Data
- Date:
- 03-04-2008
- Country:
- Austria
- Number:
- 1 Ob 205/07i
- Court:
- Oberster Gerichtshof
- Parties:
Keywords
JURISDICTION - EUROPEAN COUNCIL REGULATION NO. 44/2001 – JURISDICTION OF COURT OF PLACE OF PERFORMANCE OF CHARACTERISTIC OBLIGATION (ART. 5(1))
ART. 57(1) CISG - NOT APPLICABLE IN ORDER TO DECLARE OR DENY JURISDICTION WHEN REGULATION NO. 44/2001 APPLIES
Abstract
An Austrian seller and a German buyer entered into a contract for the sale of 32 violins. Once the goods were delivered, the buyer did not pay the purchase price. The seller then filed suit before an Austrian Court to recover the agreed sum. The seller asserted that the Austrian Court had jurisdiction on the basis of Art. 57(1) CISG (CISG being the substantive law applicable to the contract) and that such a provision should prevail over the rules set out in the Council Regulation (EC) No. 44/2001 of 22 December 2000 on Jurisdiction and the Recognition and Enforcement of Judgments in Civil and Commercial Matters (hereinafter the Regulation).
Both the Court of first instance and the Court of Appeal dismissed the claim for lack of jurisdiction.
The seller filed an extraordinary appeal (außerordentlicher Revisionrekurs) before the Supreme Court alleging that the Supreme Court had never explicitly addressed the issue of the relationship between Art. 5(1)(b) of the Regulation and Art. 57(1) CISG with respect to a claim for payment of the purchase price.
The Supreme Court declared the seller’s appeal admissible but it ultimately rejected it. In doing so, it affirmed that under the Regulation the decisive factor with respect to jurisdiction is the place where the characteristic performance has or should have been rendered. In the case of the sale of goods, the characteristic performance is delivery. Such a criterion applies to all obligations under the contract, including the payment of the purchase price, and as long as the Regulation applies, Art. 57(1) CISG cannot apply. In the case at hand, since Germany was the place where the goods had been delivered according to the contract, Austrian Courts did not have jurisdiction to hear the case.
Fulltext
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten
Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des
Obersten Gerichtshofs Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr.
E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der
Rechtssache der klagenden Partei Kyra S*****, vertreten durch Dr.
Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei
Erwin K*****, vertreten durch Mag. Detlev Baumgarten, Rechtsanwalt
in Wien, wegen 765.000 EUR sA, infolge außerordentlichen
Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des
Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 6. August 2007, GZ 15 R
163/07m-26, womit der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt
vom 24. Mai 2007, GZ 22 Cg 167/06v-20, in der Hauptsache bestätigt
wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14
Tagen die mit 3.384,60 EUR (darin 564,10 EUR USt) bestimmten Kosten
des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin begehrte den Klagsbetrag als Kaufpreis für 32 Geigen.
Sie habe diese zum Beklagten nach Deutschland transportiert. Der
Beklagte habe die Instrumente übernommen, um sie im eigenen Namen und
auf eigene Rechnung zu verkaufen. Der vereinbarte Kaufpreis hätte
nach dem Fortschritt der Verkaufsbemühungen in mehreren Teilbeträgen
an die Klägerin gezahlt werden müssen, was nicht geschehen sei. Zur
Zuständigkeit des angerufenen Gerichts berief sich die Klägerin auf
Art 57 UN-Kaufrecht iVm Art 5 EuGVVO.
Der Beklagte erhob ua die Einrede der Unzuständigkeit.
Das Erstgericht wies die Klage wegen mangelnder inländischer
Gerichtsbarkeit zurück. Gemäß Art 2 Abs 1 EuGVVO seien Personen mit
Wohnsitz im Ausland vor den Gerichten des Wohnsitzstaats zu
verklagen. Im Übrigen sei - da die Klägerin selbst behaupte, die
Geigen dem Beklagten in Deutschland übergeben zu haben - der
Erfüllungsort iSd Art 5 Nr 1 lit b EuGVVO in Deutschland gelegen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den
ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Nach Art 5 Nr 1 lit
b EuGVVO bestimme sich der Erfüllungsort nach dem Ort, an den die
Waren nach dem Vertrag geliefert wurden oder hätten geliefert werden
müssen. Sei die Lieferung bereits erfolgt, so sei der tatsächliche
Lieferort maßgebend, wenn der Käufer die Lieferung an diesem Ort als
vertragsgemäß angenommen habe. Die Frage des Anwendungsvorrangs
zwischen EuGVVO und UN-Kaufrecht in bezug auf den Gerichtsstand des
Erfüllungsorts stelle sich schon deshalb nicht, weil Art 57
UN-Kaufrecht lediglich den rechtlichen Erfüllungsort für die Zahlung
des Kaufpreises betreffe, nach Art 5 Nr 1 lit b EuGVVO diesem
Erfüllungsort jedoch keine Bedeutung zukomme. Es könne höchstens
überlegt werden, ob in bezug auf eine Zahlungsklage eine
(ausdrückliche) Vereinbarung über den Ort der Kaufpreiszahlung auch
neben der Bestimmung des Art 5 Nr 1 lit b EuGVVO maßgeblich bliebe.
Auf eine solche Vereinbarung berufe sich die Klägerin aber nicht.
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Klägerin begründet die Zulässigkeit ihres außerordentlichen
Rechtsmittels mit fehlender Judikatur zur internationalen
Zuständigkeit bei Zahlungsklagen durch den Verkäufer in Ansehung des
Art 5 EuGVVO im Verhältnis zu Art 57 Abs 1 UN-Kaufrecht. Tatsächlich
hat der Oberste Gerichtshof noch nicht ausdrücklich zu diesem
Spannungsverhältnis Stellung genommen, weshalb die Zulässigkeit des
Revisionsrekurses zu bejahen ist.
In der Sache selbst führt die Klägerin aus, der österreichische
Exporteur könne gemäß Art 57 Abs 1 UN-Kaufrecht mangels gegenteiliger
Vereinbarung die Zahlungsklage beim österreichischen Gericht
einbringen. Das UN-Kaufrecht stelle materielles Einheitsrecht in den
Vertragsstaaten dar und gehe rein prozessualen Bestimmungen vor.
Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:
Der erkennende Senat führte in der Entscheidung 1 Ob 94/04m - welcher
(ebenfalls) ein nach UN-Kaufrecht zu beurteilender Sachverhalt
zugrunde lag - aus, dass derjenige Ort, an dem die für den
Kaufvertrag charakteristische Leistung erbracht wurde oder zu
erbringen gewesen wäre, Erfüllungsort im prozessualen Sinn sei. Der
Ort, an dem die Sachleistung tatsächlich erbracht wurde, sei
ausschlaggebendes Kriterium für die Begründung der internationalen
(Wahl-)Zuständigkeit. Maßgeblich sei, dass sich der Erfüllungsort
pragmatisch an Hand tatsächlicher Kriterien - also autonom - bestimme
und nicht an rechtliche Kriterien anknüpfe. Soweit in der Lehre -
insbesondere unter Hinweis auf den missglückten Wortlaut des Art 5 Nr
1 lit b EuGVVO - zum Teil gegenteilige Ansichten vertreten würden,
könne diesen nicht beigepflichtet werden, denn eine derartige
Auslegung widerspräche der Intention des Verordnungsgebers, den
zuständigkeitsrelevanten Erfüllungsort ohne Rückgriff auf
materiell-rechtliche innerstaatliche Regelungen autonom zu bestimmen,
in krasser Weise (vgl 4 Ob 147/03a; 7 Ob 112/07g).
Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung
abzugehen. Auf jüngst in der Literatur - zu Fragen des
Versendungskaufs - ergangene kritische Stellungnahmen (siehe etwa
Ferrari in ecolex 2007, 303) ist nicht einzugehen, zumal es sich hier
um keinen Versendungskauf handelt.
Wird vertragsgemäß Ware zum Wohnsitz/Sitz des Käufers geliefert, so
entsteht für diesen ein forum actoris. Dies gilt auch dann, wenn der
Vertrag UN-Kaufrecht untersteht (Geimer/Schütze, Europäisches
Zivilverfahrensrecht2, Art 5 EuGVVO Rz 87). Auf Art 57 UN-Kaufrecht
ist bei einer Kaufpreisklage nicht mehr abzustellen, da der Lieferort
- solange Art 5 Nr 1 lit b EuGVVO angewendet wird, einheitlich für
alle Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag maßgebend ist (Kropholler,
Europäisches Zivilprozessrecht8, Art 5 EuGVVO Rz 49).
Dem Revisionsrekurs der Klägerin ist sohin ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50, 41 ZPO.}}
Source
Original in Austrian:
- available at www.ris2.bka.gv.at
English translation:
- available at the University of Pace website, www.cisgw3.law.pace.edu}}