff. 19.2).
2. Gemäss Beklagter haben die Parteien damit die Anwendung des Schweizer Obligationenrechts vereinbart (act. 10 S. 26 Ziff. 67). Auch die Klägerin beruft sich darauf, dass der Liefervertrag WTG 2 schweizerischem Recht unterstehe (act. 16 S. 28 Ziff. 65), verweist in der Folge jedoch auf das Wiener Kaufrecht (act. 16 S. 29 Ziff. 69.2). Damit macht sie geltend, die Rechtswahlklausel verweise nicht auf das Schweizerische Obligationenrecht allein, sondern auf alle Sachnormen des schweizerischen Rechts.
3. Die Vereinbarung von Parteien, ihr Vertrag unterstehe einem bestimmten Recht, ist in der Regel als reine Sachnormverweisung zu verstehen (Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht, 2. Auflage, Bern 2000, N 140). Da das UN-Kaufrecht (auch als Wiener Kaufrecht bezeichnet) Sachnormen enthält, wird es von einer Rechtswahl, wie sie die Parteien vorliegend abgeschlossen haben, grundsätzlich mitumfasst. Wollen die Parteien dies nicht, haben sie das UN-Kaufrecht klar auszuschliessen und in ihrer Rechtswahl deutlich auf das autonome Kaufrecht, mithin das Schweizerische Obligationenrecht, zu verweisen (Keller/Siehr, Kaufrecht, 3. Auflage, Zürich 1995, S. 158 Ziff. 1.2). Dies haben die Parteien nicht getan. Entsprechend umfasst ihre Rechtswahlklausel auch das UN-Kaufrecht.
4. Ein Werklieferungsvertrag kann unter die Bestimmungen des UN-Kaufrechts fallen. Um das anwendbare Recht bestimmen zu können, muss daher vorab eine Qualifikation des Liefervertrags WTG 2 vorgenommen werden.
a) Im Liefervertrag WTG 2 verpflichtet sich die Klägerin zur Planung, Lieferung, Montage und Montageüberwachung sowie Inbetriebnahme der Nahrungsmittel-Karton-Verpackungs-Trennanlage. Sie hat die für den Betrieb der Anlage WTG 2 notwendigen Maschinen und Anlagenkomponenten zu liefern (act. 412 S. 5 § 2 Abs. 1 und 2). Zu beurteilen ist somit ein Anlagelieferungsvertrag.
Durch den Werkvertrag verpflichtet sich der Unternehmer zur Herstellung eines Werkes (Art. 363 OR). Übernimmt der Unternehmer die Stofflieferung für das Werk, liegt ein sogenannter Werklieferungsvertrag vor. Beim Werkvertrag schuldet der Unternehmer dem Besteller die Leistung von Arbeit verbunden mit einem bestimmten Arbeitserfolg. Dies im Gegensatz zum Kaufvertrag, der die Übergabe der Kaufsache und die Verschaffung des Eigentums daran beinhaltet (Art. 184 Abs. 1 OR). Auch ein Kaufvertrag kann jedoch mit Montagepflichten, im Sinne von vertraglichen Nebenpflichten, verbunden werden. In diesen Fällen liegt ein Kauf mit Montagepflicht vor. Da bei einem Anlagelieferungsvertrag, wie er sich vorliegend präsentiert, jedoch die zu erbringende Arbeitsleistung also die Herstellung und nicht die Lieferung der Sache im Vordergrund steht, so dass die zu liefernde Sache als untergeordneter Teil des versprochenen Arbeitserfolges, das verwendete Material mehr als Werkstoff, denn als Kaufgegenstand erscheint, liegt ein Werklieferungsvertrag und kein Kaufvertrag vor (Zindel/Pulver, in Basler Kommentar, Obligationenrecht Art. 1 - 529 OR, 2. Auflage, Basel und Frankfurt am Main 1996, N 22 zu Art. 363). Daran vermag auch nichts zu ändern, dass die Klägerin noch weitere Leistungspflichten, beispielsweise die Einweisung und Schulung des Personals der Beklagten in die Bedienung und Wartung der Liefergegenstände (act. 4/2 S. 5 § 2 Abs. 4), übernommen hat. Es handelt sich dabei um untergeordnete vertragliche Nebenpflichten, welche die rechtliche Qualifikation des Vertrages nicht zu ändern vermögen.
b) Das UN-Kaufrecht erfasst auch Werklieferungsverträge (Art. 3 Abs. 1 WKR). Keine Anwendung findet das Übereinkommen jedoch auf Verträge, bei denen der überwiegende Teil der Pflichten der Partei, welche die Ware liefert, in der Ausführung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen besteht (Art. 3 Abs. 2 WKR). Überwiegen daher im Einzelfall die Arbeitsleistungen, wie Montage-, Anpassungen-, Instruktions- und ähnliche Arbeiten, wird der entsprechende Vertrag nicht vom UN-Kaufrecht erfasst (Zindel/Pulver, a.a.O., N 26 Vorbemerkungen zu Art. 363 - 379). Vorliegend geht es um die Lieferung einer zu erstellenden Grossanlage. Verschiedenste Anlagekomponenten müssen zu einem neuen Ganzen zusammengefügt werden. Zweifelsohne nehmen bei einem solchen Projekt die Arbeitsleistungen für Montage-, Montage-Überwachung und in Betriebnahme der Anlage eine bedeutende Rolle ein, kann doch vielfach das Funktionieren bzw. die Vornahme der richtigen Einstellung, d.h. die Regulierung der verschiedenen Anlageteile und deren Abstimmung aufeinander erst vorgenommen werden, wenn die Anlage effektiv in Betrieb ist. So führt denn auch die Klägerin selbst aus (zwar mit Bezug auf die Anlage WTG 1, doch muss Gleiches auch für die Anlage WTG 2 gelten), dass es sich eben nicht um Anlagen handle, welche einfach hingestellt werden könnten, sondern diese in der Anfangsphase einer Betreuung bedürfen (act. 16 S. 9 Ziff. 16). Entsprechend machen die Montage-, Anpassungs-, Instruktions- und ähnlichen Arbeiten einen erheblichen Teil der vertraglich zu erbringenden Leistung aus. In Übereinstimmung mit der Lehre ist daher davon auszugehen, dass das UN-Kaufrecht auf Anlagelieferungsverträge, welche nicht so sehr ein Austauschverhältnis von Ware gegen Geld, sondern vielmehr ein Geflecht von gegenseitigen Mitwirkungs- und Hilfspflichten darstellen, keine Anwendung finden soll (vgl. Keller/Siehr, a.a.O., S. 165 Ziff. 2.5.; Vischer/Huber/Oser, a.a.O., N 344; Schlechtriem/Ferrari, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 3. Auflage, München 2000, Art. 3 Rn. 18).
Auf den Liefervertrag WTG 2 sind daher die Art. 363 ff. des Schweizerischen Obligationen rechts (Werkvertrag) anzuwenden.
B. Forderungsanspruch der Klägerin
1. Im Liefervertrag WTG 2 verpflichtet sich die Beklagte, 30% des Werkpreises, mithin EUR 1'366'500.--, als Anzahlung bis zum 30. Juni 1999 zu leisten (act. 4/2 S. 8 § 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 lit. a). Dies ist unbestritten. Da bis anhin keine Zahlung erfolgt ist, verlangt die Klägerin mit der vorliegenden Klage die Erfüllung der Anzahlungsverpflichtung (act. 1 S. 3 Ziff. 8). Hiergegen wendet die Beklagte im Wesentlichen ein, der eingeklagte Anspruch bestehe nicht mehr, da sie (berechtigterweise) vom Vertrag zurückgetreten sei (act. 10 S. 26 Ziff. 68).
2. Ein Erfüllungsanspruch der Klägerin besteht nur insoweit, als der Liefervertrag WTG 2 noch Bestand hat und nicht infolge Rücktritts erloschen ist.
a) Das Gesetz sieht mehrere Regeln vor (auch im Allgemeinen Teil des Obligationenrechts), die dem Besteller unter bestimmten Voraussetzungen ein speziell. geordnetes Auflösungsrecht einräumen. Diese werden als besondere Auflösungsregeln des Gesetzes bezeichnet (Gauch, Der Werkvertrag, 4. Auflage, Zürich 1996, N 578). So kann der Besteller beispielsweise vom Werkvertrag ohne Schadloshaltung des Unternehmers zurücktreten, wenn dieser sich in Verzug befindet (Art. 366 Abs. 1 OR). Lässt sich schon während der Ausführung des Werkes bestimmt voraussehen, dass dieses durch Verschulden des Unternehmers mangelhaft oder sonst vertragswidrig erstellt wird, hat der Besteller eine Ersatzvornahme vorzunehmen (Art. 366 Abs. 2 OR). Es wird in der Lehre jedoch diskutiert, ob unter gewissen Umständen dem Besteller nicht auch in diesem Falle in analoger Anwendung von Art. 366 Abs. 1 oder Art. 368 Abs. 1 OR ein Rücktrittsrecht zugestanden werden soll (Zindel/Pulver, a.a.O., N 40 f. zu Art. 366 OR; Gauch, a.a.O., N 2421 ff.).
b) Auf dies beruft sich die Beklagte vorliegend. Sie macht geltend, aufgrund der erfolglosen Bemühungen der Klägerin, die Anlage WTG 1 und insbesondere WTG 1a, welche nach demselben Verfahren wie die Anlage WTG 2 (WTG 1a zudem mit wesentlichen, in WTG 2 zu integrierenden Komponenten) hätte funktionieren sollen, vertragsgemäss zum 'Laufen' zu bringen, sei ersichtlich, dass diese nicht im Stande (gewesen) sei, eine zum vorausgesetzten Gebrauch taugliche Anlage WTG 2 zu liefern. Angesichts dieser Untauglichkeit des Anlagekonzepts WTG 2 sei es der Beklagten auch nicht zuzumuten, das Werk in Selbsthilfe gestützt auf Art. 366 Abs. 1 OR (recte: Art. 366 Abs. 2 OR) herzustellen und die da bei anfallenden Kosten auf den der Klägerin gemäss Vertrag geschuldeten Werklohn aufzurechnen. Es sei ihr daher in analoger Anwendung von Art. 366 Abs. 1 und Art. 368 Abs. 1 OR ein Rücktrittsrecht zuzugestehen (act. 1 S. 26 if. Ziff 68ff).
c) Diese Frage kann vorerst offen gelassen werden. Neben dem Rücktritt nach den besonderen Auflösungsregeln steht dem Besteller nämlich auch die Möglichkeit zu, jederzeit gegen Vergütung der bereits geleisteten Arbeit und gegen volle Schadloshaltung des Unternehmers im Sinne von Art. 377 OR vom Vertrag zurückzutreten. Zu Unrecht auf besondere Auflösungsregeln gestützte Rücktrittserklärungen sind dabei regelmässig als Rücktritt im Sinne von Art. 377 OR zu qualifizieren (Zindel/Pulver, a.a.O., N 2 zu Art. 377 OR; BGE 98 II 113). Ist daher die Beklagte wirksam nach Art. 377 OR vom Liefervertrag WTG 2 zurück getreten, fällt dieser dahin und ein Erfüllungsanspruch der Klägerin besteht nicht mehr. Die Frage, ob ihr auch ein Rücktrittsrecht in analoger Anwendung von Art. 366 Abs. 1 und Art. 368 Abs. 1 OR zusteht, spielt dann nur noch insoweit eine Rolle, als darüber zu entscheiden ist, ob die Beklagte als Folge eines wirksam erklärten Vertragsrücktritts zur Schadloshaltung der Klägerin verpflichtet ist oder nicht.
Primär ist daher zu prüfen, ob die Beklagte nach Art. 377 OR vom Vertrag zurückgetreten ist. Dabei ist vorab zu beachten, dass dieser Rücktritt aus irgendeinem Grunde erklärt werden kann. Er liegt somit ganz im Belieben des Bestellers und kann insbesondere auch aufgrund finanzieller Überlegungen geschehen (Gauch, a.a.O., N 523). Der Rücktritt kann jederzeit bis zur Vollendung des Werkes, auch vor Beginn der Werkausführung erklärt werden (BGE 117 II 276).
d) Die Beklagte macht geltend, den Vertragsrücktritt konkludent mit ihrem Schreiben vom 28. September 1999 (recte: 27. September 1999) erklärt zu haben (act. 10 S. 26 Ziff. 69; act. 11/54).
aa) Am 2 August 1999 stellte die Klägerin der Beklagten DEM 650'000 -- für die Anlage WTG 1a und DEM 387'878.40 für (angeblich) getätigte Aufwendungen im Hinblick auf die Anlage WTG 2 in Rechnung (act. 10 S. 17 Ziff. 39; act. 11/40-4 1). Ferner kündigte sie der Beklagten Rechnungsstellung über DEM 3'183'462.60 zufolge Annullierung bereits bestellter Aggregate für die Anlage WTG 2 an (act. 11/42). In einem weiteren Schreiben vom 2. August 1999 knüpft die Klägerin die Wiederaufnahme bzw. Weiterführung ihrer Tätigkeit an die Bedingung, dass die Anzahlung gemäss Liefervertrag WTG 2 sofort überwiesen und sämtliche aufgrund des Liefervertrags WTG 1a erbrachten Leistungen innert kürzester Frist nach Rechnungsstellung beglichen würden (act. 11/43 S. 2 Ziff. 1). Hierauf folgt diverse Korrespondenz zwischen den Parteien. So rügt die Beklagte mit Schreiben vom 5. August 1999 die (angeblich) bei der Anlage WTG 1a vorliegenden Mängel. Weiter weist sie darauf hin, dass sie eine Zahlungsgarantie betreffend der mit der Klägerin abgeschlossenen Verträge dann abgeben könne, wenn im Gegenzug das tatsächliche Gelingen der Konzeption und die Verwirklichung sämtlicher abgeschlossener Verträge zu 100% gewährleistet werde (act. 11/44). Im Schreiben vom 9. August 2000 führt die Beklagte aus, aufgrund der Tatsache, dass die Werte bei der Anlage WTG la nicht erreicht würden und keine neuen Konzepte vorlägen, betrachte sie die Verwirklichung des Vertragszwecks der Anlage WTG 2 derzeit als unmöglich. Weiter bringt die Beklagte in diesem Schreiben jedoch auch die Hoffnung auf ein weiteres "Miteinander" zum Ausdruck (act. 11/46). In der Folge fand am 2. September 1999 eine neuerliche Besprechung zwischen Vertretern der Parteien statt. Diese erweckte bei der Beklagten den Eindruck, eine Einigung liege noch immer im Bereich des Möglichen. Im Widerspruch zu den vermeintlich gefundenen Schritten zur Aufweichung der verhärteten Fronten und noch bevor diese Schritte verbindlich festgelegt worden seien, habe die Klägerin jedoch mit Schreiben vom 7. September 1999 (neben diversen anderen Forderungen) erneut Entschädigung für die angeblich im Hinblick auf die Herstellung von WTG 2 getätigten Aufwendungen gefordert und Rechnungsstellung für Folgekosten aus der Annullierung bereits bestellter Aggregate in Aussicht gestellt (act. 1 S. 7 Ziff. 21; act. 10 S. 24 f. Ziff. 60; act. 11/53). Mit Schreiben vom 27. September 1999 sandte die Beklagte die zugestellten Rechnungen an die Klägerin zurück (act. 10 S. 25 Ziff. 62; act. 11/54). Mit diesem Verhalten will sie konkludent den Rücktritt vom Liefervertrag WTG 2 erklärt haben (act. 10 S. 26 Ziff. 69).
bb) Der Rücktritt ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Er ist von Gesetzes wegen an keine bestimmte Form gebunden. Die Einhaltung einer bestimmten Form kann jedoch von den Parteien vereinbart werden. Ansonsten kann der Rücktritt auch konkludent erklärt werden. Zu verlangen ist hingegen, dass der Wille des Bestellers, den Vertrag endgültig aufzulösen, für den Unternehmer klar zum Ausdruck kommt (Gauch, a.a.O., N 526).
cc) Die Beklagte legt im Schreiben vom 27. September 1999 die Gründe für die Rücksendung der Rechnungen dar. Den angeführten Begründungen ist zu entnehmen, dass sie mit den von der Klägerin bis anhin erbrachten Leistungen und der Höhe der dafür gestellten Rechnungen (teilweise) nicht einverstanden ist. Die Rechnung für die angeblich bereits getätigten Aufwendungen für die Anlage WTG 2 sandte die Beklagte kommentarlos zurück (act. 11/53, Rechnung Nr. 990208/02). Das Schreiben mit dem Hinweis, dass für die Annullierung bestellter Aggregate Folgekosten über DEM 3'183'462.60 in Rechnung gestellt würden, wurde nicht zurückgesandt (vgl. act. 11/53 S. 10; act. 11/54). Inwieweit aus diesem Verhalten für die Klägerin der Wille der Beklagten, dass sie den Liefervertrag WTG 2 nun endgültig auflösen wolle, zum Ausdruck kommen sollte, ist nicht ersichtlich. Entsprechend ist kein konkludenter Vertragsrücktritt der Beklagten an zunehmen. Eine andere Schlussfolgerung ergibt sich auch unter Einbezug des vorab geschilderten Sachverhaltes nicht. Sodann liesse sich auch nicht allein aus der Tatsache, dass die Klägerin angeblich anlässlich eines zwischen den Parteien im Juni 2000 stattgefunden Gespräches lediglich Ersatz für die getätigten Aufwendungen, nicht jedoch für die vorliegend eingeklagte Anzahlung verlangt habe, ableiten, die Klägerin habe den Willen der Beklagten zum Vertragsrücktritt tatsächlich richtig erkannt (act. 20 S. 45 Ziff. 63).
dd) Da aus dem Verhalten der Beklagten kein konkludenter Vertragsrücktritt abgeleitet werden kann, muss auch die Frage nicht weiter abgeklärt werden, ob Ziffer 1.3 der AGB VSM, welche für die Gültigkeit aller rechtserheblichen Erklärungen der Vertragsparteien die Schriftform vorsieht, eine konkludente Rücktrittserklärung nicht ohnehin ausschliessen würde (act. 4/2 S. 23 if. Anlage 5).
c) Für den Fall, dass sie nicht schon konkludent vom Liefervertrag zurück getreten sei, erklärt die Beklagte den Vertragsrücktritt mit Datum der Klageantwort (act. 10 S. 27 Ziff. 69).
Diesbezüglich handelt es sich um eine unmissverständliche in Schriftform abgefasste Willenserklärung der Beklagten, welche der Klägerin mit Zustellung der Klageantwort zuging. Für die Wirksamkeit einer Rücktrittserklärung im Sinne von Art. 377 OR ist es nicht notwendig, diese mit einem Angebot auf Vergütung der bereits geleisteten Arbeit und Schadloshaltung zu verbinden (BGE 96 11192 = Pra 1971 Nr. 41; BGE 98 11115). Trotz des fehlenden Angebots auf Ersatz des Schadens wird die Rücktrittserklärung somit sofort wirksam. Als Folge entfällt die Pflicht des Unternehmers zur Fertigstellung des Werkes und sein Anspruch auf Vergütung der gesamten Leistung. Anstelle des Erfüllungsanspruches erhält er einen Schadenersatzanspruch (Zindel/Pulver, a.a.O., N 11 zu Art. 377). Der Besteller hat den Unternehmer infolge des Rücktritts und nicht als dessen Voraussetzung so zu stellen, wie wenn der Vertrag erfüllt worden wäre (Zindel/Pulver, a.a.O., N 13 ff.). Es liegt in ‚der Folge aber am Besteller, welcher der ihn treffen den Pflicht zur Vergütung der bereits geleisteten Arbeit und zur Schadloshaltung des Unternehmers entgehen will, zu beweisen, dass ein Sachverhalt vorliegt, der ihn zur entschädigungslosen Vertragsauflösung berechtigt (BGE 96 11192 = Pra 1971 Nr. 41; Zindel/Pulver, a.a.O., N 22 zu Art. 377). Gleiches muss auch dann gelten, wenn der Besteller durch sein Verhalten klar zum Ausdruck bringt, dass er nicht zum Ersatz des Schadens bereit ist. Die Einwendung der Klägerin, dass sich die Beklagte nicht auf OR 377 berufen könne, da sie im vorliegenden Prozess mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass sie nicht zur Vergütung der (angeblich) bereits durch die Klägerin geleisteten Arbeit und zur vollen Schadloshaltung bereit sei (act. 24 S. 20 Ziff. 69), ist daher unbehelflich.
3. Damit hat die Beklagte in der Klageantwort rechtswirksam ihren Rücktritt vom Liefervertrag WTG 2 erklärt. Der Vertragsrücktritt bewirkt die Auflösung des Vertrages (Gauch, a.a.O., N 528). Der Liefervertrag WTG 2 wurde somit im Zeitpunkt, als die Rücktrittserklärung der Beklagten zuging, fristlos aufgelöst. Da dem Urteil der Sachverhalt, wie er sich im Zeitpunkt der Urteilsfällung darstellt, zugrunde zu legen ist (§ 188 Abs. 1 ZPO), besteht somit für die von der Klägerin vorliegend eingeklagte Anzahlung keine vertragliche Grundlage mehr. Entsprechend wäre die Klage abzuweisen:
4. Wie bereits erwähnt, erhält die Klägerin infolge des Vertragsrücktritts der Beklagten anstelle des Erfüllungsanspruches einen Anspruch auf Vergütung der bis anhin erbrachten Leistungen sowie Schadloshaltung. Der Nachweis für den Schaden aus den entzogenen Arbeiten sowie die Aufwendungen und Auslagen für die erbrachten Arbeiten hat dabei der Unternehmer zu erbringen. Er hat Entsprechendes zu behaupten und zu beweisen (Zindel/Pulver, a.a.O. N 22 zu Art. 377 OR).
Die Klägerin stellt vorliegend jedoch keine diesbezüglichen Behauptungen auf. Nur nebenbei erwähnt sie in der Klagebegründung angeblich bis anhin getätigte Auslagen von rund EUR 500'000.-- (act. 15. S. 7 Ziff. 20 und S. 8 Ziff. 27.2). Dass die Klägerin diese Ansprüche im vorliegenden Prozess einklagen will, kann daraus nicht (auch nicht sinngemäss) abgeleitet werden. Die Klägerin führt denn auch in der Replik nochmals explizit aus, Grundlage für den eingeklagten Anspruch bilde der Liefervertrag WTG 2. Von einem Wegfall [dieses Vertrages] und einer angeblichen Gestaltungserklärung der Klägerin könne keine Rede sein (act. 16 S. 3 Ziff. 5). Damit liegt auch kein Fall der richterlichen Fragepflicht vor (§ 55 ZPO). Denn die Schriften der Klägerin sind weder unvollständig noch unklar oder unbestimmt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie im vorliegenden Prozess keine Ansprüche auf Ersatz des etwaig durch den Rücktritt erlittenen Schadens geltend macht. Es erübrigt sich daher auch zu prüfen, ob die Beklagte sich auf einen Sachverhalt berufen kann, der sie - wie von ihr behauptet - zur entschädigungslosen Vertragsauflösung berechtigt. Hier kann schliesslich offen bleiben, ob nicht die Klägerin im August/September 1999, wie die Beklagte eventualiter geltend macht, den Rücktritt vom Liefervertrag WTG 2 erklärt hat.
5. Die Klage ist abzuweisen.
V.
(Kosten- und Entschädigungsfolgen)
1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Klägerin kosten- und entschädigungspflichtig (§§ 64 Abs. 2 und 68 Abs. 1 ZPO). Auszugehen ist von einem Streitwert von CHF 2'179'567.-- (Devisenmittelkurs per 30. März 2000; 1.595). Die Gerichtsgebühr beträgt demnach CHF 31'800.-- (§ 3 GebV).
2. Die Grundgebühr für die Prozessentschädigung der Beklagten beträgt CHF 39'800.-- (§ 2 AnwGebV). Für die Duplik sowie die Referentenaudienz ist ein Zuschlag von total 40 % geschuldet (§ 4 Abs. 1 lit. a) und c) AnwGebV). Die Klägerin hat demnach der Beklagten eine Prozessentschädigung von (gerundet) CHF 55'700.-- zu bezahlen.
Demgemäss erkennt das Gericht
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 31'800.-- die weiteren Kosten betragen:
Fr. 824.-- Schreibgebühren
Fr. 817.-- Zustellgebühren
Fr. 120.-- Vorladungsgebühren
3. Die Kosten werden der Klägerin auferlegt.
4. Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten eine Prozessentschädigung von CHF 55'700.-- zu bezahlen.
5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, je gegen Empfangsschein
6. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach dessen Empfang beim Kassationsgericht des Kantons Zürich, Postfach, 8022 Zürich, durch eine dem § 288 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechende Eingabe im Doppel kantonale Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne des § 281 ZPO geführt werden;
innert 30 Tagen nach dessen Empfang beim Handelsgericht des Kantons Zürich, Postfach, 8023 Zürich, wegen Verletzung von Bundesrecht im Sinne des Art. 43 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) durch eine dem Art. 55 OG entsprechende Eingabe Berufung an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden.}}
Source
Published in original:
- Schweizerische Zeitschrift für Internationales und Europäisches Recht, 2003, p. 102 ss.
English translation:
- available at the University of Pace website, www.cisgw3.law.pace.edu}}