Data

Date:
07-05-1993
Country:
Switzerland
Number:
Court:
Gerichtspräsident von Laufen
Parties:
Unknown

Keywords

SCOPE OF CISG - CONTRACT FOR SUPPLY OF GOODS TO BE MANUFACTURED - COVERED BY CISG (ART. 3 CISG)

UNIFORM AND AUTONOMOUS INTERPRETATION OF CISG BY NATIONAL COURT IS IN THE PUBLIC INTEREST

Abstract

A sales contract was concluded between a Finnish manufacturer of industrial equipment and a Swiss buyer. The seller commenced an action to recover a remaining part of the price. The buyer denied that the Cantonal Court had jurisdiction to hear the case.

The Court stated that CISG was applicable, even though the contract had been concluded before the entry into force of CISG in Switzerland as the applicable rules of private international law led to Finnish law (Art. 1(1)(b) CISG).

Moreover the Court decided that CISG was applicable as the seller was obliged to supply goods to be manufactured or produced according to Art. 3(1) CISG. Moreover the supply of labour and other services was not a preponderant part of the seller's obligations (Art. 3(2) CISG).

In order to establish jurisdiction, the Cantonal court had to decide whether CISG was to be considered federal Swiss law and so falling within the jurisdiction of the Federal Supreme Court, or as foreign law. The Court stated that from a formal point of view CISG was applicable as foreign law, because the applicable rule of private international law led to Finnish law (Art. 1(1)(b) CISG). However the Court considered also that CISG, as international substantive law, was also part of Swiss federal law at the time the decision was rendered. Considering this fact, the Court decided that an appeal to the Swiss Federal Court should be possible in order to guarantee a uniform and autonomous interpretation of CISG.

Fulltext

[...]

2. Die Geschäftsbeziehungen der Parteien nehmen ihren Anfang im Jahre 1988, genauer mit dem Abschluss des sogenannten Non-Disclosure Agreement am 19.1.1988. Geschäftliches (Fern-) Ziel der Parteien ist zu jenem Zeitpunkt, dass die Beklagte für die Klägerin das System [...], wie oben beschrieben, in der Schweiz in Lizenz herstelle und vertreibe. Hierzu bildet vorliegendes 'Stillhalte'-Abkommen nun gewissermassen eine Vorstufe. Es beinhaltet die Verpflichtung der Klägerin zur Lieferung von Know-how, soweit dies zur Evaluation einer fortgesetzten und dauerhaften Geschäftsbeziehung nötig erscheint (Ziff. l), und als Korrelat dazu vor allem die Verpflichtung der Beklagten zur Geheimhaltung sämtlicher ihr anvertrauter Geheimnisse (Ziff. 2 - 6). In Ziff. 8 findet sich zudem eine Schiedsklausel, worin sich die Parteien unter das nach den Regeln über die Schiedsgerichtsbarkeit des International Chamber of Commerce (ICC, Paris) zuständige Schiedsgericht unterwerfen, bestehend aus l Schiedsrichter, der durch das finnische Chamber of Commerce bestimmt wird. Die Schiedsklausel gilt gemäss ihrem eigenen Wortlaut für jedwelche Streitigkeit, die im Zusammenhang mit dem vorliegenden Abkommen steht. Als massgebliches Recht wird dabei in besagter Klausel 8 infolge Rechtswahl das finnische Recht bezeichnet.

3. Am 2.6.1990 schliessen die Parteien das sog. Licence Agreement. Dessen Kerninhalt bildet Clause 2, worin dem Lizenznehmer das ausschliessliche Recht auf Gebrauch, Herstellung und Verkauf der Lizenzprodukte, wie in Clause lc definiert, in der Schweiz übertragen wird. Der Lizenznehmer verpflichtet sich zur Leistung einer Lizenzgrundgebühr und eines erfolgsabhängigen Lizenzhonorars. Wesentlicher und charakteristischer Hauptbestandteil ist also das lizenz vertragliche Element, verstanden als entgeltlicher, territorial beschränkter Verzicht des Lizenzgebers auf Ausübung der aus dem europäischen Patentrecht fliessenden Ausschliesslichkeit und Durchsetzungsrechte gegenüber dem Lizenznehmer. Dabei wird das Abkommen von den Parteien als 'Ergebnis der bisherigen Evaluation der Möglichkeiten' angesehen, es stellt sozusagen das seit Abschluss des Non-Disclosure Agreement am 19.1.1988 angestrebte Ziel der Parteien dar. So wird in Clause 26 Ziff. 3 unter dem Titel 'Integration' die Ansicht ausgesprochen, dass 'dieses Übereinkommen das ganze Verständnis zwischen den Parteien bezüglich der darin behandelten Materie voraussetzt' und dass es 'alle bisherigen Diskussionen zusammenfasst'. Im weiteren beinhaltet der Lizenzvertrag unter dem Titel 'Technologietransfer' in Clause eine vorvertragliche Pflicht des Lizenznehmers zur zukünftigen Bestellung einzelner Komponenten (Clause 5 Ziff. 2), die gattungsmässig aufgelistet werden; es handelt sich dabei um [...] und um [...], wobei Preise und Zahlungsbedingungen im Anhang B des Vertrages geregelt werden. Spezifizierte Werkbestellungen, welche über diese vorvertragliche, gattungsmässig bestimmte Verpflichtung zu Bestellung der genannten Komponenten der Lizenznehmerin und Beklagten hinausgehen, enthält der Lizenzvertrag jedoch nicht.

[...]

Verletzung von Bundesrecht

Gemäss Art. 43 OG und Art. 55 Abs. 1 lit. c OG kann mit Berufung geltend gemacht werden, ein Entscheid beruhe auf der Verletzung von Bundesrecht mit Einschluss der durch den Bund abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge. Gemäss Art. 43a Abs. 1 lit a OG kann zudem auch eine Verletzung des IPRG geltend gemacht werden. Die Berufung ist jedoch ausgeschlossen, wenn ein Entscheid (gemäss IPRG) richtigerweise ausländisches Recht anwendet, dieses jedoch falsch anwendet, also verletzt. Hieraus nun zieht die Klägerin den Schluss, dass in casu die Berufung ausgeschlossen sei (Klage II. 2.).

aa. Das vorliegendenfalls zur Anwendung gelangende Recht

Massgebend zur Ermittlung des anwendbaren Rechts ist wiederum das IPRG. Art 118 Abs. 1 IPRG beantwortet die Frage nicht direkt, sondern verweist fiir den Kauf beweglicher Sachen| auf das Haager Übereinkommen vom 15. Juni 1955 betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche körperliche Sachen anzuwendende Recht. Dass vorliegend im wesentlichen ein Kauf beweglicher Sachen in diesem Sinne vorliegt ist unbestreitbar, fallen doch auch Werklieferungsverträge hierunter. Art. 3 des Haager Übereinkommens bestimmt, dass mangels Rechstwahl durch die Parteien das Recht des Staates anzuwenden ist, in welchem der Verkäufer zum Zeitpunkt, da er die Bestel lung erhält, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Da eine Rechtswahl vorliegend (im Gegensatz zum Non-disclosure und zum Licence Agreement) nicht stattgefunden hat, und der Verkäufer zur Zeit des Bestellungseingangs in Finnland seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte, ist das finnische Recht anzuwenden.

bb. Anwendbarkeit des CISG

Im weiteren ist die Frage zu beantworten, ob vorliegendenfalls das CISG (Convention on the International Sales of Goods, Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980, auch Wiener Kaufrecht, WKR, SR 0 221.221.1) zur Anwendung gelangen will und muss. Es ist deshalb dessen zeitlicher und sachlicher Anwendungsbereich zu prüfen (vgl. zum Ganzen: v.CAMMMERER/SCHLECHTRIEM, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, München 1990, zit.: Herausgeber/Bearbeiter, Art., Rn.)

aaa. Zeitlicher Anwendungsbereich

Das CISG wurde von Finnland am 15.12.1987 ratifiziert und ist am 1.1.1989 in Kraft getreten. Dass die in casu fraglichen Werklieferungsverträge nach diesem Zeitpunkt zustandegekommen sind, ist unbestritten und unbestreitbar (vgl. dazu Art. 2 und 3 der Klage mit den aufgeführten Beweismitteln). Damit fallen diese Verträge gemäss Art. 100 CISG in den zeitlichen Gel tungsbereich des Übereinkornmens.

bbb. Sachlicher Anwendungsbereich

Gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. b ist das CISG auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien anzuwenden, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates führen. Dass die Regeln des IPR (Art. 118 Abs. IPRG i.V.m Art. 3 Haager Überereinkommen) zur Anwendung des Rechts Finnlands fuhren, und dass Finnland zum Zeitpunkt des Vertragsabschlüsse Vertragsstaat des CISG war, wurde dargelegt. Ebenso klar ist, dass die Parteien ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben. Folglich hatte das Gericht lediglich zu prüfen, ob in casu ein Kaufvertrag im Sinne des CISG vorliegt. Unter dem vertragsautonomen Begriff des Kaufvertrags ist jeder Vertrag zu verstehen, bei dem Ware gegen Kaufpreiszahlung getauscht wird (REINHART, UN-Kaufrecht, Kommentar zum Übereinkommen der Vereinten Nationen vom l . April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf, Heidelberg 1991, N. f zu Art. 1). Dass sowohl die Geschäfte [...] und [...] wie auch die Prospektlieferung solche entgeltliche Austauschgeschäfte darstellen, dürfte unzweifelhaft sein. Gemäss Art. 3 Abs. 1 CISG stehen den Kaufverträgen Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware gleich, es sei denn, der Besteller liefere einen wesentlichen Teil des fiir die Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffes. Im vorliegenden Fall verpflichtet sich die Klägerin zur Lieferung zweier konkreter, und deshalb erst noch herzustellender Werke, und hat hierbei den gesamten Werkstoff bereitzuhalten. Die Beklagte hingegen liefert keine wesentlichen Rohstoffe oder Zwischenprodukte zur Werkerzeugung. Damit liegt ein Werklieferungsvertrag im Sinne von Art. 3 Abs 1 CISG vor, der den Kaufvertragen gleichgestellt ist. Gemäss Art. 3 Abs. 2 CISG ist das Übereinkommen nicht anzuwenden, wenn die vertragswesentliche Pflicht des Sachlieferers in der Ausfuhrung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen liegt. Mit dieser Bestimmung sollen in erster Linie Verträge über Arbeitsleistungen ausgeschlossen werden. Im zu beurteilenden Fall verpflichtet sich die Klägerin zwar zur Ausführung von Arbeiten und anderen Dienstleistungen, diese Nebenpflichten überwiegen jedoch keineswegs die hauptsächliche Lieferpflicht. Da auch keine weiteren Bestimmungen ersichtlich sind, welche die zur Beurteilung stehenden Verträge vom sachlichen Anwendungsbereich des CISG ausschliessen (so etwa Art. 2 lit. a CISG: Ausschluss von Konsumentenkäufen), sind sowohl die Werklieferungsverträge bezüglich der Projekte [...] und [..] als auch der Kaufvertrag bezüglich der Prospektlieferung nach Massgabe des Übereinkommens zu beurteilen.

ccc. Regelungskomplex

Obwohl sich vorliegender Fall im sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich des CISC bewegt, bleibt unter Umständen Raum für das rein nationale Recht des Vertragsstatuts. Nacl Art. 4 CISG regelt das Abkommen das Zustandekommen und die schuldrechtlichen Wirkunge des Vertrages. Hierzu hat Finnland allerdings einen Vorbehalt gemäss Art. 92 CISG angebracht, wonach Teil II des Abkommens, der den Vertragsabschluss regelt, für Finnland keine Geltung haben soll. Vorliegendenfalls wird das Zustandekommen des Vertrages hingegen von keiner Seite bestritten, sodass vom Streitgegenstand her die Anwendbarkeit von Teil II des Übereinkommens, bzw. an dessen Stelle des national-finnischen Rechts nicht zur Diskussion steht. Im übrigen schliesst Art. 4 lit. a CISG Fragen der Wirksamkeit des Vertrages vom Abkommen aus. Aber auch solche Fragen stellen sich nicht. Soweit hingegen Auslegungsfragen bezüglich des Vertragsinhaltes bestehen sollten, hält das CISG hiefür Auslegungsregeln bereit (Art. 8 - 13, die auch für Finnland vollumfänglich gelten. Das Übereinkommen regelt insbesondere die Vertragswirkungen, die Vertragsverletzungstatbestände und deren Folgen. So enthält es diesbezüglich Preiszahlungs-, Zinszahlungs- und Schadenersatzpflicht die anwendbaren Normen, weshalb für das von der Klägerin angerufene finnische Recht (vgl insbeso. Art. 6 der Klage) insoweit kein Raum bleibt. Lediglich in Bezug auf die Festsetzung der Verzugszinshöhe kommt dem nationalen Recht eine Bedeutung zu, da Art. 78 CISG lediglich die Zinszahlungspflicht statuiert, ohne allerdings die Zinsfusshöhe zu bestimmen. Dabei ist allerdings vor allem in der Deutschen Lehre umstritten, welches nationale Recht zur Anwendung gelangen soll. Nach SCHLECHTRIEM/EBERSTEIN (Art. 78 Rn. 3) soll das durch die Kollisionregeln bestimmte Recht Anwendung finden, nach einer abweichenden und gewichtigen Meinung jedoch nach dem nationalen Recht des Zinsgläubigers (vgl. die Hinweise bei SCHELCHTRIEM/EBERSTEIN, Art. 78, Fn 9). Diese Meinungsverschiedenheit ist allerdings nur dann von Bedeutung, wenn sich der Verkäufer mit einer Zahlungspflicht im Rückstand befindet, beispielsweise mit einer Schadenersatzpflicht für mangelhafte Ware gemäss Art. 74 ff CISG; hier ist bei kollisions rechtlicher Anknüpfung die Zinsfusshöhe nach dem Statut des Verkäufers zu bestimmen, bei Anknüpfung an das Recht des Zinsgläubigers hingegen nach dem Statut des Käufers. Ist aber, wie vorliegendenfalls von der Klägerin geltend gemacht, der Käufer mit seiner Zahlungspflicht 'im Verzug', was die Mehrheit aller Fälle ausmachen dürfte, so ist die Zinshöhe nach beiden Ansichten nach dem Recht des Verkäufers, in casu also nach dem finnischen Recht, zu bestimmen. Trotzdem wird alles in allem deutlich, dass sich der vorliegende Fall, soweit die streitigen Punkte betreffend, ausschliesslich im Anwendungsbereich des CISG bewegt, dass m.a.W. in der Hauptsache das CISG, und nicht irgendwelches rein national-finnisches Recht, für die Lösung des Rechtsstreites massgeblich und damit heranzuziehen ist. Das finnische Recht hat vorliegendenfalls lediglich zur Bestimmung der Zinshöhe Bedeutung, soweit ein Zins von der Beklagten überhaupt geschuldet wird, und soweit darüber Streit entsteht.

cc. CISG als finnisches Recht oder als vom Bund abgeschlossener Staatsvertrag i.S.v. Art. 43 Abs. 1 OG?

Die Schweiz hat das CISG am 21.2.1990 ebenfalls ratifiziert. Es ist am 1.3.1991, offenkundig also vor dem Zeitpunkt der Klageeinreichung in Kraft getreten. Das Übereinkommen stellt somit einen durch den Bund abgeschlossenen völkerrechtlichen Vertrag i.S.v Art. 43 Abs. 1 OG dar. Das Gericht hatte deshalb die Frage zu beantworten, ob vorliegende Streitsache nicht doch berufungsfähig ist.

Rein formal verweisen unsere IPR-Regeln auf das finnische Recht, dessen Bestandteil, das CISG, dann gemäss dessen Art. 1 lit a Anwendung finden will. Damit gelangt rein formal finnisches Recht zur Anwendung, weshalb die zivilrechtliche Berufung ans Bundesgericht gemäss Art 43 Abs. 1 OG auszuschliessen ware Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass dieses finnische Recht mit dem schweizerischen Recht materiell in sämtlichen Punkten übereinstimmt, wenn dieses zur Anwendung gelangte. Trotz des formell ausländischen Rechtes sprechen nach Auffassung des Gerichts wesentliche Grunde für die Berufungsfähigkeit.

Zum einen handelt es sich bei den im vorliegenden Fall anzuwendendem Normenkomplex, wie erwähnt, um materiell mit dem Schweizerischen absolut übereinstimmendes Recht. Dies deshalb, weil sich der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ausschliesslich auf Fragen erstreckt, die vom CISG beantwortet werden, und weil es dem Richter aufgrund der Dispositionsmaxime verwehrt bleibt, den Streitgegenstand auf unstreitige Punkte auszudehnen. Zum zweiten erheischt das CISG aufgrund seiner Multilateralität möglichst einheitliche Auslegung, wobei insbesondere sein internationaler Charakter zu berücksichtigen ist (Art. 7 Abs 1). Es soll deshalb aus sich heraus ausgelegt werden, und nicht aus Sicht des jeweils nationalen Rechts des Rechtsanwenders. Deshalb kann das finnische Recht für die Auslegung keine Bedeutung haben; überhaupt ist unmassgeblich, ob das Abkommen formal nun gerade als dieses oder jenes Landesrecht angewendet wird, da es aus sich selbst heraus und nach völker rechtlichen Kriterien auszulegen ist. Zum dritten ist zu berücksichtigen, dass eine internationaleinheitliche Auslegung nur dann annähernd zu verwirklichen ist, wenn möglichst alle erst- oder zweitinstanzlichen Richtersprüche einer im jeweiligen Staat höchstricherlichen Entscheidung offen stehen. Einerseits können nur die höchstrichterlichen Instanzen die staatsinterne Rechtssprechung vereinheitlichen und dafür sorgen, dass nicht schon innerhalb eines Staatsgebietes ein multilaterales Abkommen unterschiedlich ausgelegt und angewendet wird. Andererseits sind wohl nur gerade die höchstinstanzlichen Gerichte in der Lage, die Rechtsprechung in den übrigen Vertragsstaaten zu überblicken und dadurch auch über die Staatsgrenzen hinweg für eine international-einheitliche Auslegung zu sorgen.

Im weitern ist zu bedenken, dass gerade aufgrund der tendenziell mangelnden Überblickbarkeit der internationalen Rechtsprechung durch die unteren Gerichte für die im internationalen Warenverkehr tätigen schweizerischen Unternehmungen eine nicht unmassgebliche Rechtsunsicherheit entstehen kann, wenn sie gestützt auf das CISG durch ausländische Unternehmen verklagt werden und aufgrund eines formalistischen Argumentes keinen Zugang zum Bundesgericht erhalten. Im übrigen ist kein Grund dafür ersichtlich, dass die Untenehmungen der Schweizerischen Exporwirtschaft - die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte vorausgesetzt - Zugang zum Bundesgericht erhalten sollten, nicht jedoch diejenigen der Importwirtschaft, zumal in beiden Fällen materiell das CISG zur Anwendung gelangt.

Nicht zuletzt ist die ratio legis von Art. 43 und 43a OG zu betrachten, die sich im wesentlichen aus der ursprünglichen Konzeption des Bundesgerichtes als Kontroll- und Überwachungsinstrument ergibt. Das Bundesgericht soll und kann danach die Verletzung ausländischen Rechts im wesentlichen aus zwei Gründen nicht überprüfen: Zum einen ist das Ziel der zivilrechtlichen Berufung, die einheitliche kantonale Auslegung und Anwendung des Bundeszivilrechts sicherzustellen (HABSCHEID, Schweizer Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2. Aufl., Basel 1990, N. 782), und nicht diejenige des ausländischen Zivilrechts. Zum anderen soll sich das Bundesgericht nicht anmassen, gewissermassen als `Gralshüterin' des ausländischen Zivilrechts dieses auszulegen und höchsrichterlich dessen korrekte Anwendung festzulegen. Keiner dieser Normzwecke gebietet es jedoch, auch im vorliegenden Fall die Berufung auszuschliessen. Zum einen handelt es sich beim CISG materiell um Bundeszivilrecht, dessen einheitliche und korrekte Auslegung durch die Kantone auch dann zu garantieren ist, wenn es formell als `ausländisches' Recht zur Anwendung gelangt. Zum anderen kann von `Einmischung' in die Anwendung ausländischen Rechts keine Rede sein, wenn das Bundesgericht das von dem betreffendenen Staat ratifizierte CISG anwendet: Wie erwähnt ist das Übereinkommen aus sich selbst und nach völkerrechtlichen Grundsätzen international-einheitlich und nicht nach Massgabe des jeweiligen Landesrechts zuszulegen. Hieraus wird ersichtlich, dass der Normzweck von Art. 43 OG die Zulassung der Berufung in Fällen wie dem vorliegenden nicht nur nicht ausschliesst, sondern sie geradezu gebietet. Zudem kann auch nicht gesagt werden, mit einer solchen Ausweitung bewege sich das Bundesgericht zukünftig durch eine doch sehr oft weitläufige, schwierige und zeitraubende Feststellung des ausländischen Rechts in einem noch stärkeren Mass am Rande seiner Kapazitäten. Von einer solch zeitraubenden Feststellung des finnischen Rechts kann keine Rede sein, ist doch - wie dargelegt - nur das CISG anzuwenden; dessen Feststellung und Kenntnis aber kann sich das Bundesgericht keinesfalls entziehen, findet es doch als formal schweizerisches Recht unter Vorbehalt einer Rechtswahl auf beinahe sämtlichen Vertragsbeziehungen der Schweizerischen Exportwirtschaft Anwendung; entstehen nun bei solchen Vertragsbeziehungen Streitigkeiten, so ist - örtliche Zuständigkeit der Schweizerischen Gerichte vorausgesetzt - letztinstanzlich das Bundesgericht jedenfalls zuständig und hat das CISG anzuwenden.

Dass das Übereinkommen im übrigen eine einheitliche, abschliessende und autonome Kaufrechtsordnung darstellt, die nicht zwingend dem Recht eines Staates zugeordnet werden will, sondern für sich alleine Bestand hat, zeigt sich an Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG. Danach ist das CISG anwendbar, wenn die Parteien ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, und diese Staaten Vertragsstaaten des Abkommens sind. Bei dieser Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereiches fehlt jegliche Anknüpfung an das Recht eines bestimmten Staates; das CISG gelangt ungeachtet der innerstaatlichen kollisionsrechtlichen Regelung autonom als solches zur Anwendung, ohne dass es eine staatenspezifische Qualifikation erfährt. Legt man als reine Hypothese zugrunde, dass die im vorliegenden Fall fraglichen Geschäfte nach Inkrafttreten des Übereinkommens am 1.3.1991 abgeschlossen worden wären, so käme die genannte Bestimmung zum Zuge, da sie der 'Vorschaltlösung' von lit. b (REINHART, N. 2 f. zu Art. I) regelmässig vorgeht; deshalb findet das CISG auf sämtliche nach dem 1.3.1991 zustandegekommenen Verträge der Schweizerischen Importwirtschaft nach Massgabe von Art. 1 Abs. 1 lit. a Anwendung. Diesfalls kommt das Abkommen dann nicht in formeller Gestalt des nationalen Finnischen Rechts daher, sondern als Teil des internationalen materiellen Privatrechts. Es ist offensichtlich, dass nun die Berufung gemäss Art. 43 Abs. 1 OG offen wäre, handelte es sich doch hier unbestreitbar um einen durch den Bund abgeschlossenen Staatsvertrag. Lehnt man nun die Berufungsfähigkeit von ClSG-Streitsachen ab, wenn das Abkommen aufgrund der Vorschaltlösung von Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG zur Anwendung gelangt, so ergibt sich bezüglich der Frage der Berufungsfähigkeit eine objektiv nicht zu erklärende Differenzierung, die sachlich schlichtweg nicht zu begründen und nach Meinung des Gerichts nicht zu halten ist.

Schlussendlich vermag auch ein allfälliger Einwand, zur Bestimmung der Zinssatzhöhe sei doch wieder auf finnisches Recht zurückzugreifen, am Ergebnis der Berufungsfähigkeit der vorliegenden Streitsache nicht das geringste zu ändern. Zum einen ist zwar, wie oben dargelegt, die Höhe eines allfällig geschuldeten 'Verzugs'zinses gemäss Art. 78 CISG nach Massgabe des finnischen Rechts zu ermitteln. Hingegen ist nicht ersichtlich, dass diese Rechtstatsache Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet. Die Beklagte erhebt keinerlei Einwände gegen diese auch von der Klägerin in ihrer Rechtsschrift genannte und sogar beigelegte Berechnungsgrundlage der Zinshöhe, sie bestreitet wohl vielmehr schon den Bestand der Zinspflicht. Deshalb hat sich ein materiell rnit der Sache befasstes Gericht - dem bereits mehrfach erwähnten Dispositionsgrundsatz entsprechend - rnit der Höhe des geltend gemachten Zinses mangels Streitgegenständlichkeit nicht auseinanderzusetzen und hat diese auch nicht zum Urteilsgegenstand zu erheben Es ist demzufolge nicht ersichtlich, inwiefern vor Bundesgericht eine Verletzung des finnischen (Zins-)Rechts geltend gemacht werden sollte und damit die Berufungsfähigkeit zu verneinen wäre. Im weiteren ist selbst dann, wenn im Verlaufe des Verfahrens neben den bereits jetzt streitigen Punkten auch über die Zinsfusshöhe ein Rechtsstreit entstehen sollte, was den Wahrscheinlichkeitsgrad einer blossen Hypothese freilich nicht übersteigt, die Berufungsfähigkeit der Sache insgesamt nicht zu verneinen. Das Bundesgericht könnte diesfalls die Berufung in der Hauptsache zulassen und auf die an sich blosse Nebenfrage der Zinshöhe mangels Berufungsfähigkeit nicht eintreten. Ein solches Vorgehen, wonach bei bloss teilweise fehlenden Prozessvoraussetzungen ein bundesrechtliches Rechtsrnittel nicht gänzlich abgewiesen, sondern soweit möglich eben darauf eingetreten wird, entspricht denn auch der langjährigen und ununterbrochenen bundesgerichtlichen Praxis in allen Kammern (vgl. z.B. nur das Dispositiv von BGE 118 Ia 174). Wie erwähnt setzt dies jedoch voraus, dass über die Zinsfusshöhe ein Rechtsstreit entsteht, was zum Zeitpunkt des hiesigen Verfahrens nicht ersichtlich und als reine Hypothese zu werten ist. Alles in allem jedoch vermag auch ein allfällig noch entstehender Streit über die Zinshöhe die Berufungsfähigkeit der Gesamtsache nicht zu beeinträchtigen.

Zusammengefasst sei in geraffter Form verdeutlicht, weshalb die Berufungsfähigkeit der vorliegenden Streitsache bejaht werden muss: Ansprüche aus Liefergeschäften, deren Gegenstand Leistungen der hier aufretenden vertragstypischen Natur betrift, und bei denen es rechtliche Konstellationen und Probleme der vorliegend streitigen Art autoritativ zu entwirren gilt, fallen unter den sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich des CISG. Zwar gilt diese Konklusion kraft formellen Anschauungen anhand des finnischen Rechts. Heute allerdings und schon im Zeitpunkt der Klageeinrechtung (Gebundenheit an den Prozess gemäss Art. 160 ZPO) stellen die Regeln des genannten völkerrechtlichen Vertragswerkes nicht nur, aber in massgeblicher Hinsicht auch schweizerisches Privatrecht dar. Es kann demnach nicht von der Zufälligkeit des Zeitpunktes seines Inkrafttretens als Ergebnis der zeitlichen Inanspruchnahme unserer Gesetzgebung abhängen, ob eine Zivilstreitsache berufungsfähig ist oder nicht. Wenn sich die Geltung und Anwendbarkeit von während gesamter Litispendenz auch formell bestehendem und wirksamem schweizerischem Recht kraft Verweises einer ausländischen Rechtsordnung ergibt, ändert dieses rein zufällige Moment doch an der Schutzwürdigkeit des Interesses an der Überprüfbarkeit durch das Bundesgericht wegen Verletzung schweizerischen Privatrechts und dessen Geeignetheit und Bestimmung hiezu nicht das Geringste.

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Source

Original in German:
- Unpublished

Excerpt of Judgment in:
- Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht (SZIER), 1993, by Monique Jametti Greiner}}